Auf dem Abfallhaufen der Filmgeschichte tümmeln sich neben unwerten Produkt(ion)en von 100 Jahren Filmgeschichte allerlei unliebsame Gesellen: Gangster, Serienmörder, Tagediebe, Schmarotzer, Junkies, … Sie bevölkern das kontemporäre Kino – nicht mehr als sein Gegenstand (in moralisierenden Dokumentarfilmen), sondern als dessen Helden, als Archetypen und Sinnbilder der »Schere des Kapitalismus«, die – zumindest im Kino – nur noch ganz Arme und ganz Reiche zu kennen scheint.
»Ich spiele nicht! Ich bin das!«
Am 18. Oktober 2001 hätte der (Anti-)Schauspieler Klaus Kinski seinen 75. Geburtstag gefeiert. Sein 10. Todestag schloss sich 6 Wochen später an. Der Starmythos von „Filmdeutschlands einzigem Weltstar“, wie Kinski einmal klassifiziert worden ist, ist in diesen Tagen wieder heraufbeschworen worden. Genie und Wahnsinn sind dabei die dichotomen Elemente, die sich immer wieder heraus kristallisierten und die Faszination des streitbaren Mimen und Rezitators, der stets sein eigenes Image steuerte, ausmachen.
Detonation im Labyrinth der Gewalt
Die Bilder des chinesischen Staatsfernsehens gingen um die Welt: Kleine Kinder, junge Frauen waren in Großaufnahme zu sehen, wie sie sich auf dem Platz des Himmlischen Friedens selbst verbrannten. Aus entstellten, angekohlten Leibern in Gebetsstellung kamen zaghafte Hilferufe, unterlegt mit einem Kommentar, der die Gemeingefährlichkeit der Falun-Gong-Sekte unterstrich. Man sah fürchterliche Bilder einer authentischen Gewalt, die eingesetzt wurden, um das gewaltsame Eingreifen der Staatsmacht gegenüber einer Religionsgemeinschaft zu legitimieren und Empörung über gesetzliche Übergriffe einzudämmen. Die vielen stummen, schweigenden Gesichter inmitten der gespenstischen Vorfälle auf dem Pekinger Platz zeigen: Die Bevölkerung ist lethargisch genug, um sich von einzelnen Protestlern nicht aus ihrem Trott bringen zu lassen.
Der Boom des Ghettofilms im New Black Cinema der 80er und 90er Jahre
Das amerikanische Großstadt-Ghetto wurde für ein Massenpublikum erstmalig zu Beginn der 70er Jahre in dem afroamerikanischen Autorenfilm SWEET SWEETBACK’S BADAAAASSS SONG (1970) filmisch sichtbar. Dieser Film von Melvin van Peebles’ löste die Blaxploitation-Produktionswelle in Hollywood aus, die bis Ende der 70er Jahre ca. 200 Low-Budget-Filme hervorbrachte. War van Peebles Film noch ein sozial-kritisches Porträt des Ghettolebens aus afroamerikanischer Perspektive, wurde das Ghetto in den Blaxploitation-Filmen wie SHAFT (1971), COFFY (1972) oder BLACULA (1972) zum Handlungsort von Actionstories, die oft Adaptionen erfolgreicher Blockbusterfilme in einem All-Black-Cast waren. Hollywood hatte die afroamerikanische Bevölkerung als zahlungskräftiges Publikumssegment ausgemacht, das separat zu bedienen war. Minimierung der Produktionskosten bei gleichzeitiger Spezialisierung auf ein bestimmtes Zielpublikum war die kommerzielle Erfolgsformel der Blaxploitation-Produktionen. Die Darstellung des Lebens innerhalb der Ghettos erfolgte in diesen Filmen jedoch völlig unreflektiert: Das Ghetto wurde als Ort der Black Community romantisiert und kritische Auseinandersetzungen mit der weißen Welt, die diese Lebensumstände aufzwang, wurden ausgespart.
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Stadterkundungen in New York
Die Filme des afghanisch-stämmigen Amerikaners Jem Cohen tauchen einzeln immer wieder auf, sei es auf diversen Festivals oder in den Programmreihen ambitionierter Kinos. Auf den Oberhausener Kurzfilmtagen im April vergangenen Jahres war eine umfassende Retrospektive seiner Werke zu sehen.
Afternoons in Utopia
Utopische Stoffe der Kunst beinhalten immer schon eine zweifache soziale Dimension: Erstens spiegeln sie gesellschaftliche Zustände der Gegenwart und überspitzen deren Missstände parabolisch zu Fiktion (Kracauers »Spiegelhypothese«). Zweitens projizieren utopische Stoffe Bilder möglicher zukünftiger Gesellschaften (bzw. ein mögliches zukünftiges Bild der gegenwärtigen Gesellschaft) und zeichnen auf diese Weise futuristische Zustände der Erlösung, häufiger jedoch des Niedergangs. Beide Aspekte offenbaren sich überdeutlich am Stadtbild utopischer Filme in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts.
Metamorphosen des Flaneurs im Großstadtfilm
„1839 war es elegant, beim Promenieren eine Schildkröte mit sich zu führen. Das gibt einen Begriff vom Tempo des Flanierens in den Passagen.“
(Benjamin 1998: 532)
Editorial
Liebe Leser,
mit dieser ersten Ausgabe des Filmmagazins »F.LM – Texte zum Film« liegt Ihnen in mehrfacher Hinsicht ein neues Format in der Landschaft deutschsprachiger Filmzeitschriften vor. Unsere Zeitschrift wird Ihnen in Zukunft im vierteljährlichen Rhythmus einen Zugang zum Film der Gegenwart vermitteln – die Betonung liegt dabei vor allem auf Gegenwart.