Glaubt man dem Film, bekommen Serienmörder im Gefängnis selten gute Ideen für ihr Leben in Freiheit. Das war bei Kargls „Angst“ so und ist auch noch bei Demmes „Schweigen der Lämmer“ nicht anders gewesen. Auch Antonio Frau, der wegen eines Eifersuchtsmordes an seiner Ehefrau 25 Jahre (!) einsitzt, hat sich für die Zeit nach seiner Freilassung etwas vorgenommen: Er will seine Überlegungen zur Lektüre der Biografie des französischen Serienmörders Henri Landru in die Tat umsetzen und zu einem berühmten Frauenmörder werden. Ihm kommt entgegen, dass er von seiner Tante ein großes Haus (ehemaliges Bordell) erbt, in welchem er sich ein Zimmer einrichtet, das allein diesem Zweck dienen soll. Um sich den Anschein von Bürgerlichkeit zu geben, heiratet Antonio eine Krankenschwester, die ihn in ihren Nachtschichten permanent betrügt. Das ist ihm jedoch egal, denn gerade nachts führt Antionio auch nichts Gutes im Schilde.
Martin Garrido Barróns Film wandelt auf ausgetretenen Pfaden. Sein Projekt, den aus Ruhmeszwecken serienmordenden und Tagebuch führenden Killer als Ausbund der Amoral zu inszenieren, ist wahrlich nicht neu (man erinnere sich hier etwa an den exzellenten „Killer – A Journal of Murder“, USA 1996 von Tim Metcalf). Könnte jedoch die Kombintion der bekannten Motive und Strukturen noch interessant sein, so scheitert ihre Umsetzung schlicht darin, dass sich das Drehbuch eigentlich gar nicht für seine Figur(en) interessiert. Stattdessen wird Klischee an Klischee gehängt, die Amoralität des Täters etwa durch das stete Untermalen seiner Taten mit einem Potpourri klassischer Musik flankiert und seine Reflexionen über die Menschen, die Gesellschaft und vor allem seine eigene Bedeutung in all ihrer Zusammenhanglosigkeit breitgetreten. Antionio ist wahrlich weder ein neuer Franju noch ein neuer de Sade. Er ist ein egomanischer Irrer, wie er im Buche steht: und zwar in seinem eigenen.
Dieses bereits den Untertitel des Films zierende „Tagebuch“ des Mörders bleibt leider auch eine Behauptung, an die sich der Filmplot bis zum Schluss klammert. Die Erzählpositionen wechseln nämlich bereits während des Geschehens völlig unmotiviert; plötzlich ist es Antonios zweite Ehefrau, die berichtet, dann wieder er selbst, dann hört man Monologe seines Opfers. Zwischendrin findet eine holprige Ermittlungsarbeit der Polizei statt, die zu dem unwahrscheinlichen Ereignis der Verhaftung Antonios führt. Die neue Einkerkerung scheint jedoch genau zu seinem Plan zu gehören, denn jetzt ist er berühmt und kann seine Biografie verkaufen. Der von ihm geplante Run auf Devotionalien beginnt, Verlage schlagen sich um die Veröffentlichungsrechte seines Tagebuches. Indes wird Antonio bereits nach drei Gefängnisjahren „beurlaubt“ (die Arithmetik ist antiproportional: Bringst du im Affekt eine Frau um, kommst du 25 Jahre ins Gefängnis, bringst du aus kühler Berechnung 25 Frauen um, bist du nach drei Jahren wieder frei). Sie Summe der Unwahrscheinlichkeiten, die mangelhafte Figuren- und Erzählkonstruktion und die spießig-katholische Sexualmoral, die sich gerade in den Mordszenen zeigt (indem eben nichts gezeigt wird), verdeutlichen, wie sehr „H6“ ein Film ohne Konzept ist, der allein durch Aufsummierung von Klischees etwas zu sein hofft.
H6 – Tagebuch eines Serienkillers
(H6 – Diario de un asesino, Spanien 2005)
Regie & Buch: Martin Garrido Barrón; Musik: Gaby Jamieson, José Sánchez-Sanz; Kamera: Sergio Delgado; Schnitt: Samuel Gómez
Darsteller: María José Bausá, Ramón Del Pomar, Miquel Fernandez, Martín Garrido, Antonio Mayans u.a.
Länge: 92 Minuten
Verleih: Sunfilm
Die DVD von Sunfilm
Sprachen: Deutsch (DD 5.1/DTS), Spanisch (DD 5.1)
Untertitel: deutsch
Bild: 16:9 (1:1,78)
Extras: Behind the Scenes, Interviews, Trailer
FSK: keine Jugendfreigabe
Preis: 19,89 Euro