To make a short story long …

Colin Sullivan (Matt Damon) ist ein Musterpolizist, der in der Hierarchie schnell seinen Weg nach oben macht. Niemand ahnt, dass er einst als Laufbursche für den irischen Paten Frank Costello (Jack Nicholson) sein erstes Geld verdiente. Billy Costigan (Leonardo DiCaprio) hingegen wird sofort ziemlich deutlich gemacht, dass er mit der kriminellen Vergangenheit seiner Familie nie ein echter Polizist werden wird. Ihm bleibt nur die Tätigkeit als verdeckter Ermittler in genau dem Milieu, das er nur zu gut kennt und in das eben auch Sullivan verstrickt ist: Costigan dringt in die Organisation Costellos ein und findet heraus, dass ein Spitzel des Schwerverbrechers im Polizeipräsidium sitzt. Aber auch Costello bleibt die Existenz eines Maulwurfs in seiner Organisation nicht lange verborgen und so wird Sullivan mit der Enttarnung des Undercover-Ermittlers beauftragt …

departed.jpgWem diese Geschichte nicht ganz unbekannt vorkommt, der hatte wahrscheinlich bereits das große Vergnügen mit "Infernal Affairs" von Wai Keung Lau und Siu Fai Mak einen der besten Cop-Thriller der letzten Jahre zu sehen. Statt Matt Damon und Leo DiCaprio standen sich dort Andy Lau und Tony Leung gegenüber und versuchten sich gegenseitig mit clever inszenierten Täuschungsmanövern in die Falle zu locken. William Monahan verlegt die auf den Punkt reduzierte, von allem epischen Ballast befreite Hongkong-Version dieser Geschichte in das Boston der Gegenwart und verleiht den zu Typen überstilisierten Figuren der Vorlage nun einen persönlichen Background, eine Geschichte. Dabei bleibt es jedoch nicht, denn Monahan hat sich außerdem redlich bemüht, "Infernal Affairs" in einen klassischen amerikanischen Gangsterstoff zu verwandeln, für den Martin Scorsese natürlich die beste Adresse ist. So beginnt der Film dann auch mit einem Erinnerungen an "Good Fellas" evozierenden Voice-Over von Frank Costello und der schicksalhaften Begegnung zwischen dem Crimelord und dem kleinen Colin Sullivan. Und auch in der folgenden Stunde ist "Departed – Unter Feinden" ganz Scorsese.

 

So wie jedoch Costello als Erzähler nach der Eröffnung sofort wieder fallen gelassen wird, so verlässt auch "Departed – Unter Feinden" bald den eingeschlagenen Weg und folgt dem Vorbild minutiös und mit nur kosmetischen Variationen, sobald die eigentliche Geschichte um das Verwirrspiel der beiden Doppelagenten einsetzt. Und genau da ist der Haken: Scorseses Film zerfällt in zwei Hälften, an denen es für sich betrachtet wenig zu nörgeln gibt, die aber völlig unverbunden nebeneinander stehen. Während man in "Infernal Affairs" – und in dem, was von ihm in Scorseses Film übrig geblieben ist – vor allem die Freude am erzählerischen Konstrukt erkennt, das postmoderne Spiel mit den Genreelementen, den Drang zur Pointierung, bemühen sich Monahan und Scorsese, das menschliche Drama aus dem Stoff herauskitzeln. Ein Versuch, der eben an der Kunstfertigkeit der Vorlage scheitern muss, die die Charaktere beinahe aufsaugt. Da können sich die Schauspieler noch so anstrengen – vor allem DiCaprio und Damon leisten Großes, während man Nicholsons Spiel mit einigem Recht als overacting bezeichnen kann –, den für sich genommen durchaus gelungenen, aber eben auch sehr konservativ erzählten Einstieg hat man am Ende des Films, nach den vielen Twists und Turns der geschliffenen Story, schon wieder völlig vergessen.

 

Man sagt ja, die Herausforderung beim Schreiben liege vor allem darin, so ausführlich wie nötig aber so kurz wie möglich zu erzählen. In der Verknappung liegt die große Kunst von "Infernal Affairs". "Departed – Unter Feinden" hingegen wirkt so, als hätte Scorsese das Drehbuch verfilmt, aus dem die Macher des Originals erst nach langem Kürzen, Schleifen und Filtern ihren Film destilliert haben.  

(The Departed)
Regie: Martin Scorsese, Drehbuch: William Monahan, Kamera: Michael Ballhaus, Musik: Howard Shore, Schnitt: Thelma Schoonmaker
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson, Mark Wahlberg, Martin Sheen, Vera Farmiga
Länge: 151 Minuten
Verleih: Warner Bros. 

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