Wunden sind sichtbare Zeichen für Verletzung und Schmerz. Sollen diese eigentlich nicht-kommunizierbaren Phänomene vermittelt werden, so ermöglicht die Darstellung der Wunde dies noch am besten. Über sie wird beim Betrachter Empathie evoziert – aber auch Abscheu. Die blutende Wunde stößt ab – der Verwundete fordert jedoch Anteilnahme ein. Über den filmischen Kodierungsprozess und dessen Interpretation durch den Betrachter lassen sich eine Reihe sichtbarer und unsichtbaerer Wunden darstellen: von der Verletzung des Körpers über das psychische Trauma bis hin zur historischen (Erb-)Schuld. Filme bilden jede Form von Verwundung ab und bieten sich selbst als Bestandteil des Heilungsprozesses an.
In der vorliegenden Ausgabe der F.LM wolle wir uns mit diesen verschiedenen Erscheinungsformen der Wunde im Film auseinandersetzen. Arno Meteling befasst sich mit dem naheliegenden Moment der Wundfabrikation, indem er die visuellen Strategien des Splatterfilms – des „Wunden-Films“ in Reinkultur – untersucht und dabei besonders auf dessen strukturelle Ähnlichkeiten zur Pornografie hinweist. Es folgt ein Text von mir zu einem verwandten Thema unter einer neuen Perspektive: Die filmische Aufbereitung realer Kriminalfälle untersuche ich als Fortschreibung der gescheiterten Ermittlungsarbeit des Profilers – im historischen Jack the Ripper-Fall. Ulrich Behrens behandelt in seinem Essay Kollateralbilder die zynische Bedeutungsverschiebung kriegerischer Darstellung unter anderem auch als Mittel der Propaganda. Die Illustration dieses Artikels besteht aus Fotografien, die Thomas Groh und Kerstin Fleischer im März dieses Jahres in Berlin aufgenommen haben (weitere Bilder der Serien sind auf unserer Internet-Seite www.f-lm.de veröffentlicht).
Eine Dokumentation über die Geschichte und die Verfahren von Filmzensur, welche einerseits die allzu unangenehme Wunddarstellung „verdrängen“ soll, dadurch andererseits jedoch selbst zu einer Form „kultureller Verwundung“ wird, ist der Gegenstand von Roland Seims Artikel. Julia Köhne und Tilo Renz schließen den Themen-Teil mit einem close-reading zweier Filme, die zum Rape-and-Revenge-(Vergewaltigungs- und Rache)-Genre gehören ab: Die Jungfrauenquelle von Ingmar Bergman und dessen Remake The Last House on the Left von Wes Craven.
An dieser Stelle möchten wir noch einmal auf die vom 24. bis 26. April an der Berliner Akdademie der Künste stattfindende Fachtagung „Bodies that Splatter“ hinweisen. Dort werden einige der F.LM-Autoren vertreten sein und vortragen. Später ist geplant, einen Tagungsband mit allen Vorträgen in Zusammenarbeit mit F.LM herauszugeben. Natürlich würden wir uns freuen, Sie auf der Berliner Veranstaltung persönlich kennenzulernen.
Stefan Höltgen