Witch Book Project

In seiner Dissertation Auf der Jagd nach Hexen und Zuschauern widmet sich Wolfgang Arend einer mediensoziologischen Theorie des Remakes, deren theoretisches Fundament er im ersten Teil des Bandes etabliert, um dieses in den folgenden zwei Dritteln des Textes am Sujet des Hexenfilmes zu spiegeln.

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Auch Werner Herzog hat klein angefangen

Sie lässt immer noch auf sich warten, die große, umfassende Werner Herzog-Monografie, in der sein Werk nicht nur gewürdigt, sondern die auch analytisch Ansätze dazu geboten werden. Woran mag’s liegen? Sind Herzogs Filme zu opak oder im Gegenteil sogar zu offen(sichtlich) für eine Analyse? Anfänge gab es bereits in den 70er Jahren in motivgeschichtlich orientierten Veröffentlichungen im Hanser-Verlag. An einem liegt die Schweigsamkeit gegenüber dem »Opus Herzog« jedenfalls nicht: Werner Herzog ist nicht »out«, wie sich jetzt zu seinem sechzigsten Geburtstag wieder einmal zeigte. Im Berliner Filmhaus fand über das entfant terrible des Neuen Deutschen Films jüngst eine Ausstellung statt.

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Trash Visions

Trash (Abfall) ist – anders als im Heftthema der vorliegenden Ausgabe – auch in einem anderen medienwissenschaftlichen Diskurs zu verstehen – als Genre. Mit Trash (oder Schlock oder Sleaze) werden absichtlicht »günstig« produzierte Filme oder TV-Beiträge bezeichnet, die sich durch Eindimensionalität in Inhalt und Darstellung auszeichnen. Begonnen mit dem Horrorkino der 40er Jahre (den sog. »B-Picures«) hat sich bis heute eine Subkultur des Trash herausgebildet, die gerade durch ihre massenmediale Vervielfachung im Fernsehen zu einem nicht unwichtigen Genre geworden ist. Dort gesellen sich zu den erzählenden Werken Daily Talks, Spielshows, SitComs, Reality-TV-Shows und Dauerwerbesendungen, die sich allesamt darin ähneln, dass sie nach dem ökonomischen Prinzip (minimaler Input mit maximalem Ergebnis) hergestellt werden.

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Vorstoß in die Zone

Das filmische Werk Andrej Tarkowskijs stellt ästhetisch wie narrativ eine Ausnahmeerscheinung der Filmgeschichte dar. Wie kaum ein zweites lässt es auch heute noch den Rezipienten mit Fragen zurück, gibt Anlass zur tiefergehenden Reflexion. Die quasi-autistische Verschlossenheit, mit der Tarkowskij in seinen Filmen existenzielle Thematiken wie Isolation, Entfremdung, Grenzerfahrungen, das Sein des Menschen überhaupt verhandelt, macht eine Auseinandersetzung auf philosophischer Ebene so erkenntnisversprechend wie naheliegend. Marius Schmatloch hat sich mit dem vorliegenden Band dieser Aufgabe gestellt.

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Ab 18

Zensur neigt, als ideologisches Projekt, dazu, sich selbst überflüssig zu machen. Ihr Ziel ist nicht das eigene, gleichsam ewige Fortbestehen, sondern im ideellen Sinne an der eigenen Überkommenheit zu arbeiten. Nicht der sanktionierende Rotstrich, nicht der schwärzende Balken stehen im Focus, sondern das Buch, der Film, die Ästhetik, die aufgrund dieser besonderen Bedingungen erst gar nicht zustande kommen. Zensur ist also nicht allein Filtern, sondern vor allem auch Prävention. Deshalb gibt es auch keine institutionelle Zensur mehr – es wäre auch reichlich töricht, heutzutage zu schwärzen. Etabliert wurde vielmehr, ein paar Modernisierungen später, ein ineinandergreifendes »Patchwork« aus ökonomischen, juristischen und sozialen Sanktionen, welches einer zensurierenden Ideologie nur noch in Ausnahmefällen aktiv in die ästhetischen und kulturellen Diskurse einzugreifen abverlangt.

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Cut or Ban

»Vieles auf der Welt wäre völlig uninteressant,
wenn es nicht verboten wäre (William Faulkner)

Schon die wenigen aktuellen Fälle von Medienzensur der letzten Monate zeigen, dass auch ein demokratischer Rechtsstaat längst nicht alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist. Die Meinungs-äußerungsfreiheit unterliegt so manchen moralischen Tabus oder gesetzlichen Beschränkungen. Manchmal notwendig, gelegentlich skurril, häufig publicitywirksam.

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Kollateralbilder

Der amerikanische Film Black Hawk Down (USA 2001, R: Ridley Scott) hat sehr unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Die einen – wie auch ich – sehen in dieser Visualisierung eines Militäreinsatzes keinen tauglichen Beitrag zur Diskussion um Kriegseinsätze, andere loben den von Kriegsfilmspezialist Jerry Bruckheimer produzierten Streifen wegen seiner »ungeschminkten«, »realistischen« Darstellung des Kriegsgeschehens. Es ist von »Reinheit« abseits aller politischen oder sonstigen Implikationen usw. die Rede. Das Motto lautet (altbekannt): Je »realistischer« und auch umfassender, technisch versierter das Kriegsgeschehen visualisiert werde, desto näher sei man am Thema und desto »realistischer« könne Krieg dargestellt und empfunden werden.

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And the Roads Lead to Nowhere.

Wes Cravens Last House on the Left (1972) ist ein Vorläufer des Rape-Revenge-Genres, in dem auf eine Vergewaltigung gewaltsame Rache folgt. Er gehört zu denjenigen Filmen, die sich durch die Visualisierung exzessiver am Körper, am Fleisch verübter Gewalt auszeichnen und daher als Splatter bezeichnet werden. Die Entstehung des Splatterfilms wird mit der kulturellen Situation in den USA der Vietnam-Ära in Zusammenhang gebracht. Als filmische Vorläufer gelten Hitchcocks Psycho (1960) sowie frühe amerikanische Exploitation-Filme der 1960er Jahre, wie Herschell Gordon Lewis’ Blood Feast (1963) oder George A. Romeros Night of the Living Dead (1968). Neben den Verbindungen von Splatterfilmen der 1970er Jahre zum amerikanischen (Low-Budget-)Kino der vorausgehenden Dekade lassen sich aber auch Einflüsse des europäischen Autorenkinos auf das Genre ausmachen. Regisseure wie Carpenter, DePalma, Hooper und Romero werden in Anlehnung an den Auteur-Begriff dem sich in den späten 1960ern entwickelnden »American Auteurism« zugerechnet (Carroll). Am Beispiel von Last House wird diese Verbindung offenkundig, denn bei Cravens Film handelt es sich um ein Remake von Jungfrukällan des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman von 1960. Der Film lief in den USA und Deutschland im selben Jahr unter dem Titel Virgin Spring respektive Die Jungfrauenquelle an. Das Drehbuch zu Bergmans Film wurde von der schwedischen Romanautorin Ulla Isaksson verfasst. Isaksson greift dabei auf eine Vorlage zurück: sie adaptiert den Stoff einer mittelalterlichen skandinavischen Ballade. Dieser kann den Aneignungen also noch hinzugefügt werden. Last House on the Left bildet damit den vorläufigen Abschluss der Reihe intermedialer und intertextueller Transformationen, die im Folgenden untersucht werden. Die Analyse konzentriert sich auf die Frage nach Strategien der Visualisierung und der narrativen Einbettung von Gewalthandlungen.

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Wundfabrikation.

»Rosa, in vielen Schattierungen, dunkel in der Tiefe, hellwerdend zu den Rändern, zartkörnig, mit ungleichmäßig sich aufsammelnden Blut, offen wie ein Bergwerk obertags […] Würmer, an Stärke und Länge meinem kleinen Finger gleich, rosig aus eigenem und außerdem blutbespritzt, winden sich, im Innern der Wunde festgehalten, mit weißen Köpfchen, mit vielen Beinchen ans Licht. Armer Junge, dir ist nicht zu helfen. Ich habe deine große Wunde aufgefunden; an dieser Blume in deiner Seite gehst du zugrunde.« (Franz Kafka: Ein Landarzt)

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Wunden

Wunden sind sichtbare Zeichen für Verletzung und Schmerz. Sollen diese eigentlich nicht-kommunizierbaren Phänomene vermittelt werden, so ermöglicht die Darstellung der Wunde dies noch am besten. Über sie wird beim Betrachter Empathie evoziert – aber auch Abscheu. Die blutende Wunde stößt ab – der Verwundete fordert jedoch Anteilnahme ein. Über den filmischen Kodierungsprozess und dessen Interpretation durch den Betrachter lassen sich eine Reihe sichtbarer und unsichtbaerer Wunden darstellen: von der Verletzung des Körpers über das psychische Trauma bis hin zur historischen (Erb-)Schuld. Filme bilden jede Form von Verwundung ab und bieten sich selbst als Bestandteil des Heilungsprozesses an.

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Bodies that Splatter.

Der Splatterfilm konfrontiert die ZuschauerInnen mit gewaltsam geöffneten, aufgebrochenen und aufgeschlitzten Körpern. Augen werden ausgestochen, Arme und Beine abgetrennt und Köpfe durchbohrt. Die film- und kameratechnische Fragmentierung des Körpers in Schnitt und Ausschnitt wird in die Fragmentierung des Körpers durch das Aufschneiden und Zerteilen mit scharfen oder spitzen Gegenständen übersetzt. Die Kamera wird zum Endoskop und verfolgt das Mord- und Schlachtinstrument, wie es in das Körperinnere eindringt und Blut, Hirn und Eingeweide hervorholt.

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Der unsichtbare Text

Im Gegensatz zum Roman oder zur Kurzgeschichte führt das Drehbuch ein Dasein im Schatten. Fast eingeschüchtert, ins Niemandsland verbannt wie die Lyrik, die vom durchschnittlichen Leser nicht wahrgenommen, höchstens (vermeintliche) Triumphe in den Klassenzimmern unserer Schulen feiern kann. Das Drehbuch spielt in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle. Dabei ist es die Grundlage für Multimillionen-Dollar-Seller, die ja doch vom Großteil der Bevölkerung mit Begeisterung (manchmal zumindest) im Kino konsumiert werden. Doch das wird nur am Rande wahrgenommen. Die Berufsbezeichnung »Drehbuchautor« wird von Außenstehenden jedoch eher positiv bewertet. Wahrscheinlich hat man direkt die Vision von Regisseuren und Stars, die dem Autor glücklich auf die Schulter klopfen, weil der ihnen eine tolle Idee oder eine wunderbare Rolle auf den Leib geschrieben hat. Ein toller Job also. Aber gelesen? Gelesen wird das Drehbuch nicht. Zumindest nicht im privaten Bereich. Die Ignoranz des Drehbuchs hängt stark mit seiner Entstehungsgeschichte, aber auch mit seinem Textstatus zusammen.

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Schicht um Schicht

»Kunst« ist immer auch die mutwillige Veränderung des Zustandes einer Ressource in einen anderen, eine vorher so nicht da gewesene Form oder Zusammensetzung. Gefühlskalt ließe sich auch Zerstörung auf diese Art fast wortgenau definieren. Der Zusammenhang zwischen Kunst und Zerstörung ist somit ein ganz immanenter der Wesensverwandtschaft.

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Film und Metapher

David Cronenberg erinnert sich: »Einmal rief mich ein amerikanischer Kritiker an, der mir sagte: ‚Für einen Amerikaner sind Ihre Filme wie ein seltsamer Traum. Die Straßen wirken amerikanisch, sind es aber nicht. Die Personen sehen aus wie Amerikaner, sind aber keine. Sie sprechen wie Amerikaner und sprechen doch anders.’« Wollte man Cronenbergs Kino grob situieren, so könnte man seine Filme als eine Art Synthese zwischen dem recht puren Amerikaner David Lynch und dem recht puren Europäer Peter Greenaway bezeichnen. Mit seinem Kleinstadthorror in Blue Velvet (USA 1986) und Twin Peaks (USA 1990) und seinen Verirrungen auf dem Lost Highway (USA 1996) und dem Mulholland Drive (USA 2001) bebildert Lynch die Kehrseite des amerikanischen Traums. Die barock überladenen Bild-Ornamente eines Greenaway stehen somit in einem größtmöglichen Gegensatz zu Lynchs Gewalt-Agonie. Eine Art Synthese zwischen Lynchs amerikanischer Erzählweise und Greenaways Poetik erreicht Cronenberg dadurch, dass sein filmisches Schaffen selbst dann ausdrücklich von der Literatur geprägt ist, wenn er, wie bei seinen frühen Filmen, die Drehbücher selbst verfasst hat. Nabokow, Beckett und Kafka zählen zu Cronenbergs Lieblingsautoren, aber auch William S. Burroughs. In Naked Lunch (Can 1991), Cronenbergs Burroughs-Verfilmung, sagt die Frau des Kammerjägers Bill Lee, nachdem sie sich mit einer Heroin-Nadel das Wanzenpulver ihres Mannes in die Venen (bzw. in die Brust) geschossen hat: »Es ist ein Kafka-Rausch. Du fühlst Dich wie ein Käfer«. Das ist zugleich eine treffende Bezeichnung für Cronenbergs Vorlieben für Verwandlungen, Metamorphosen und Deformationen im körperlichen und seelischen Bereich.

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»Ich schneide nur die Haare« – Willkommen in Coen County!

Ed Crane (Billy Bob Thornton) arbeitet als Barbier in einer amerikanischen Kleinstadt, in the middle of nowhere, dort, wo die Zeit stehen geblieben ist. Man schreibt das Jahr 1949, zeitgenössisch brisante Themen werden im Friseursalon debattiert, um das Gespräch am Laufen zu halten. »Die Russen haben eine Atombombe gebaut«, sagt ein Kunde eher beiläufig.

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Fassbinders »Que(e)relle«

In den Gangsterfilmen Liebe ist kälter als der Tod (1969), Götter der Pest (1970) und Der amerikanische Soldat (1970) heißen sie Franz und Bruno bzw. Franz sowie Ricky und Franz Walsch, in den Melodramen Händler der vier Jahreszeiten (1972) und Faustrecht der Freiheit (1975) Hans und Franz Biberkopf, im Theaterstück Der Müll, die Stadt und der Tod (1977) Franz B., in der Oskar-Maria-Graf-Adaption Bolwieser (1977) gibt die Vorlage den Namen vor für den immer gleichen Typus des Losers. Rainer Werner Fassbinder wurde nicht müde, Variationen des Franz Biberkopf in Szene zu setzen, bevor er sich in einer 13teiligen Fernsehserie dem Döblin’schen Roman Berlin Alexanderplatz (1980) explizit zuwandte und den Protagonisten mit seinem alter Ego und Intimfeind Reinhold in eigener Lesart vorstellte. An dieser – leicht erweiterbaren – Serie von zum Scheitern prädestinierten Antihelden besticht das Potenzial an Aktualisierungen, die Fassbinder dem Prototypen aus den 20er Jahren abgewinnt, der doch so zeitgebunden erscheint. Döblins Biberkopf ist Zuhälter aus Profession, ein Macho und Schläger aus Hilflosigkeit und dabei liebe- und schutzbedürftiger, als es sich alle seine ihm gefügigen Dienerinnen und weiblichen Opfer zusammen leisten können zu sein. Im Berlin der Weltwirtschaftskrise misslingen ihm zwangsläufig alle Versuche, auf »anständige« Art ein passables Auskommen zu finden. Kriminell wird er aus Gutgläubigkeit und wider Willen. Politisch ist er gleich viel und gleich wenig anfällig für die Verheißungen der Roten wie der Nazis, und im Grunde gehen sie ihn alle nichts an. Doch verführbar ist er allemal in seinem guten und bornierten Glauben an »das Gute« im Menschen und an das Glück.

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Camp

»If, as Jameson suggests, life has been dramatized to the level of soap, if love is always like a “Jackie” story, then yes, the sharp distinction between real life and fictional forms must give way to a deep intermingling, unmeasurable and so far captured most precisly in fictive or cinematic forms.«
(vgl. Mc Robbie: 21, 1994)

»Im Grunde ist [..] ein Plagiat nichts anderes als ‚Kreativität mit anderen Mitteln’. Nicht was man sagt ist wichtig. Nur der Ton – ja, der Ton.«
(vgl. Vidal: 22/284, 1984)

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