Mutation und Regression

„‚Mad Max‘ trifft auf ‚Dawn of the Dead'“ heißt es auf dem Klappentext des DVD-Covers, und wenn ein Film schon über Vergleiche zu großen Vorbildern beschrieben wird, hat man meist allen Grund misstrauisch zu sein. Umso verwunderter wird man sich vielleicht zeigen, wenn man sich dann den Prolog dieses angeblichen Mad-Max-Zombie-Amalgams ansieht: „Mutant Chronicles“ zeichnet eine beeindruckende Dystopie, die sich als Mischung von Gestern, Heute und Morgen zeigt, wie man sie beinahe nur aus ost-asiatischen Genrefilmen kennt.

Der Film hebt mit einer eigenen Mytologie an: Der Krieg wurde durch eine außerirdische Zivilisation auf die Erde gebracht – schon vor tausenden Jahren: Eine Maschine, die Killer-Mutanten produziert, hat die Menschen gegeneinander aufgebracht. Nach zähem Ringen wurde die Maschine unter die Erde verbannt. Und dort schlummert sie bis ins 28. Jahrhundert. Zu dieser Zeit ist die Welt unter wenigen großen Wirtschafts-Konglomeraten aufgeteilt, die miteinander im Krieg um die letzten Ressourcen stehen. An den Grenzen von „Bauhaus“ (so der Name des Unternehmens, das weite Teile Europas regiert) findet eine Schlacht statt, die die verborgene Maschine freilegt. Sofort beginnt eine Umwandlung der Soldaten in Mutanten, die nun die gesamte Menschheit zu vernichten drohen. Unter der Führung einer christlichen Sekte, die das Geheimnis der Maschine kennt, wird eine Elite-Truppe aus allen verfeindeten Parteien zusammengestellt, die die Maschine sabotieren und zerstören soll. Eine verlustreiche Heldenreise beginnt.

Was wie eine recht einfallslose Adventure-Game-Adaption endet, die tatsächlich mit Endgegnern und rollenspielhaften Charakterzeichnungen aufwartet, beginnt äußerst vielversprechend. Denn die Fronten des Konzern-Krieges, die der Beginn von „Mutant Chronicles“ zeichnet, sind in ihrer Düsternis, der Archaik der Kriegsführung, der Ausstattung und vielem anderen schon so schön, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass der Film irgendwann sein optisches Potenzial verliert. Die Welt von „Mutant Chronicles“ ist Steam-Punk im allerbesten Sinne. Eine Verbindung der Militärtechnik des 1. Weltkriegs mit dystopischer Megalomanie: Übergroße Kanonen, fürchterliche Gaswaffen, Soldaten, die sich zwischen High-Tech und brutaler Gewalt langsam durch den Regen und Schlamm nach vorn kämpfen. Das alles liegt weniger zwischen „Mad Max“ und „Dawn of the Dead“ als zwischen Jüngers „Stahlgewittern“ und der Alptraum-Verzerrung eines Jules Vernes.

Und dennoch lässt der Film nach – selbst seine beachtliche Darstellerriege, die von Ron Pearlman über John Malkovich bis Thomas Jane (letzerer übrigens in einer wirklichen Paraderolle!) reicht. Denn neben all der Optik verlangt ein Spielfilm eben auch einen Plot. Und es scheint beinahe so, als ließe die Unfähigkeit, eine dystopische Quest jenseits von Klischees zu erzählen, sogar die Bilder des Films immer ärmer werden. Irgendwann werden die Blue-Box-Effekte sichtbar, die gewaltigen Settings werden als Pappmaché erkennbar, die Kriegs-Maschinen verlieren ihre Patina und beginnen ungut zu glänzen. Hin und wieder ragt dann noch eine der Vernes’schen Ideen ins Bild, wird aber vom Ausstattungsgegenstand zum reinen Vehikel des Plots degradiert. Selten hatte eine B-Film-Produktion so viel Potenzial und scheiterte dennoch so kläglich.

Mutant Chronicles
(USA 2008)
Regie: Simon Hunter; Buch: Philip Eisner; Musik: Richard Wells; Kamera: Geoff Boyle; Schnitt: Sean Barton & Alison Lewis; Ausstattung: Caroline Greville-Morris
Darsteller: Thomas Jane, Ron Perlman, Devon Aoki, Sean Pertwee, Benno Fürmann, John Malkovich, Anna Walton u. a.
Länge: 105 Minuten
FSK: ab 18 Jahre
Verleih: Splendid

Die DVD von Splendid

Gerade die optische Aufbereitung mit den harten Kontrasten und der Farbarmut verlangt dem Mastering der DVD einiges ab, was Splendid hier aber überaus gut gelungen ist. Vor allem der oben gelobte Prolog zeigt, wozu DVDs immer noch fähig sind. Die deutsche Synchronisation des Films ist leider ein bisschen trashig geraten, was dem Plot aber ganz gut zu Gesicht steht. Die DVD ist in zwei Versionen erhältlich: Neben der günstigen Normal-Veröffentlichung gibt es eine Metall-Box-Version. Zusätzlich erscheint der Film auf Blu-ray-Disc, die erstaunlicherweise günstiger als die DVD-Versionen ist.

Die Ausstattung der DVD im Einzelnen:

Bild: 1,85:1 (16:9)
Ton: Deutsch (DD 5.1), Englisch (DD 5.1)
Untertitel: Deutsch
Extras: Interviews mit Cast & Crew, Behin the Scenes
Preis: ab 16,99 Euro

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