Die Wiedererkämpfung der Heterosexualität

In den 1980er Jahren war Patrick Swayze für einen kurzen Moment ein Kinostar. Nach seinem Debüt auf der großen Leinwand im Kreise des durch Francis Ford Coppolas „The Outsiders“ formierten Brat Pack und dem legendären Desaster als faschistoider Pfadfinder in John Milius’ spektakulär gescheiterter Kalter-Krieg-Satire „Red Dawn“ war Swayze im Jahr 1987 plötzlich der Posterboy No. 1 des Weltkinos. „Dirty Dancing“ war einer der unglaublichsten Kassenhits der Dekade, und sein Hauptdarsteller plötzlich Schwarm aller Backfische zwischen 12 und 52 und Mittelpunkt einer der irritierendsten Camp-Phantasmagorien der Kinogeschichte. Gleichwohl schien Swayze selbst ein wenig erschrocken über den Erfolg des trashig-nostalgischen Musicals und setzte in den folgenden Jahren in seiner Rollenauswahl (recht erfolglos) alles daran, eine überbetonte Maskulinität ins Zentrum des Gezeigten zu rücken.

237993_steeldawn_picbigLance Hools Endzeitactioner „Steel Dawn“ war Swayzes erste Rolle nach der des Tanzlehrers Johnny Castle, und insbesondere diesem Film prägt sich der symbolische Kampf Swayzes um seine Heterosexualität überdeutlich ein. Dabei ist „Steel Dawn“ zunächst einmal ein streng nach den Regeln des Genres gebauter postapokalyptischer Science-Fiction-Streifen. Seit dem Ende der 1970er Jahre und George Millers Klassiker „Mad Max“ war dieses Genre schwer in Mode, mit Low-Budget-Rip-offs vorwiegend italienischer Provenienz gab es in den folgenden Jahren mit wenig Einsatz viel Kasse zu machen. In diese Reihe ließe sich auch „Steel Dawn“, der für sichtlich kaum mehr als 8 Mark 50 Budget entstanden ist, nahtlos einfügen, wäre er nicht im Grunde bereits zu spät dafür gekommen. Millers epochales Sequel „The Road Warrior“ war bereits sechs Jahre her, die zweite Fortsetzung „Mad Max: Beyond Thunderdome“ war überaus pompös und letztlich enttäuschend ausgefallen. Man hatte sich, so ist zu vermuten, einfach sattgesehen an den archaisch-futuristischen Wüstenwelten des Endzeitfilms. Diese Resignation scheint sich schon in den ersten Bildern in „Steel Dawn“ einzuschreiben. Dort begegnen wir dem namenlosen, nur als „Nomad“ bezeichneten Helden (Swayze) zunächst bei der kopfstehenden Meditation, dann im Kampf gegen seltsame, aus dem Wüstensand hervorkriechende Feinde. Doch scheint hier letztlich nichts dynamisch, alles seltsam eingefroren: die Bewegung des Aktionskinos scheint hier bereits zur Pose geronnen.

Auch scheint das postapokalyptische hier deutlich auch als postnarratives Kino markiert. Tatsächlich geschieht in den ersten 20 Minuten des Films im Grunde fast überhaupt nichts – jedenfalls: nichts, was mit dem Folgenden etwas Näheres zu tun hätte. Ein Racheplot wird eingefügt, der den Schlusskampf von „Steel Dawn“ auch zur persönlichen Vendetta machen wird, aber das geht im Grunde mit der tatsächlichen Erzählung des Films keine Verbindung ein und scheint wie die arbiträre Zusammenführung zweier unterschiedlicher Erzählungen. Ansonsten sieht man in langen Einstellungen Swayze durch die Wüstenwelt streifen, was „Steel Dawn“ im ersten Drittel zu so etwas wie einem Spazierfilm macht. Als dann, nach diesem gefühlt endlosen Setup, der Grundkonflikt sich formiert, gibt sich dieser zunächst streng genrekonform: Die Ressourcen sind mal wieder knapp, hier ist es das Wasser, das den Menschen zum Überleben fehlt, und ein Krieg beginnt zwischen einer friedlichen Dorfgemeinschaft und einem wild-archaischen Männerbündnis um die lebensspendende Quelle.

237993_steeldawn_scebig_02Auffällig ist freilich an „Steel Dawn“, wie deutlich die Konflikte der Filmerzählung auch als sexuelle markiert sind: Auf der einen Seite steht da das immer auch latent Homoerotische der Männerbünde des Actionkinos generell und des hypermaskulinen Körperkultes der mit dem Neobarbarischen kokettierenden postapokalyptischen Science Fiction im Besonderen, und auf der anderen Seite steht der (dysfunktionale) Familienbund um die mütterliche Kasha (Lisa Niemi) und, bezeichnenderweise, um die Fruchtbarkeit evozierende Quelle herum. Die Familie erscheint hier als grundsätzlich vom Zerfall bedroht, da ihr die Vaterfiguren abhanden gekommen sind: Die Männer der Dorfgemeinschaft erscheinen durchweg als ihrer Maskulinität beraubt, entsexualisiert und zeugungsunfähig. Da gibt es den als comic relief ausgespielten offen Homosexuellen, da gibt es die durch ihre Behinderung als körperlich unzureichend markierten Stotterer, und nicht zuletzt gibt es da den treudoofen Muskelmann Tark (Brion James), der zunächst als Rivale Nomads in Szene gesetzt wird, für die neu zu besetzende Rolle des Patriarchen aber niemals wirklich eine Option darzustellen scheint. Nomad hingegen erscheint als Wanderer zwischen den Welten, einerseits außerhalb der rein maskulinen Sphäre der Söldner rund um Widersacher Damnil, andererseits auch zu sehr Krieger, um wirklich reintegrierbar zu sein in den familiären Verbund. So kann ihn der Plot zwar kurzfristig eine amouröse wie väterliche Beziehung zu Kasha und ihrem Sohn Jux eingehen lassen – am Ende muss er doch als einsamer Wolf wieder in den Sonnenuntergang ziehen. Gleichwohl kann „Steel Dawn“ ihn als Familienstifter profilieren, gibt er doch letztlich die Rolle des Vaters an den Sohn weiter: Wo für Kasha zum Abschied nur ein keuscher Kuss auf die Stirn und die lauwarme Versicherung bleibt, sie sei „die aufregendste Frau der Welt“, da erklärt Nomad dem Jungen, der ihm nachfolgen will, um „so zu werden wie mein Dad und du“, dass seine Rolle nicht die des Kriegers in einer Welt ohne Frauen sei. Stattdessen schwört er ihn ein auf die Rolle des neuen, alten Familienpatriarchen: Um den Fortbestand der Menschheit zu sichern, muss die entfesselte, wilde Sexualität (die im Verständnis von „Steel Dawn“ auch immer eine homoerotische Sexualität darstellt) domestiziert werden und dem Symbol der Fruchtbarkeit, das konstitutiv für den Dorf- und Familienverbund ist, untergeordnet werden.

Steel Dawn – Die Fährte des Kriegers
(Steel Dawn, USA 1987)
Regie: Lance Hool; Drehbuch: Doug Lefler; Musik: Brian May; Kamera: George Tirl; Schnitt: Mark Conte
Darsteller: Patrick Swayze, Lisa Niemi, Brion James, Christopher Neame, Anthony Zerbe, Brett Hool, Arnold Vosloo
Länge: ca. 97 Minuten
Verleih: MIG

Zur DVD von MIG

Die im Grunde recht gelungene DVD-Edition wird leider durch einen offenkundigen Masteringfehler abgewertet: Gegen Ende des Films scheint das Bild über einen Zeitraum von mehreren Minuten am oberen Rand abgeschnitten, was an einen falsch ausgerichteten Zoom ins Bild hinein erinnert. Dies scheint jedoch bei anderen DVD-Veröffentlichungen im Ausland ebenfalls der Fall zu sein und ist somit wohl nicht dem Verleih anzulasten. Von diesem Fehler abgesehen, handelt es sich um eine durchweg gelungene, wenn auch nicht überragende Edition eines eher apokryphen Films. Die Bildqualität ist, einigen Verschmutzungen zum Trotz, sehr akzeptabel, der Ton wirkt ein wenig blechern, bewegt sich aber auch im ordentlichen Bereich. Auch ein wenig Bonusmaterial konnte zusammengetragen werden, was zum positiven Gesamteindruck beiträgt.

Bild: 1,85:1 (anamorph)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Stereo 2.0)
Untertitel: keine
Extras: Trailer, Making of, Bildergalerie, Wendecover
FSK: Ab 16

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Eine Antwort auf „Die Wiedererkämpfung der Heterosexualität“

  1. Vielen Dank für diese anthropologische und soziobiologische Interpretation. Interessant auch vor dem Hintergrund, dass die Erziehung der Kinder in Urkulturen dem biologischen Vater oft nicht vergönnt war oder er auch kein Interesse daran hatte und diese von der weiblichen Familie übernommen wurde. Die Rolle des Vaters wurde vom Onkel oder Großvater mütterlicherseits ausgeübt. Der „genetisch Fremde“ sollte nur neues Erbgut mitbringen, um Inzucht-/Inzestschäden zu vermeiden. Insofern kann man den Familienbund des Filmes vor Nomads Eintreffen auch als genetisch retrograd sehen. Sie brauchten den „Reboot“ durch frischen Einfluss. Hoffen wir nur, dass Nomads Material gut genug ist, dass es nicht wieder zu einem elitären Isolationsverhalten kommt, welches die Menschheit in ihrer Existenz bedroht. Es kann ja nicht immer einen (homosexuellen) Einzelkämpfer geben, der die Dinge gerade rückt. ;)

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