Das filmische Werk Andrej Tarkowskijs stellt ästhetisch wie narrativ eine Ausnahmeerscheinung der Filmgeschichte dar. Wie kaum ein zweites lässt es auch heute noch den Rezipienten mit Fragen zurück, gibt Anlass zur tiefergehenden Reflexion. Die quasi-autistische Verschlossenheit, mit der Tarkowskij in seinen Filmen existenzielle Thematiken wie Isolation, Entfremdung, Grenzerfahrungen, das Sein des Menschen überhaupt verhandelt, macht eine Auseinandersetzung auf philosophischer Ebene so erkenntnisversprechend wie naheliegend. Marius Schmatloch hat sich mit dem vorliegenden Band dieser Aufgabe gestellt.
Schmatloch betrachtet das Werk Tarkowskijs im gesamten. Im wesentlichen ausgehend von „Die versiegelte Zeit“, Tarkowskijs Sammlung von über mehreren Jahren hinweg entstandenen Essays, erarbeitet er zunächst ein ideologisches Basiskonzept, dessen Theoreme im Spiegel antiker Denker verortet werden. Diese Wahl begründet sich vor allem in Tarkowskijs ebenfalls im Text untersuchter Affinität zum russischen Symbolismus, dessen solipsistische Ausrichtung mitunter im Neuplatonismus begründet liegt. Im folgenden dienen diese geistesgeschichtlichen und ästhetischen Einordnungen und Erkenntnisse einer detaillierten Untersuchung nach Entsprechungen und formal-ästhetischer wie motivischer Strategien zur Umsetzung derselben im filmischen Werk Tarkowskijs. Hierzu dekliniert Schmatloch die Filme versiert durch die philosophischen Disziplinen. Die Kenntnis der Filme wird zwar vorausgesetzt und erhöht zudem den Erkenntnisgewinn, aufgrund der motivisch zergliedernden Betrachtung der Filme wurde der Untersuchung jedoch eine erläuternde Filmographie beigefügt, die die Filme synoptisch zusammenfasst, ihre Entstehungsbedingungen erläutert und sie diskursiv einordnet.
Die Sprache, der sich Schmatloch zu dieser umfassenden Untersuchung bedient, ist klar von Fachjargon geprägt und stellenweise arg auf Faktenvermittlung ausgelegt, etwas Einblick in die Disziplin wird also vorausgesetzt. Der konzentrierte Leser wird jedoch mit einem so spannenden wie erkenntnisreichen Einblick in die Geisteswelt des russischen Regisseurs belohnt, der den Stand der Tarkowskij-Forschung nicht nur gelungen zusammenfasst, sondern die etwas brachliegende Welt der Publikationen hierzu auch entschieden bereichert. Eine umfangreiche Bibliographie sowie einige ausgewählte Filmstills runden den positiven Gesamteindruck ab.
Schmatloch, Marius
Andrej Tarkowskijs Bücher in philosophischer Betrachtung
Gardez Verlag 2003
446 Seiten (Taschenbuch), 20,00 Euro
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