Ich heirate eine Familie

Auch in Südkorea folgt man streng dem Ruf des Geldes, das ist klar. Nach dem immensen Erfolg von Jing-gyu Chos „My Wife is a Gangster“ aus dem Jahr 2001, war eine Fortsetzung somit zu erwarten. Und tatsächlich bot sich eine solche durchaus an: Nachdem die Gang-Leaderin Eun-jin in der Ehe, die sie einzig zum Gefallen ihrer todkranken Schwester geschlossen hatte, zumindest Spuren ihrer Weiblichkeit entdeckt hatte, konnte sie ihren Feinden endlich als vollständige Person entgegen treten, in der männliches und weibliches Prinzip eine Synthese eingegangen waren. Die Frage, wie Eun-jin sich im Alltag des Ehelebens machen würde, schien dennoch durchaus berechtigt. Die Antwort auf diese Frage hätte aber ein differenziertes und originelles Drehbuch benötigt und da schien es allemal leichter, das kritische Potenzial des Originals gänzlich zu kappen, sich auf die komödiantischen Kapriolen zu verlassen und den Actionanteil zu erhöhen. „My Wife is a Gangster 2“ setzt dann auch nicht die Geschichte des Originals fort, sondern beginnt wieder von vorn.

wife2.jpgNach einer Bandenschlacht wird die knapp dem Tod entronnene Eun-jin von einem einfachen Restaurantbesitzer aufgelesen, der die Frau zu sich nimmt, wo sie zukünftig als findige Küchenhilfe und Ersatzmutti für die aufmüfige Tochter fungiert. Eine Amnesie verhindert, dass sie sich an ihre wahre Identität erinnert, lediglich einige ihrer Talente, z. B. der geschickte Umgang mit Messern, zeugen von ihrem vorigen Leben. Jeder Versuch, sich zu erinnern, scheitert nicht zuletzt an der Borniertheit der Menschen, deren Hilfe sie sucht – der Psychiater, der buddhistische Mönch –, die die eindeutigen Zeichen nicht erkennen können, weil sie ihrem klassischen Rollenverständnis widersprechen. Als Eun-jin nach diesen kläglichen Selbstfindungsversuchen beschließt, ihr neues Leben anzunehmen, taucht ihr Gegner aus Teil 1 wieder auf, der sie erkennt und sofort auf Rache sinnt. Doch damit seine Rache auch mit der intendierten Wucht trifft, muss er Eun-jin erst dazu bringen, sich an ihre Vergangenheit zu erinnern …

„My Wife is a Gangster 2“ von Heung-sun Jeong ist beinahe ein idealtypisches Sequel: größer, lauter, teurer, aufwändiger, aber eben leider auch ein bisschen weniger originell und intelligent als das Original. Dort wo dieses noch als durchaus Ernst zu nehmender Kommentar zur Rollenverteilung in einem autoritären System zu verstehen war und seinen Witz aus glaubwürdig entwickelten Figuren und Situationen bezog, regiert in „My Wife is a Gangster 2“ der Klamauk. Das ist durchaus witzig und unterhaltsam, beraubt die Geschichte aber eben auch ihrer Tiefe. Aus der tragischen Figur der Eun-jin, die aufgrund ihrer Position in der patriarchalischen Triadenhierarchie gezwungen ist, das Leben eines Mannes zu führen und nun ihre weibliche Seite finden muss, wird der tough guy im Frauenkörper, der mit den Gangstern in ihrem Viertel aufräumt und so zum Helden wird. Das kreative Spiel mit den tradierten Rollen weicht dem Kalauer über Penislängen und Homosexualität. Interessant wird „My Wife is a Gangster 2“, wenn man ihm mit dem etwa zehn Jahre alten „Tödliche Weihnachten“ von Renny Harlin vergleicht, der sich derselben Ausgangssituation bedient und eine ehemalige Profikillerin mit Amnesie zum braven amerikanischen Hausmütterchen macht. Auch dort schlägt sich die verschüttete Identität zuerst in einer kreativen Schnitttechnik beim Gemüsehäckseln nieder. Während Harlins Film aber vor allem als postmoderner Beitrag zum Actionfilm zu verstehen ist, der den in den Achtzigern zu Abziehbildern verkommenen Heldenfiguren die Seele zurückgibt, reicht es Heug-sun Jeong, eine Actionfilm-Dramaturgie mit umgekehrten Vorzeichen zu erzählen. Das hat durchaus Unterhaltungs- und Schauwert, ordnet sich aber letztlich genau dem Gesellschaftsbild unter, das im ersten Teil noch Zielscheibe der Kritik war.

My Wife is a Gangster 2
(Jopog manura 2: Dolaon jeonseol, Südkorea 2003)
Regie: Jeong Heung-sun, Drehbuch: Choi Hae-cheol, Jeong Heung-sun, Kamera: Cho Dong-kwan, Musik: Park Jung-hyun, Schnitt: Ko Im-pyo Darsteller: Shin Eun-kyung, Park Jun-gyu, Jang Se-jin, Lee Won-jong, Zhang Ziyi

Länge: ca. 105 Minuten
Verleih: e – m – s


Zur DVD von e – m – s

Nach der noch etwas lieblosen Präsentation des ersten Films präsentiert man den zweiten Teil deutlich selbstbewusster mit schickem Coverdesign. Dass man große Hoffnungen an diesen Film knüpft, zeigt sich wohl auch daran, dass man Zhang Ziyi, die hier in den letzten zwei Minuten einen kleinen Gastauftritt absolviert, einen Platz auf dem Cover reserviert, den sie eigentlich nicht verdient hat. Schwamm drüber, denn an der technischen Ausstattung der DVD gibt es nichts zu bemängeln: „My Wife is a Gangster 2“ sieht richtig gut aus und hört sich auch so an. Lediglich bei den Extras hat man etwas gespart, aber das ist immer noch besser als die DVD mit uninteressantem Werbematerial vollzupacken. Wer also ein Faible für knalliges Entertainment aus Südkorea hat, macht mit dieser DVD keinen Fehler.

Zur Ausstattung der DVD:
Bild: 1,85: 1 (anamorph)
Ton: Deutsch (DTS 5.1, Dolby Digital 5.1), Koreanisch (Dolby Digital 5.1)
Länge: ca. 105 Minuten
Extras: Originaltrailer
FSK: ab 16
Preis: 14,89 Euro

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