Im Ausnahmezustand gibt es weder Recht noch Unrecht, da alle Gesetze wirkungslos sind und durch die Willkürherrschaft des Stärksten ersetzt werden. Das Ordnungsprinzip einer zusammen gebrochenen Gesellschaft beruht nicht mehr auf sozialem Status, moralisch gebundenen Verhaltensregeln und dem Primat des Intellekts – was zählt, ist allein die physische Stärke, die Fähigkeit zur Ausübung von Gewalt und Zwang. In Conor Horgans post-apokalyptischem Drama „One Hundred Mornings“ ist dieser Zustand eingetreten: Thomas Hobbes‘ Kampf aller gegen alle hat begonnen, die Menschheit ist zum längst überwunden geglaubten Sozialdarwinismus zurück gekehrt. Survival of the fittest, so heißt das neue, uralte Gesetz. „Britspotting 2011 – Wolfzeit“ weiterlesen
Korrekturbomben
Am 24. Januar 1961 war über North Carolina ein B-52-Bomber abgestürzt, der Wasserstoffbomben mit der Sprengkraft von 24 Megatonnen geladen hatte, die sich beim Absturz aktiviert hatten. Hätte nicht die letzte Sicherheitsstufe den Zündvorgang abgebrochen, wäre es die stärkste von den USA ausgelöste Kernwaffenexplosion gewesen. Am 30. Oktober des selben Jahres erzeugten die Sowjets auf der Insel Nowajala Semlja die größte jemals von Menschen verursachte Explosion. Die Wasserstoffbombe „Tsar“ mit einer Sprengkraft von 57 Megatonnen TNT-Sprengstoff erzeugte eine derart gewaltige Detonation, dass die seismischen Wellen noch nach ihrer dritten Erdumrundung messbar waren. Im November 1961 startete der britische Film „Der Tag, an dem die Erde Feuer fing“ in den Kinos.
Enter the Umbrella!
In gewisser Weise haben die Bilder der Filme Paul W.S . Andersons schon immer versucht, den Zuschauer anzuspringen. Anderson ist, was ihm häufig zum Vorwurf gemacht wird, kein Geschichtenerzähler im herkömmlichen Sinne – er lässt seine Bilder für sich sprechen und findet er das passende Bild für einen Effekt, dann kann das ruhig auch einmal zu Lasten der Plotlogik oder sogar der mathematischen und physikalischen Gesetze gehen. In „Resident Evil – Afterlife“ wird dieses Erzählen zur grundsätzlichen Methode, bei der Anderson die 3D-Inszenierung entgegenkommt. Die Story wird zusehends nebensächlich und rekrutiert sich aus Versatzstücken bekannter Genrefilme.
Als die Frauen noch Flügel hatten
Ralph Bakshi gehört zu den ungewöhnlichsten Zeichentrickfilm-Regisseuren; insbesondere seine Filme für Erwachsene, „Fritz the Cat“ oder „Heavy Traffic“ haben ihm einen festen Platz im Pantheon der US-amerikanischen Popkultur gesichert. Mit seinen Fantasy-Stoffen „Lord of the Rings“ und „Fire and Ice“ setzte er tricktechnisch neue Maßstäbe und profilierte sich insbesondere gegen den Zeichentrick-Einheitsbrei aus den Disney-Studios. Sein postapokalyptischer Zeichentrickfilm „Wizards“ ist diesbezüglich ein „typischer Bakshi“, in dem sich viele Motive und Techniken der frühen und der späteren Arbeiten des Regisseurs finden. Jetzt ist der Film aus seiner relativen Vergessenheit herausgeholt und auf DVD und Blu-ray-Disc veröffentlicht worden.
Civil Defense Cinema
Als „Panik im Jahre Null“ im Juli 1962 seine Premiere in den US-amerikanischen Kinos hatte, dürfte kaum ein Zuschauer geglaubt haben, es handele sich bei dem Film des Schauspielers Ray Milland um einen bloßen Science Fiction. Wenige Wochen zuvor hatten die USA in der Türkei Atomraketen stationiert, die die UdSSR bedrohten; in der Startwoche des Film verschoben die Sowjets zigtausende ihrer Soldaten nach Kuba und stellten dort nun ebenfalls Atomraketen auf, die gegen die USA gerichtet waren. Die Kubakrise nahm ihren Lauf und es sah ganz so aus, als habe Milland in seinem Film den mehr als möglichen Ausgang derselben – nämlich den Atomkrieg – vorweg genommen. Jetzt, über 40 Jahre später, wirkt „Panik im Jahre Null“ wie ein typisches Film-Dokument dieser Zeit – weniger wie ein Spielfilm als wie ein Civil-Defense-Lehrfilm.
Mutation und Regression
„‚Mad Max‘ trifft auf ‚Dawn of the Dead'“ heißt es auf dem Klappentext des DVD-Covers, und wenn ein Film schon über Vergleiche zu großen Vorbildern beschrieben wird, hat man meist allen Grund misstrauisch zu sein. Umso verwunderter wird man sich vielleicht zeigen, wenn man sich dann den Prolog dieses angeblichen Mad-Max-Zombie-Amalgams ansieht: „Mutant Chronicles“ zeichnet eine beeindruckende Dystopie, die sich als Mischung von Gestern, Heute und Morgen zeigt, wie man sie beinahe nur aus ost-asiatischen Genrefilmen kennt.
Eine Bibel fürs Regal
In den vergangenen Jahren geht die Welt im Kino mit immer größerem Aufwand unter. Filme wie Roland Emmerichs „2012“ oder demnächst der lang erwartete „The Road“ von John Hillcoat entwerfen Szenarien, in denen die Menschheit zum größten Teil vom Erdboden verschwindet – verbinden damit jedoch immer auch eine moralische oder häufiger sogar religiöse Agenda, nach der diejenigen, die übrig bleiben, „bessere Menschen“ werden sollen, die aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Der Tiefpunkt dieser Entwicklung findet sich in der christofaschistischen Utopie des „Left Behind“-Zyklus, der auch schon einige Filmadaptionen erfahren hat. „The Book of Eli“ von den Hughes-Brothers greift gleich mehrere filmhistorische Traditionen auf, liefert aber gleichzeitig eine beruhigende Entkrampfung des religiösen Backlashs, der in vielen dieser Filme zuletzt angeklungen war … auch wenn es zunächst ganz anders scheint.
Die Wiedererkämpfung der Heterosexualität
In den 1980er Jahren war Patrick Swayze für einen kurzen Moment ein Kinostar. Nach seinem Debüt auf der großen Leinwand im Kreise des durch Francis Ford Coppolas „The Outsiders“ formierten Brat Pack und dem legendären Desaster als faschistoider Pfadfinder in John Milius’ spektakulär gescheiterter Kalter-Krieg-Satire „Red Dawn“ war Swayze im Jahr 1987 plötzlich der Posterboy No. 1 des Weltkinos. „Dirty Dancing“ war einer der unglaublichsten Kassenhits der Dekade, und sein Hauptdarsteller plötzlich Schwarm aller Backfische zwischen 12 und 52 und Mittelpunkt einer der irritierendsten Camp-Phantasmagorien der Kinogeschichte. Gleichwohl schien Swayze selbst ein wenig erschrocken über den Erfolg des trashig-nostalgischen Musicals und setzte in den folgenden Jahren in seiner Rollenauswahl (recht erfolglos) alles daran, eine überbetonte Maskulinität ins Zentrum des Gezeigten zu rücken.
Der Letzte macht das Licht aus
In seinem Sportwagen rast Robert Neville (Will Smith) durch die menschenleeren Straßen des zerstörten Manhattans, seinen treuen Freund, den Schäferhund Sam, auf dem Beifahrersitz. Die Straßen gehören Robert ganz allein, keine lästigen Ampeln, die ihn aufhalten, keine anderen Fahrzeuge, die ihm Platz wegnehmen. Doch plötzlich erregt etwas die Aufmerksamkeit des Hundes: ein Rudel Rehe prescht durch die Häuserschluchten, schlägt Haken zwischen stehengebliebenen Autos, verschwindet hinter der nächsten Ecke. Neville tritt die Bremsen, reißt das Steuer herum: Die Erkundungsfahrt wird zur Jagd, der sprichwörtliche Großstadtdschungel ist ein echter geworden. „Der Letzte macht das Licht aus“ weiterlesen
Wen(n) Gott nach Vermont ruft …
Teilnehmer: Stefan Höltgen, Oliver Nöding
Moderation: Stefan Höltgen
Sunspotting
Die Karriere Danny Boyles kann man mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolgen. Zum einen ist es erfrischend, wie sich der einstige britische Independent-Filmer seit „Kleine Morde unter Freunden“ (1994) weiter entwickelt, wie sich seine Karriere forciert, seine Budgets immer größer und seine Filme immer populärer werden. Auf der anderen Seite ist das aber auch mit einem offensichtlichen Verlust an Individualität verbunden, fort von den Milieu-nahen Beobachtungen a la „Trainspotting“, hin zu Mainstream-Erzählungen. „Sunshine“ schreibt diese Entwicklung konsequent insofern weiter, die bereits in „28 Days later“ und „Millions“ spürbar war – und hier wie dort koppelt Boyle an Erfolgsrezepte an.
„Sunspotting“ weiterlesen
Sieh, was von der Welt noch übrig ist …
Das Zombiefilm-Genre ist ein dankbares Feld, um die eigenen filmerischen Fähigkeiten zu erproben. Zu den ersten deutschen Horror-Undergroundproduktionen gehörten Zombiefilme wie „Zombie 90 – Extreme Pestilence“ , mit dem Andreas Schnaas 1990 debütierte. Die stillschweigende Überinkunft der Horrorfilmfans, die selbst zur Kamera greifen, scheint es seither zu sein, dass das Schaffen mit einem Film über Untote eingeweiht werden muss. Nun hat Jens Wolf mit „Noctem“ ebenfalls das Parkett betreten. „Sieh, was von der Welt noch übrig ist …“ weiterlesen