Die Freiheit der Beschränkung

Man stelle sich das vor: In einer nicht allzu fernen Zukunft ist man als Filmfreund nicht länger auf die beschränkte Kreativität von Regisseuren, Produzenten und Drehbuchautoren angewiesen. Stattdessen kann man sich seinen Wunschfilm selbst zusammenbasteln. Es gelüstet einen beispielsweise nach einem Crossover aus John McTiernans „Predator“ und der „Herr der Ringe“-Trilogie, gewürzt mit einem Monster, das eine Mischung aus den Fantasiekreaturen aus „Das Relikt“, „Pitch Black“ und dem Balrog aus Peter Jacksons genanntem Opus darstellt, abgeschmeckt mit ein bisschen „Beowulf“-Wikingerpathos und Zeitreiseromantik? Kein Problem: Eine hochintelligente Rechenmaschine bastelt für eine geringe Pauschale das gewünschte Filmwerk zusammen, das man sich dann am heimischen Bildschrim anschauen kann. Doch warum in die ungewisse Ferne schweifen, wenn man auch gleich „Outlander“ haben kann, einen Film, der genauso aussieht, wie oben beschriebenes Zauberwerk?

Der Außerirdische Kainan (James Caviezel) stürzt mit seinem Raumschiff auf die Erde und macht bald schon mit den dort lebenden Wikingern Bekanntschaft. Diese stehen dem vom Himmel Gefallenen zunächst skeptisch gegenüber, vermuten in ihm einen Feind, müssen ihn jedoch als Verbündeten anerkennen, als ihr Dorf von einem Feuer speienden Drachenwesen angegriffen wird. Dieses Monster ist dem Außerirdischen gefolgt, weil es eine persönliche Rechnung mit ihm zu begleichen hat: Kainan hatte in seiner Funktion als Weltraumsoldat nämlich einst beim Völkermord an dessen Rasse mitgeholfen …

Die unkenden Stimmen, die immer wieder Remakes und mangelnden Einfallsreichtum im Gegenwartskino beklagen, sind längst zu einer festen Größe der Filmrezeption geworden. Es klingt immer gut, alles Neue mit dem Verweis auf das überlegene Gestern zu verdammen, verleiht dem, der solches tut, zudem die Aura des unfehlbaren Experten und Schöngeistes, dessen hohe Ansprüche ihn als Einzigen dazu befähigen, die wenigen Perlen aus dem Morast zu klauben, der die Leinwände und Bildschirme geradezu flutet. Doch solche Kulturpessimisten vergessen, dass die gülden schimmernde Vergangenheit auch einmal triste Gegenwart war, die eben nicht nur aus den unsterblichen Klassikern bestand, sondern auch aus dem heute längst vergessenen Tand; und dass das selbstreflexive Erzählen kein schlechteres, sondern lediglich ein anderes Erzählen ist. „Outlander“ ist so ein Film, zu dem man den abschätzigen Verriss bei der Betrachtung schon vor dem geistigen Auge sieht: Statt einer originellen – oder besser: originären – Geschichte gibt es, wie oben angedeutet, ein buntes Copy&Paste durch die jüngere Genrefilm-Geschichte, das keinen höheren Anspruch an sich selbst stellt, als den Zuschauer 100 Minuten lang zu unterhalten – und dem dies zudem perfekt gelingt. Man kann das in oben skizzierter Art kritisieren und abwerten und sich damit zum Untergangschronisten stilisieren oder aber innehalten und feststellen, dass „Outlander“ tatsächlich ganz großes Entertainment ist, aufwändig produziert und sauber inszeniert, mit einem gesunden Selbstbewusstsein, das sich weder hinter einer Mauer feiger Selbstironie noch hinter aufgesetzten Ambitionen verstecken muss.

Hat man sich diesem Film erst einmal solchermaßen geöffnet, fällt tatsächlich auf, dass er längst nicht nur willkommenes Futter für Eskapismusbedürftige ist: Schon im Namen des Protagonisten entäußert sich der biblische Brudermörder, was insofern ungewöhnlich ist, als der zum Kain gehörende Abel hier ja ein vermeintliches Monstrum ist. „Outlander“ ist typisch für die Post-Bush-Jahre, in denen Kolonialismus und Interventionspolitik keinen guten Ruf mehr genießen und Konzepte von Feindschaft öffentlich lautstark angezweifelt und kritisiert werden. Die Zeichnung des Drachenwesens, des „Moorwens“, steht exemplarisch dafür: Trotz seines furchteinflößenden Äußeren und seiner mörderischen Kräfte verleiht ihm die Inszenierung von Howard McCain deutlich menschliche Züge, die ihm unser Mitleid versichern. Wenn seine Rasse panisch vor der den Planeten attackierenden Luftwaffe flieht und in der Feuersbrunst verendet, er sich im Finale nicht nur als Muttertier mit Nachwuchs erweist, sondern kurz vor seinem Ende auch noch Angst auf seinem fremdartigen Gesicht erkennbar wird, hebt sich das von der Zeichnung anderer Filmmonster als nur bedrohlichem und deshalb rücksichtslos zu tötendem Anderem stark ab, erzwingt letztlich als letzte Erkenntnis gar die Selbstkritik und Buße des gar nicht mehr so strahlenden Helden, der aus dem Kreislauf des Tötens, in den er einst aus einem falschen Überlegenheitsgefühl heraus eingetreten war, nicht mehr hinauskommt.

Man kann und darf, muss „Outlander“ aber nicht so sehen, um sich zu amüsieren. Man kann ihn auch einfach als ausgezeichnetes gegenwärtiges Genrekino genießen und sich darüber freuen, dass es Filmemacher gibt, die einem selbst unausgesprochene Wünsche erfüllen und das Genrekino mit seinen Grenzen nicht als Gefängnis begreifen, das die Kreativität lähmt, sondern als Terrain, innerhalb dessen man den Blick schweifen lassen kann, um das Neue zu entdecken. Auch heute noch.

Outlander
(USA/Deutschland 2008)
Regie:
Howard McCain; Drehbuch: Dirk Blackman, Howard McCain; Musik: Geoff Zanelli; Kamera: Pierre Gill; Schnitt: David Dodson
Darsteller:
James Caviezel, Sophia Myles, Jack Huston, John Hurt, Ron Perlman
Länge:
115 Minuten
Verleih:
Koch Media

Zur DVD von Koch Media

Koch Media präsentieren den Film ganz so wie es sich für ein bildgewaltiges Fantasy-Spektakel gehört: mit gestochen scharfem Bild, das die mit CGI aufgeputschten Aufnahmen in vollem Glanz erstrahlen lässt. Technisch gehört die DVD mit zum Besten, was ich seit einiger Zeit zu sehen bekommen habe. Der Film kommt in zwei Fassungen: Einer normalen DVD mit Audiokommentar und einer Doppel-DVD mit zusätzlichem Bonusmaterial (diesem Text liegt die einfache DVD zugrunde). Der niedrige Preis sollte die DVD in einer von beiden Fassungen zu einem Pflichtkauf für Freunde des fantasylastigen Popcornkinos machen.

Bild: 2,35:1 (16:9/anamorph)
Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1, DTS 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Extras: Audiokommentar, Trailer (Doppel-DVD: Making of, Deleted Scenes, Bildergalerie, Animatics, Storyboards)
Freigabe: FSK 16
Preis: 12,98 Euro (Doppel-DVD)

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