Die Karriere Danny Boyles kann man mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolgen. Zum einen ist es erfrischend, wie sich der einstige britische Independent-Filmer seit „Kleine Morde unter Freunden“ (1994) weiter entwickelt, wie sich seine Karriere forciert, seine Budgets immer größer und seine Filme immer populärer werden. Auf der anderen Seite ist das aber auch mit einem offensichtlichen Verlust an Individualität verbunden, fort von den Milieu-nahen Beobachtungen a la „Trainspotting“, hin zu Mainstream-Erzählungen. „Sunshine“ schreibt diese Entwicklung konsequent insofern weiter, die bereits in „28 Days later“ und „Millions“ spürbar war – und hier wie dort koppelt Boyle an Erfolgsrezepte an.
Das beginnt bereits beim latenten Thema von „Sunshine“, der von einer Klimakatastrophe auf der Erde handelt – jedoch mit umgekehrten Vorzeichen: Es wird nicht immer wärmer, sondern immer kälter, weil die Sonne ihren Lebensatem aushaucht. Die Erde ist zur Permafrost-Zone erstarrt und die letzte Hoffnung liegt in einer bemannten Raumschiffmission, welche eine Fusionsbombe von der Größe Manhattans zum Zentralgestirn transportieren soll. „Ikarus II“ heißt das Schiff bezeichnenderweise und als der Film einsetzt, befindet es sich bereits in der Nähe des Merkur und tritt in die „Dead Zone“ ein, eine Zone, in der die elektromagnetische Strahlung der Sonne die Kommunikation der Schiffsbesatzung mit der Erde verunmöglicht. Dennoch empfängt man plötzlich ein Funksignal – von der „Ikarus I“, wie sich bald herausstellt. Diese hat die Erde mit demselben Auftrag wie ihre Nachfolgerin verlassen, wird aber seit Jahren vermisst und schwebt nun in einer Umlaufbahn in Sonnennähe. Man entschließt sich, den Kurs zu ändern, zur „Ikarus I“ zu fliegen, um damit zwei Chancen (d. h. zwei Fusionsbomben) zu haben, die Welt zu retten. Eine Entscheidung mit nicht nur positiven Folgen, wie sich zeigen wird. Die „Ikarus II“ wird beschädigt, Besatzungsmitglieder sterben und an Bord des Vorgängerschiffs geht es keineswegs mit rechten Dingen zu.
„Sunshine“ hat alles, was ein Erfolgsfilm braucht – weil er es von anderen Erfolgsfilmen des Genres zusammen montiert hat. Da finden sich Einstellungen, Kamerafahrten, Erzählfragmente und Spannungsdramaturgien aus „Alien“ und „Aliens“, „2001“, „Dark Star“, „Deep Imapct“, „Event Horizon“ und anderen Science-Fiction-Filmen, durchaus gekonnt miteinander verwoben, aber eben keineswegs originell. Die Zitate und Anspielungen reichen so weit, dass er den Captain der „Ikarus I“ Pinbacker nennt – dem von Dan O’Bannon 1974 in „Dark Star“ gespielten Sgt. Pinback nicht unähnlich. Natürlich werfen gerade solche Anspielungen einen deutlich sichtbaren Anker in die Genre-Geschichte und man kann mit gutem Recht sagen, „Sunshine“ verstehe sich deshalb eher als Hommage denn als Plagiat jener Science-Fiction-Filme. Und Boyle gelingt es ja auch, einen überaus spannenden Film zu erzählen, ohne in Vorhersehbarkeiten oder Kitsch abzudriften: Er verzichtet sowohl auf die Möglichkeit erotischer Verwicklungen zwischen den Mitgliedern der gemischten Besatzung wie auch auf eine dramaturgische Zuspitzung des Katastrophen-Szenarios auf der Erde. Sein Interesse gilt allein dem Projekt.
Dieses Projekt, die Errettung der Welt vor der Klimakatastrophe durch ein paar Verwegene, hat man zum PR-Zugpferd des Filmes gemacht. Immerhin wirbt bereits ein Flyer mit dem wissenschaftlichen Mehrwert seines Inhalts, wie seinerzeit bei Roland Emmerichs „The Day after Tomorrow“. Von verschiedener fach-akademischer Seite wird „Sunshine“ bestätigt, dass der Film die Sonne ins Bewusstsein der Zuschauer rücke, dass er für die in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommene Solar-Astronomie sensibilisiere und zum Nachdenken anrege, wie wichtig die Sonne für uns und unser Klima ist. Das klingt alles nach ein wenig verkrampfter Legitimation, die der Film so eigentlich gar nicht nötig hätte und die – vergegenwärtigt man sich sein Abenteuer- und Alien-Thema – auch etwas fehl am Platz ist. Aber selbst wenn man sich nicht auf diese „Problematik“ einlässt, kann man sich auf „Sunshine“ freuen, auf seine opulente Optik, seine nervenzerrenden Thrill-Momente und auf das Zitatenspiel
Sunshine
(GB 2007)
Regie: Danny Boyle; Buch: Alex Garland; Musik: Karl Hyde, John Murphy, Rick Smith; Kamera: Alwin H. Kuchler; Schnitt: Chris Gill
Darsteller: Rose Byrne, Cliff Curtis, Chris Evans, Troy Garity, Cillian Murphy, Hiroyuki Sanada u.a.
Verleih: 20th Century Fox
Start: 19.04.2007