Es kann der beste nicht in Frieden leben …

Vom mehrfachen Unwohlsein in Neighborhood Watch
nhw.jpgEs hätte alles so schön werden können, wenn der Nachbar nicht dazwischen gekommen wäre: Das junge Ehepaar Bob und Wendy Peterson hat ein Vororthäuschen erworben und während Bob einen neuen, lukrativen Job aufnimmt, sorgt sich Wendy um das Interieur. Doch schon ein Willkommensstrauß auf der Fußmatte hat es in sich – giftiger Efeu, der die junge Frau für Tage entstellt. Und auch die vom Nachbarn nachgereichten Pralinien verursachen mehr als nur Gaumenfreuden. Als Bob Nachbarn Adrien schließlich nachts in seine Küche eingebrochen entdeckt, wie dieser gerade dabei ist, den Inhalt des Kühlschranks zu vergiften, eskaliert die Szene: Bob ruft die Polizei, die ihm nicht glaubt und treibt Adrien dazu, über Wochen das Trinkwasser von Bob und Wendy zu vergiften. Die finden keine Ursache für ihren sich verschlechternden Gesundheitszustand und dämmern schließlich in ihrem neuen Eigenheim dahin – bis Adrien Wendy zu einer Operation abholt.

Es liegt sicherlich nicht nur an den derben Ekeleffekten und den Splatterszenen, dass Neighborhood Watch ein so unangenehmer Film geworden ist. Man kann sich – trotz der günstigen Machart des auf Digitalmaterial gedrehten Films – dem Sog der Erzählung kaum entziehen; zu unglaublich sind die Machenschaften des perversen Nachbarn zu sehr liegt einem das Schicksal der jungen Leute am Herzen. Dass darüber hinaus noch ausführlich in die Trickkiste der Spezialeffekte gegriffen wird, um Adriens Leidenschaft – den invasiven Eingriff in den eigenen und den fremden Körper als Sexersatz – darzustellen, verstärkt die Beklemmung, die die Handlung verursacht, allenfalls. Wir wohnen nicht nur der vorsätzlichen und böswilligen Zerstörung einer angehenden Kleinfamilie bei (Wendy ist schwanger, was den Giftattacken zu zusätzlicher Brisanz verhilft), sondern auch dem Platzen eines Lebenstraums, der für das junge Paar mit einem Eigenheim und beruflichem Erfolg begann. Fast wirkt es so, als wolle er das anfangs auf allen Wolken schwebende Liebespaar mit dem Realitätsprinzip konfrontieren – doch dann sind die Übergriffe des bösen Nachbarn wiederum zu abseitig.

Mit „abseitig“ lässt sich der Eindruck von Neighborhood Watch auch am ehesten zusammenfassen. Die Protagonisten wirken in ihrem bösen Tun oder schuldunbewussten Denken echt, die Bilder sind in tristem Pastell gehalten und die Beiläufigkeit, mit der das Abjekte inszeniert wird, ist lakonisch. Es ist die dunkle, böse Seite der Wirklichkeit, der Lynch’sche Blick unter die Rasenoberfläche der zivilisierten Vorgärten, der in Whiflers Film einen Blick ins Abseits wirft. Wer sich vor allem von den Ekelszenen (die das rein Blutrünstige übersteigen) nicht abschrecken lässt, kann sich in Neighborhood Watch das Gruseln im Angesicht des Normopathen beibringen lassen.

Neighbohood Watch
(USA 2005)
Regie & Buch: Geame Whifler, Musik: José J. Herring, Kamera: Bernd Heinl, Schnitt: David Rawlins
Darsteller: Terry Becker, Randall Bosley, De Anna Joy Brooks, Tommy Callahan, Price Carson, Janice Davies u.a.
Länge: 80 Minuten
Verleih: Cafe Prod.

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