Des eigenen (Un)Glücks Schmied

Douglas Sirk, 1897 in Hamburg unter dem Namen Detlev Sierck als Sohn dänischer Eltern geboren, gilt als Meister des Melodrams. Ursula Vossen definiert es in ihrem Eintrag in „Reclams Sachlexikon des Films“ als „Spielfilmgenre, das auf triviale Handlung setzt, die Schicksalhaftigkeit des Lebens betont und den Zuschauer bis zur Gefühlsmanipulation emotional bewegt.“ Auf Sirks Filme trifft diese etwas abschätzig formulierte Definition jedoch nur bedingt zu. „Des eigenen (Un)Glücks Schmied“ weiterlesen

Vollstrecker des Kapitals

Ben Chamberlain (Henry Fonda), der Held wider Willen, und der Schurke Vince McKay (Michael Parks) stehen sich nach 90 Minuten zum unbewaffneten Duell gegenüber und taxieren sich mit ihren Blicken. Zuvor hatten McKay und seine Männer den Vagabunden durch die Prärie gehetzt – aus reiner Mordlust und weil sie ihm einen Mord in die Schuhe schieben wollten, den sie selbst begangen hatten. Nun sind McKays Männer tot und das Gesetz naht in Form eines einfahrenden Zuges. Das Duell wird nicht stattfinden. McKay erkennt seine Niederlage und wendet sich ab, Chamberlain rennt seinerseits der Famerswitwe Valverda Johnson (Anne Baxter) hinterher … „Vollstrecker des Kapitals“ weiterlesen

David gegen Goliath

Die italienische Serie Allein gegen die Mafia (im italienischen Original: La Piovra, ‚Der Krake‘) zeigt in insgesamt zehn Staffeln den Kampf gegen die organisierte Kriminalität Siziliens; dieser Kampf wird konsequent als eine nahezu aussichtslose Unternehmung inszeniert. Trotz (oder gerade wegen?) der pessimistischen Grundhaltung wurde die Serie in Italien und im europäischen Ausland ein großer Erfolg. Michele Placido, den Hauptdarsteller der ersten vier Staffeln, machte sie zum Star. Nach vier Staffeln aber hatte die Rolle des aufrechten Commissario Cattani für Placido offenbar ihren Reiz verloren, und er verließ die Serie. Sein Ausstieg passte aber auch gut in die Logik der Serie: Der Mafiajäger Cattani hatte im Laufe der vier Staffeln seine Familie und nahezu alle seine Mitstreiter verloren. Als er dann im Laufe der vierten Staffel eine lukrative Unternehmung, die Mafiagrößen und hohe Politiker gemeinsam planen, scheitern lässt, wird der zunehmend kampfesmüde Commissario, der zuletzt dem übermächtigen Gegner allein getrotzt hat, von einem bewaffneten Kommando ermordet.

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Nachrichten aus dem Kulturbetrieb

Wo er recht hat, hat er recht. Verlagsarbeit ist langweilig, folglich kann ein Verlagsportrait nur so spannend wie sein Verleger ausfallen, dachte sich März-Inhaber Jörg Schröder und also weiter: Was tun? Eine Rahmenhandlung schaffen, die dem chronischen Skandalon, das dem Post 68er-Familienbetrieb anheftet, den gebührenden Platz verschafft. Drum spielt Horst Tomayer, darstellend bekannt aus dem ersten Otto-Film und Tagebücher verbreitend aus Konkret, den Betriebsprüfer, der, unwissend und unbedarft wie wohl die meisten Zuschauer dieser aus öffentlichen Geldern finanzierten Produktion des Bayrischen Rundfunks, in der hessischen Provinz über Rechnungsbeträge und Steuererklärungen in die Parallelwelt des und eines linken Kulturbetriebs eintauchen muss und davon auch nicht völlig unbeeindruckt bleibt. „Nachrichten aus dem Kulturbetrieb“ weiterlesen

Godzilla oder wie die Japaner lernten, die Bombe zu lieben

Vor der japanischen Insel Oto verunglücken mehrere Fischerboote. Die abergläubische Bevölkerung glaubt an eine Rückkehr des Seeungeheuers Godzilla, das menschliche Opfer einfordert, sobald es durch menschlichen Raubbau an der Natur keine Nahrung mehr findet. Als das Monster die Insel betritt und eine Panik auslöst, beschließt auch die Regierung zu handeln. Sie evakuiert die Küstenregionen und stellt ein gewaltiges Armeeaufgebot, um dem Ungeheuer die Stirn zu bieten. Doch Godzilla lässt sich nicht aufhalten: In einer gewaltigen Zerstörungsorgie macht es Tokio dem Erdboden gleich, bis der Wissenschaftler Serizawa seine neueste Waffe zur Verfügung stellt … „Godzilla oder wie die Japaner lernten, die Bombe zu lieben“ weiterlesen

Ich, filmend

Mit der Einstellung der Produktion der „Kodadchrome 40“-Kassetten im Frühjahr 2006 hat die Schmalfilmszene in Deutschland entgültig zu existieren aufgehört. Wer jetzt noch auf Super-8 filmen will, muss auf andere Technologien ausweichen – kompliziertere Technologien, denn die praktischen Kassetten mit den dreieinhalb Minuten Filmzeit, die einfach nur eingelegt werden mussten, waren vielleicht der Grund dafür, dass es eine so vielgestaltige Filmer-Szene gegeben hat. Dieser Szene huldigte Robert van Ackeren bereits 1980 mit seinem Komplilationsfilm „Deutschland Privat“, den er aus hunderten ihm zugesandter Schmalfilme zusammen montiert hat. Da natürlich mehr Material übrig geblieben ist als verwendet wurde, dachte van Ackeren sich, mit einem zweiten Teil dem Schmalfilm anlässlich dessen Untergangs ein Denkmal zu setzen: „Deutschland Privat – Im Land der bunten Träume“.

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Best-Of der Ideenabstinenz

„Was mich an diesem Projekt besonders interessierte, waren die 50.000 Dollar Gage“, sagt Ken Russell im Making Of, und angesichts seines Beitrags zu diesem insgesamt vier Epsioden umfassenden Anthologiefilm, dessen Rahmenhandlung (die Teilnehmer einer Filmparkbesichtigung geraten in die Falle eines Geisterhauses und werden im weiteren Verlauf vom Parkführer dazu animiert, von ihren schlimmsten Erlebnissen zu berichten) recht ungehalten die Erzählungen miteinander verbindet, mag man ihn auch gerne beim Wort nehmen. Neben Russell wurden vier weitere Regisseure für die Gestaltung einer Episode beauftragt, darunter durchaus renommierte Genre-Namen wie Joe Dante und Sean S. Cunningham.

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Tales from the Scrap

In den frühen 1980er Jahren, als die „Twilight Zone„-Fernsehserie es gerade unter prominenter Beteiligung ins Kino geschafft hatte und kurz bevor die „Tales from the Darkside“ gerade das Fernsehprogramm eroberten, erschien von einem schon damals sehr erfolgreichen Autorengespann ein Episodenhorrorfilm, der in Sachen Bildästhetik und Erzählhaltung stilbildend werden sollte. „Creepshow“ war das Kind des Schriftstellers Stephen King und des Horrorfilmregisseurs George A. Romero – die erste Kooperation der beiden – und erzählte im Stil der US-amerikanischen „EC Comics“ fünf gruselige, groteske und streckenweise grausame Geschichten mit übersinnlichem Charakter. Unter der Regie Michael Gormicks setzten beide 1987 „Creepshow“ mit einem zweiten Teil fort, der zwar nicht ganz die Qualität des Erstlings erreichte, aber immerhin eine typische Handschrift trug, die die Fans beider Künstler ins Kino zog. Der dritte Teil hat nun leider weder etwas mit Stephen King noch George A. Romero zu tun und vielleicht liegt es daran, dass er den Tiefpunkt der Trilogie darstellt.

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Reise ins Vergessen

Wenn in französischen Filmen kleine Mädchen allein eine Reise unternehmen, bekommt der Ernst des Lebens unter Umständen schon einmal einen anderen Rhythmus. Als Louis Malle 1960 die kleine Zazie durch Paris schickt, wird die Stadt dem Willen des Mädchens unterworfen und zu ihrem Kinderzimmer. In Safy Nebbous „Le Cou de la Giraffe“ ist es die neunjährige Mathilde (Louisa Pill), die eines Nachts heimlich das Haus verlässt, indem sie allein mit ihrer Mutter Hélène (Sandrine Bonnaire) wohnt, um ihren Großvater Paul (Claude Rich) aus dem Altersheim abzuholen. Mit ihm will sie die verschollene Großmutter aufsuchen, die vor 30 Jahren Paul und Hélène verlassen hat. Wo sich diese aufhält, weiß Mathilde aus einem Stapel ungeöffneter Briefe, in denen ihre Großmutter versucht hat, mit Paul und seiner Tochter in Kontakt zu bleiben. So brechen die beiden schließlich zum Küstenstädtchen Biarriz auf. Die besorgte Hélène findet schließlich heraus, was ihre Tochter und ihr Vater vorhaben – weiß jedoch etwas mehr als die beiden und reist ihnen nach.
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Flöhe im Waschbärpelts

Der italienische Regisseur Dario Argento gehört zu denjenigen Filmemachern, deren kontinuierlicher Output das Gesicht des europäischen Genrefilms seit über drei Jahrzehnten mitbestimmt. Angefangen als typischer Vertreter des „Giallo“-Thrillers in den frühen 1970er Jahren über Horrorfilme in den 1970er und 1980er Jahren bis hin zu Horror- und Mysterystoffen, die Argento bis heute inszeniert, zählt er sicherlich zu den „Masters of Horror“ und damit zur Reihe illustrer Regisseure, denen der Produzent Mick Garris seit 2005 eine Kurzfilmreihe widmet. In dieser dürfen sich Genregrößen wie Stuart Gordon, Joe Dante, Tobe Hooper, John Carpenter und einige andere an knapp einstündigen Kurzfilmen versuchen, die oft die spezifische Handschrift, die die Macher in ihrer Karriere entwickelt haben, aufgreift und in der „kleinen Form“ verdichtet. Gerade das ab Mitte der 1990er Jahre zunehmend desaströser geratene Alterswerk Argentos zeigt in beiden bislang von ihm inszenierten „Masters of Horror“-Episoden deutlich, dass diese Hommagen nicht immer ihren Zweck erfüllen.

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Dialektik der Aufklärung

Der „Schulmädchen-Report“, eine zwischen 1970 und 1980 entstandene 13-teilige Filmserie, ist ein Phänomen: Mit minimalem Aufwand gedreht, entpuppte sie sich zum absoluten Publikumsmagneten und steht bis heute exemplarisch für den deutschen Softsex-Film der Siebzigerjahre. Basierend auf dem gleichnamigen Aufklärungsbuch von Günther Hunold, das im Zuge der Oswalt-Kolle-Welle erschien (aber durchaus zwiespältig rezipiert wurde), wurde „Schulmädchen-Report“ für rund 250.000 DM in nur wenigen Tagen produziert und erreichte sechs Millionen Zuschauer allein in der Bundesrepublik; wie die schleunigst nachgekurbelten Teile 2 und 3 erhielt er eine Goldene Leinwand. Insgesamt erreichten alle 13 Teile zusammen weltweit mehr als 100 Millionen Zuschauer und machten Hartwig zu einem der erfolgreichsten Filmproduzenten Deutschlands. „Dialektik der Aufklärung“ weiterlesen

Vom Wandel der Perspektiven

Die zeitgenössische Renaissance des Splatterfilms drückt sich nicht bloß in der schlichten Entität zahlreicher Neuinterpretationen der klassischen Gattungsvertreter aus, sondern geht auch einher mit einer sukzessiven Transformation der ihnen zugrunde liegenden Sujets und Motive, der man mit neuen Kategorisierungsversuchen, wie etwa dem sogenannten Torture Porn, beizukommen versucht. „Welcome to the Jungle“ ist kein genuines Remake, dennoch drängt sich der Vergleich zu Ruggero Deodatos 1980 enstandenen Kannibalenfilm „Cannibal Holocaust“ förmlich auf: Hier wie dort begibt sich eine Gruppe, in diesem Fall zwei sehr gegensätzliche adoleszente Pärchen, in die Tiefen des Dschungels; hier wie dort sind sie Vertreter westlicher Hegemonialmächte, angetrieben nicht nur von dem Willen ein Geheimnis zu lüften, sondern auch aus dessen Aufklärung entsprechendes Kapital zu schlagen und hier wie dort bekommt der Zuschauer das quasi unverfälschte Destillat dieser Expedition präsentiert: nämlich die unbearbeiteten Aufnahmen des verschollenen Grüppchens, obgleich ungeklärt bleibt, wie dieses Rohmaterial in die Hände eines findigen Produzenten gelangen konnte, um einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden.

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Son of M

Während des Zweiten Weltkriegs erfährt der Serologe Dr. Rothe (Peter Lorre) von der Gestapo, dass eine seiner Mitarbeiterinnen wichtige Forschungsergebnisse verraten hat. Rothe gerät in arge Bedrängnis und weiß sich aus Angst nicht anders zu helfen, als die Verräterin, seine Geliebte, umzubringen. Der Mord wird vertuscht, Rothe kann verschwinden und unter dem Namen Neumeister nach Kriegsende ein neues Leben als Arzt in einem Flüchtlingslager beginnen. Das schlechte Gewissen und die Furcht vor Enttarnung nagen jedoch an ihm. Die Situation spitzt sich zu, als ein Neuer im Lager ankommt, der sich als ehemaliger Kollege und vor allem als Mitwisser entpuppt … „Son of M“ weiterlesen

Schwein oder Nichtschwein?

Ein Greis sackt im Wüstensand zusammen, stößt einen beinahe unmenschlichen Schrei aus, unter dem sich sein Körper aufbäumt; ein Autowrack hängt kopfüber in einem vertrockneten Baumgerippe, wird von einer rätselhaften Lichtquelle angestrahlt; ein Mann sitzt auf dem Turm eines Windrades, das von einer Horde Schweine umgestürzt wird; eine Känguruhschlachterei in einer verrotteten Fabrik mitten im Nirgendwo.

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Über die (Un)möglichkeit der Kritik

Das Verhältnis des Kritikers zu seinem Objekt ist ein problematisches. So sehr der Kritiker sich auch von seinem Gegenstand zu emanzipieren sucht, so sehr wird er auf dieses zurück geworfen, geht er eine Symbiose mit ihm ein. Adorno hat über diese komplexe Beziehung geschrieben und verdeutlicht, wie schwierig die Gratwanderung – das konstruktive Einfühlen in den Gegenstand auf der einen, das richterliche Aburteilen von oben herab auf der anderen Seite – für jeden ist, der sich anschickt, Kritik zu üben. Die kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft hat auch im Kino eine lange Tradition, ihre Möglichkeiten und Grenzen werden und wurden jedoch nur selten explizit thematisiert, wohl nicht zuletzt, weil die Reflexion darüber zu theoretisch und damit unfilmisch erscheint. Einer der großen Gesellschaftskritiker des europäischen Films, Damiano Damiani, bildet mit seinem Film „Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?“ eine Ausnahme.

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Lesen, Morden, Schreiben

Glaubt man dem Film, bekommen Serienmörder im Gefängnis selten gute Ideen für ihr Leben in Freiheit. Das war bei Kargls „Angst“ so und ist auch noch bei Demmes „Schweigen der Lämmer“ nicht anders gewesen. Auch Antonio Frau, der wegen eines Eifersuchtsmordes an seiner Ehefrau 25 Jahre (!) einsitzt, hat sich für die Zeit nach seiner Freilassung etwas vorgenommen: Er will seine Überlegungen zur Lektüre der Biografie des französischen Serienmörders Henri Landru in die Tat umsetzen und zu einem berühmten Frauenmörder werden. Ihm kommt entgegen, dass er von seiner Tante ein großes Haus (ehemaliges Bordell) erbt, in welchem er sich ein Zimmer einrichtet, das allein diesem Zweck dienen soll. Um sich den Anschein von Bürgerlichkeit zu geben, heiratet Antonio eine Krankenschwester, die ihn in ihren Nachtschichten permanent betrügt. Das ist ihm jedoch egal, denn gerade nachts führt Antionio auch nichts Gutes im Schilde.

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