Frechheit siegt!

Ein ohrenbetäubender Pfeifton ist das letzte, was Cooper (Chris Marquette) und seine Bürokollegen wahrnehmen, bevor sie in tiefe Bewusstlosigkeit fallen. Drei Tage später wachen einige von ihnen in Kokons eingesponnen wieder auf und müssen verblüfft feststellen, dass überaus aggressive Rieseninsekten in der Zwischenzeit die Herrschaft über die Erde übernommen haben. Was nun?

„Infestation“ gehörte auf dem Fantasy Filmfest 2009 zu den ausgesprochen positiven Überraschungen, was umso erstaunlicher ist, als vom B-Horror- und -Monsterfilm kaum noch neue Impulse ausgehen, beide vielmehr in gelangweilter Routine erstarrt sind und sich nur noch darauf zu beschränken scheinen, sich Jahr für Jahr dem tricktechnischen Status quo anzunähern. Dass es aber durchaus noch möglich ist, innerhalb eines eng abgesteckten Genres für frischen Wind zu sorgen, beweist Regisseur Kyle Rankin mit seinem Spielfilmdebüt. Und er benötigt dafür nicht etwa clevere Gimmicks oder gemeine Taschenspielertricks, sondern einzig sein erzählerisches Talent und eine genaue Kenntnis der Genremechanismen. Das soll nicht etwa heißen, dass „Infestation“ altmodisch wäre: Er gewinnt, weil er über die Jahrzehnte unnötig gewordenen erzählerischen Ballast gnadenlos über Bord wirft und sich wieder auf das Wesentliche besinnt.

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Der Tag danach

Podcast mit Jörg Buttgereit, Jochen Werner und Stefan Höltgen über:

  • Summer Wars (Sama Wozu, Jp 2009, Mamuro Hosoda)
  • Heartless (GB 2009, Philip Ridley)
  • Survival of the Dead (USA 2009, George A. Romero)
  • Daybreakers (USA/Australien 2009, Michael & Peter Spierig)
  • The Shock Labyrinth: Extrem – 3D (Jp 2009, Takashi Shimizu)

Die Freiheit der Beschränkung

Man stelle sich das vor: In einer nicht allzu fernen Zukunft ist man als Filmfreund nicht länger auf die beschränkte Kreativität von Regisseuren, Produzenten und Drehbuchautoren angewiesen. Stattdessen kann man sich seinen Wunschfilm selbst zusammenbasteln. Es gelüstet einen beispielsweise nach einem Crossover aus John McTiernans „Predator“ und der „Herr der Ringe“-Trilogie, gewürzt mit einem Monster, das eine Mischung aus den Fantasiekreaturen aus „Das Relikt“, „Pitch Black“ und dem Balrog aus Peter Jacksons genanntem Opus darstellt, abgeschmeckt mit ein bisschen „Beowulf“-Wikingerpathos und Zeitreiseromantik? Kein Problem: Eine hochintelligente Rechenmaschine bastelt für eine geringe Pauschale das gewünschte Filmwerk zusammen, das man sich dann am heimischen Bildschrim anschauen kann. Doch warum in die ungewisse Ferne schweifen, wenn man auch gleich „Outlander“ haben kann, einen Film, der genauso aussieht, wie oben beschriebenes Zauberwerk? „Die Freiheit der Beschränkung“ weiterlesen

1-18-08

Viren und Monster scheinen auf den ersten Blick recht verschiedene Stoffwechsel zu haben. Auf der einen Seite wäre das meist aus natürlichen oder auch hausgemachten Umständen, oder von Atomstrahlen zum wachsen gebrachte Ungetüm, dessen übernatürliche Kraft ausreicht, um es locker mit einer ganzen Armee aufzunehmen; auf der anderen das Virus, das eigentlich gar keinen eigen Stoffwechsel hat und sich definitionsgemäß in einer Zwischenwelt von Leben und Tod verorten lassen muss. Das Virus ist allerdings in der Lage, die Sprache seines Wirtes zu sprechen, um sich in dessen Zellen zu reproduzieren, wohingegen das Monster weitestgehend auf die Überzeugungskraft seiner nackten Präsenz setzt. Matt Reeves‘ „Cloverfield“ schafft es in gewisser Hinsicht, beides zu vereinigen und überschreitet dabei die Grenzen seines eigenen Films.
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Godzilla oder wie die Japaner lernten, die Bombe zu lieben

Vor der japanischen Insel Oto verunglücken mehrere Fischerboote. Die abergläubische Bevölkerung glaubt an eine Rückkehr des Seeungeheuers Godzilla, das menschliche Opfer einfordert, sobald es durch menschlichen Raubbau an der Natur keine Nahrung mehr findet. Als das Monster die Insel betritt und eine Panik auslöst, beschließt auch die Regierung zu handeln. Sie evakuiert die Küstenregionen und stellt ein gewaltiges Armeeaufgebot, um dem Ungeheuer die Stirn zu bieten. Doch Godzilla lässt sich nicht aufhalten: In einer gewaltigen Zerstörungsorgie macht es Tokio dem Erdboden gleich, bis der Wissenschaftler Serizawa seine neueste Waffe zur Verfügung stellt … „Godzilla oder wie die Japaner lernten, die Bombe zu lieben“ weiterlesen

Froschperspektive

„Die Menschen müssen das sehen“, sagt Hud, der mit der Videokamera festhält, wie Manhattan von einem gigantischen Ungeheuer dem Erdboden gleichgemacht wird. Damit paraphrasiert er nicht nur das Versprechen der Marketingabteilung, die für die „Cloverfield“ -Kampagne alle Register gezogen hat, um die Menschen ins Kino zu locken, er knüpft auch unmittelbar an die Lesart ist, die nach „I am Legend“ nun schon zum zweiten Mal in diesem Jahr das größte amerikanische Trauma der Gegenwart zum Thema eines Genrefilms macht. Der Monsterfilm scheint sich für solche Allegorien besonders gut zu eignen. Frei nach dem Wortstamm „demonstrare“ begreift der Zuschauer das Monster automatisch als Zeichen für etwas anderes. Das funktionierte schon 1954 mit Inoshiro Hondas „Godzilla“, der personifizierten atomaren Bedrohung, der für „Cloverfield“ Pate stand. „Froschperspektive“ weiterlesen

Wenn der Nebel sich lichtet

Wie sehr sich die Ereignisse von 9/11 in die öffentlichen Diskurse eingeschrieben haben, wird nicht zuletzt an einem Film wie Frank Darabonts Der Nebel offenkundig, den man heute kaum noch anders als als Allegorie auf die Angst und Unsicherheit im Gefolge scheinbar irrationaler Terrorakte und die Erstarkung des religiösen Fanatismus in deren Gefolge betrachten kann. Dabei folgt diese Verfilmung einer Kurzgeschichte Stephen Kings von 1980 den Regeln eines fast vierzig Jahre alten Genres: des Katastrophenfilms. „Wenn der Nebel sich lichtet“ weiterlesen

Monströse Depressionen

Alles beginnt damit, dass ein koreanischer Pathologe von seinem amerikanischen Vorgesetzten aufgefordert wird, den Inhalt einiger verstaubter Formaldehyd-Flaschen in den Ausguss zu kippen. Das sei doch verboten, der Ausguss führe schließlich direkt in den Han-Fluss, entgegnet dieser. Doch der Vorgesetzte lässt sich nicht beirren: Der Han-Fluss sei groß, was machten da schon so ein paar Flaschen? Der Kausalzusammenhang wird nicht explizit hergestellt, aber es scheint kein Zufall, dass ein paar Jahre später ein merkwürdiges Glibberwesen im Fluss gesichtet wird. Und so geht es weiter in „The Host“: Kleine Ursachen zeigen stets große Wirkungen …

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