Der „Zodiak“-Killer, der zwischen 1968 und 1969 sieben Menschen überfallen und fünf davon getötet hat, gilt gemeinhin als der „amerikanische Jack the Ripper“. Nicht nur ist „Zodiac“ (den Namen hat er sich wie der Ripper selbst gegeben) trotz einer verhältnismäßig niedrigen Zahl von Opfern zu nachhaltiger Berühmtheit gelangt, weil er – wie beim Londoner Prostituiertenmörder – nie gefasst werden konnte; der Mythos, der sich um ihn herum gebildet hat, hat auch ganz ähnliche Ausmaße erreicht. So existieren private Detektivclubs, die die Identität des Serienmörders immer noch zu klären versuchen und eine enorme Anzahl an „Zodiac“-Devotionalien. Die bedeutsamste Ähnlichkeit mit „Jack the Ripper“ lag jedoch in der Fähigkeit des Täters begründet, die Presse für sich zu gewinnen, um so zu zeitweiser Allgegenwärtigkeit zu gelangen. Dies alles hat „Zodiac“ schließlich zu einer popkulturellen Ikone werden lassen, die – wie immer, wenn ein Serienmörder diesen Status erlangt – auch zahlreichen Niederschlag in Filmproduktionen gefunden hat.
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Kolateralschäden
Als die US-Armee 2003 Bagdad aus der Luft angreift, finden die Bomben und Rakenten nicht nur militärische Ziele. Zu den so genannten Kollateralschäden gehört auch eine psychiatrische Klinik, in der etliche Insassen und Ärzte sterben, der Rest flieht durch die kriegsgeschüttelte Stadt. Mohamed Al Daradjis Film „Dreams“ nimmt sich dieses Themas an und macht aus den statistischen Opferzahlen Lebensgeschichten. Drei von ihnen erzählt er in seinem mutigen Film, dessen Erstellung selbst immer wieder unter dem Zeichen des Krieges stand.
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Eine Filmgeschichte des kreativen Tötens
Der Erfolg des Dokumentarfilms „An American Nightmare“ aus dem Jahre 2000 hat gleich zwei Vorurteile widerlegt: Erstens ist das Horrorfilm-Genre keineswegs bloßes Affektkino, das einzig darauf aus ist, seine Zuschauer zu erschrecken, zu ekeln oder zu amüsieren. Und zweitens sind diese Zuschauer weit emanzipierter gegenüber den Filmen, als man ihnen immer unterstellen wollte. „An American Nightmare“ hat dem breiten Publikum eine langjährige, vielfältige und hoch interessante Forschungslandschaft offengelegt und ebenso gezeigt, wie sich die Filmemacher selbst in diese Landschaft einbringen. Vor allem der Slaherfilm hat seit 1978 zu einer Vielzahl an Untersuchungen aus der Gender-Medientheorie, der Medienwirkungsforschung und der Mentalitätsforschung geführt. Jeff McQueens Dokumenarfilm „Going to Pieces“, der das gleichnamige Sachbuch von Adam Rokoff mehr ergänzt als auf ihm zu basieren, nimmt sich nun dieses Subgenres an und schreibt damit die Agenda von „An American Nightmare“ fort.
Schreiben oder Erfahren?
Arturo Bandini ist ein italiensich-stämmiger Schriftsteller, der im Los Angeles der 1920er/30er Jahre seine Karriere zu entwickeln versucht. Das einzige, was ihm fehlt ist ein interessantes Thema. Damit geht es ihm ähnlich wie dem Film, der von ihm erzählt.
Let’s get split
Nina und Lizzy sind Freundinnen. Sie haben sich in einer Psychiatrie kennengelernt: Nina wurde dort eingewiesen, weil man sie eines morgens katatonisch in ihrem Bett aufgefunden hat, Lizzy hat einen Suizidversuch hinter sich.
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»Jeder hat etwas, das er vergessen will.«
Es ist fast seltsam, wie produktiv das asiatische Gruselkino nach den nunmehr beinahe zehn Jahren, die es hier im Westen rezipiert wird, immer noch ist. Vor allem Korea und Thailand tun sich in den letzten Jahren mit Produktionen hervor, die die Muster des „J-Horror“ gekonnt adaptieren und variieren und zwar scheinbar immer dieselbe Geistergeschichte erzählen, dies jedoch mit einer sich stetig perfektionierenden Ästhetik. Die Variation der Themen mag sich dabei mehr und mehr auch an das westliche Publikum richten – den markanten narrativen Einschlag, der zumeist von Themen der persönlichen Vergangenheitsbewältigung handelt, verlieren aber auch die jüngsten Filme nicht. Die Pang-Brothers, die in der Vergangenheit für mehrere Werke aus Thailand als Produzenten und Regisseure auftraten, haben mit „Re-Cycle“ nun versucht, den Geisterfilm mit dem Fantasy-Film zu paaren. Und auch hier verschmelzen Erzähltradition und ästhetische Innovation aufs Beste.
Soldaten sind auch nur Mörder
Die Selbstreflexion von Genrekonventionen beschleunigt sich zusehends. Vor allem Horror- und Terrorfilm haben in den letzten Jahren kaum noch Zeit, neue Ideen weiterzuentwickeln bevor sie selbst zum Inhalt einer Idee werden. Der zum Ende des letzen und zu Beginn dieses Jahres reüssierende so genannte Torture-Porn (HOSTEL, THE HILLS HAVE EYES, SAW II), der seine Protagonisten der handfesten Zivilisationskritik auf vielfältige Weisen durch barbarische Horden ausgesetzt hatte, erfährt nun nach besonders kurzer Halbwertszeit in „Severance“ seine Transzendierung.
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»Ein Betrüger glaubt nichts«
Hochstapler, Heiratsschwindler und Trickbetrüger sind – zumindest im Spielfilm – schillernde Figuren, ja, manchmal sogar Helden. Wer erinnert sich nicht an die Kapriolen aus Frank Oz’ “Dirty Rotten Scoundrels” oder Spielbergs “Catch me if you can”? Dass das wahre Leben ganz anders ist, dass die Opfer von Betrüger häufig finanziell und psychisch ruiniert sind und die Täter nicht selten massive psychische Probleme haben, die sie – ganz anders als die Gentlemen-Ganoven in den Filmen – zu ihren Taten zwingen, ist eine selten ins Bild gerückte Tatsache. Alexander Andolphs neuer Dokumentarfilm “Die Hochstapler” schickt sich an, dies zu ändern und den wahren Tätern ein Gesicht und eine Geschichte zu geben. Leider kommt dabei unterm Strich die selbe Glorifizierung wie in den fiktionalen Beiträgen heraus.
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Der Film ist des Menschen Wolf
Derzeit treibt eine Debatte die Feuilletons um, die den Anschein erweckt, als wäre sie notwendig: Es geht um Folterdarstellungen in Filmen wie „Hostel“, „The Hills have Eyes“ oder „Saw 2“ – Werke des Serienmörder- und Horror-Genres, die allesamt in diesem Frühjahr zu sehen waren. Gegenstand der Debatte über diese Filme ist die Frage, ob man es mit einer Reaktion auf die real existierenden Folterbilder aus Abu Ghraib und Guantanamo zu tun habe, ob die Folterfilme vielleicht – wie Boris Groys das angedeutet hat – Gegenstand eines Bildertausches zwischen den folternden Kulturen sein könnten. Die Relevanz dieses Disputes ist schon allein deswegen nicht von der Hand zu weisen, weil der Disput stattfindet – weil er offenbar stattfinden muß. Und nun wird er wohl durch einen weiteren Film angeheizt, der aus einer ganz anderen Ecke der Welt kommt: „Wolf Creek“ ist das Erstlingswerk des Australiers Greg McLean und handelt von einem Serienmörder im Outback.
Das Herz hat seine Gründe …
Die Filme Kim Ki-duks erfreuen sich wahrscheinlich vor allem deshalb einer wachsenden Popularität, weil sie „versöhnlich“ sind. Der erst seit wenigen Jahren filmschaffende Süd-Koreaner thematisiert in ihnen immer wieder Konflikte, wie sie die Gesellschaft oder den Einzelnen bestimmen: Liebe versus Hass, Glück versus Leid, Einsamkeit versus Gemeinschaft, Spiritualität versus Existenz – und immer wieder: Tradition versus Moderne. Denn gerade letzteres ist ein Thema, welches auch die Gesellschaft Kims nachhaltig kennzeichnet: Südkorea ist eines der am stärksten prosperierenden Länder der Welt und wurzelt dennoch – wie viele ostasiatische Kulturen – tief in einem spirituell-religösen Fundament. Konflikte scheinen also nicht nur vorprogrammiert, sondern geradezu paradigmatisch in einer solchen Gesellschaft zu sein. In Kims Filmen konfligieren die Widersprüche jedoch nicht um eines Sieges des einen über den anderen willen; er führt Kontradiktionen als nur scheinbar, nur von der jeweiligen Warte aus gesehen unauflösbar vor und stellt ihnen ein Drittes anbei, das nicht selten als Synthese beider zu verstehen ist.
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Lebenslügen
Seit ein paar Jahren überrascht das dänische Kino mit einigen Produktionen aus dem Mittelfeld, die überaus gelungene Variationen von Genremotiven mit starken Schauspielern vorführen. Zuletzt konnte man mit „Pure Hearts“ einen abseitigen Roadmovie bewundern, bei dem ein neurotischer Protagonist einer Filmdiva aus Schwarzweißfilmtagen auf der Spur ist. Zuvor hat Anders Thomas Jensen mit seiner Kannibalismus-Satire „Dänische Delikatessen“ zwei erfolglose Schlachtereiladenbesitzer durch den Verkauf von Menschenfleisch zu Ruhm kommen lassen. Von Jensen stammt nun auch „Adams Äpfel“, der auf den ersten Blick den Weg eines Rechtsradikalen zum Gottesglauben nachzeichnet.
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Die Revolution frisst ihre Kinder
Wie jede Revolution – und sei sie auch noch so permanent – hat auch die sexuelle Revolution durch ihre Verschiebung des Status Quo zu einer Normalisierung des zuvor „Transgressiven“ und damit zur Entwicklung einer neuen kulturellen Selbstverständlichkeit geführt. Die Individuen sind jedoch nicht alle gleich schnell in der Lage, sich auf diese Selbstverständlichkeit einzulassen und es scheint, je weiter sie von der revoltierenden Generation entfernt sind, desto schwieriger ist die Akzeptanz des Neuen. Der Sexfilm der 1970er Jahre hab nur wenige Jahre nach der sexuellen Befreiungsbewegung der 60er daher nicht nur gezeigt, inwiefern das damalige „Spießertum“ versucht hat, die Geschehnisse kulturell umzudeuten. Dass die Regisseure der Elterngeneration die Agenda der Jugend so absichtlich „falsch verstanden“ haben, offenbart auch, welche Schwierigkeiten sie damit eigentlich hatten. Bereits 1969 führte Michael Verhoeven diese Schwierigkeiten in einem „kleinen Generationenkonflikt“ vor, bei dem er einen Mittdreißiger an den neuen sexuellen Selbstverständlichkeiten verzweifeln ließ.
»Große Systeme versklaven kleine Systeme.«
In den USA schreibt das so genannte Zoning-Gesetz u. a. vor, dass Häuser in Abhängigkeit ihrer Größe einen bestimmten Abstand zur nächstgelegenen Straße einhalten müssen. Das Wort „Zoning“ klang Mitte der 1980er Jahre für den deutschen Regisseur Ulrich Krenkler wohl futuristisch genug, um einen dystopischen Thriller darum herum zu gestalten. Sein Film „Zoning“, dem damals leider nur sehr wenig Erfolg beschieden war, wirkt aus der heutigen Perspektive und mit ausreichendem historischem Abstand wie ein Markstein der filmästhetischen Möglichkeiten zwischen untergehendem Autorenfilm und aufkommender Breiten-Unterhaltung
Biopolitik in Metropolis
Gerade die Science-Fiction-Filme, die in nicht allzu ferner Zukunft spielen, bieten immer Anlass zur politischen Lektüre – insbesondere, wenn sie Themen aufgreifen und weiterspinnen, die heute aktuell sind. Zumeist handelt es sich bei diesen Filmen um Dystopien, also negative Utopien, die – wie „Robocop“ (1987) – von den Auswüchsen (in) der Urbanität, oder – wie „1984“ (1956/1984) – von der Unmenschlichkeit des Überwachungsstaates, oder – wie „Gattaca“ (1997) – von den Folgen der Technologisierung für das Leben des Menschen handeln. Michael Winterbottoms neuer Film „Code 46“ ist insofern nicht originell, denn er greift alle drei Themen auf und lässt sie einfließen in eine „Story, die erkennbar in einer nicht allzu fernen Zukunft liegt“ (Presseheft).
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Melanche
Die Themen Kochen und Essen sind ein für den Film besonders dankbare Motive, weil sie es ermöglichen an synästhetische Erfahrungen des Zuschauers in Bildern und Tönen anzuknüpfen und auf diese Weise zwei weitere Sinne mit anzusprechen. Wenn zur Oppulenz festlicher Mahlzeiten und deren Zubereitung, die auf eine filmgeschichtlich lange Tradition zurückblicken kann, auch noch die Zutaten ins Bild rücken, stellt sich nicht selten ein Farben- und Formenspiel besonderer Eindringlichkeit ein. XXXs Film „The Mistress of Spices“ erzählt von der indischen Küche und ins besondere von den in dieser Küche reichhaltigen Gewürzen und verbindet dieses Thema mit einer sozialen Frage.
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Sunspotting
Die Karriere Danny Boyles kann man mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolgen. Zum einen ist es erfrischend, wie sich der einstige britische Independent-Filmer seit „Kleine Morde unter Freunden“ (1994) weiter entwickelt, wie sich seine Karriere forciert, seine Budgets immer größer und seine Filme immer populärer werden. Auf der anderen Seite ist das aber auch mit einem offensichtlichen Verlust an Individualität verbunden, fort von den Milieu-nahen Beobachtungen a la „Trainspotting“, hin zu Mainstream-Erzählungen. „Sunshine“ schreibt diese Entwicklung konsequent insofern weiter, die bereits in „28 Days later“ und „Millions“ spürbar war – und hier wie dort koppelt Boyle an Erfolgsrezepte an.
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I can’t speak to God
Mit “The Passion of Christ” hatte Mel Gibson nicht nur einen die Kinosäle überschreitenden Diskussionsfall geliefert, der gleichermaßen Werbung für Gibsons Ego wie das katholische Christentum machte, sondern die Filmgeschichte auch um eine besonders problematische, weil naive Jesus-Darstellung bereichert. Dass es danach kaum noch möglich sein würde, sich auf die Christusfigur zu beziehen, ohne sich im gleichen Zuge von Gibsons Arbeit abzugrenzen (oder sich ihr affirmativ anzuschließen), scheint nun Abel Feraras “Mary” zu belegen. Ferara konstatiert darin eine eigene katholische Position und entlarvt das Werk seines Hollywood-Kollegen im gleichen Atemzug als verlogen.
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»Art is not a Crime«
1827 veröffentlicht der englische Essayist und Journalist Thomas de Quincey seine ironische Schrift „Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet“. Spätestens zu diesem Zeitpunkt setzt eine diskursüberschreitende Debatte zwischen Kriminologie und Ästhetik ein, die in der Kunstproduktion des 20. Jahrhunderts, und hier vor allem in Film und Fotografie, ihre radikalste Ausformulierung bekommen hat. Zum einen adaptieren die Künste authentische Kriminalfälle, weil die ihnen inhärenten Momente von Erhabenheitsästhetik und Affektivität zu den maßgeblichen Faktoren der Kunst gehören; zum anderen beanspruchen nicht wenige Verbrecher für sich den Status eines Künstlers. Vor allem am Phänomen Serienmord ist dieser zweiseitige Anspruch immer wieder formuliert worden. Die Argumente und Ergebnisse stellt Terry Zwigoff nun in seinem ironisch-reflexiven Beitrag „Art School Conficential“ vor.
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Soul Sucker
Was macht Sekten für selbst diejenigen, die es aus Warnungen besser wissen sollten (und oft auch wissen) anziehen? Mit durchsichtigen Heilsversprechungen, wie sie in den 1970er Jahren etwa durch die Moon-Sekte gegeben wurden, ließe sich heute sicherlich kaum noch ein Jugendlicher anziehen. Ebenso werden sicherlich charismatische Anführerfiguren wie Charles Manson einer eher nihilistischen Jugend nicht mehr als Vorbilder dienen können. … Glaubt man. Dass man sich der Suggestivkraft einer solchen Gruppe und ihrer Dynamik nur schwer zu entziehen vermag, zeigt Alison Murrays Film „Mouth to Mouth“.
Playing with the Kids
Bevor wir jemanden hassen können, müssen wir erst uns selbst hassen lernen. Nach erlittenem Leid wird das Hassobjekt in das Ich integriert und ein Bestandteil desselben: Wir selbst sind es dann zunächst, die die Ausgangssituation wiederholen und unsere Aggression baut sich auf und richtet sich folglich zunächst gegen uns. Rachepläne werden geschmiedet, die Wut staut sich und wenn wir dann dem Hassobjekt begegnen, findet im Akt der Rache eine das Ich befreiende Aktion (meist milder als die imaginierte) statt. Was jedoch lange gährt, bauscht sich ganz besonders auf und entlädt sich mit besonderer Wucht – das zumindest zeigt Larry Kent in seiner schwarzen Familienkomödie „Hamster Cage“, bei der eine Feier in einer Katastrophe endet.
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