Zwei mal Mars und zurück

In den frühen 1960er-Jahren eroberte der Science-Fiction-Film das Fernsehen und ermöglichte so der populärsten SF-Gattung, der Kurzgeschichte, in Serien zu einem Bild zu kommen. Mit Serien und Reihen wie „Star Trek“, „Doctor Who“ oder – hierzulande – „Raumpatrouille“ konnte das Genre seine fan base erweitern und vor allem zu einer eigenen episodischen Erzählweise finden, die es dann auch möglich machte, längere Plots in Einzelfolgen aufgeteilt ins Fernsehen zu bringen. Zwei Jahrzehnte später waren solche Formate dann schon nicht mehr unüblich, wie „The Tripods“ (der in Deutschland als „Die dreibeinigen Herrscher“ lief) und „The Martian Chronicles“ („Die Mars-Chroniken“) deutlich zeigen.

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Roboter zu Pflugscharen

In den 1980er-Jahren steckt John Badham mit drei Filmen das popkulturelle Potenzial von Kalter-Kriegs-Waffentechnologien ab: Im SDI-Jahr 1983 nimmt er in „Blue Thunder“ die heimliche Luftüberwachung ins Visier, im selben Jahr schaut er sich den Computer als Kriegsmaschine an („War Games“), welche nicht zwischen Ernst und Spiel unterscheiden kann. Drei Jahre später begibt sich Badham auf das „automated battlefiled“ und überführt die US-amerikanischen Bemühungen, unbemannte Kriege mithilfe von Robotern zu führen, in „Short Circuit“ ins Lächerliche einer Romantic Comedy. Doch „Nummer 5 lebt!“, wie der Film in Deutschland heißt, ist weit mehr als nur eine Persiflage auf diese neue Waffengattung: Er erweitert die Überlegungen aus „War Games“ zu der Frage, wie maschinelles Selbstbewusstsein entsteht und wo im anbrechenden Zeitalter der Künstlichen Intelligenz die Grenze zwischen Sein und Dasein verläuft.

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Take a look into the incredible mirror of lust!

Es ist ein bisschen absurd mit der Pornofilmrezeption. Seit Jahrzehnten ist der Pornofilm im Grunde allgegenwärtig; so manche Videothek wurde und wird von ihm und im Grunde zumeist nur von ihm am Leben erhalten, und während Eltern, Studienräte und Medienapokalyptiker in seiner erleichterten Zugänglichkeit per World Wide Web den Grundstein für die ganz sicher anstehende endgültige Verrohung der zur Zeit pubertierenden Nachkommenschaft zu erkennen meinen – warum hat eigentlich Michael Haneke noch keinen Film darüber gemacht? – ergreifen und umarmen ihn Subkultur, kulturelle Avantgarde und jedwede sexuelle Emanzipationsbewegung aus den Zwischen- und Grauzonen des queeren Spektrums immer wieder aufs Neue. Das Wort von der „Generation Porno“ macht inzwischen schon so lang immer wieder aufs Neue die Runde, dass sich eigentlich schon mehrere Generationen davon angesprochen fühlen müssten, und seit einigen Jahren experimentiert das (vom Rezensenten mitkuratierte) Pornfilmfestival Berlin jährlich mit immer wieder neuen Verschiebungen und Erweiterungen des Blickes auf die explizite Darstellung von Sexualität im Film, aus kommerzpornografischer wie aus dezidiert künstlerischer Perspektive kommend.

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LOAD „REALITY“,8,1

„Wir wollten die Erfahrung kreieren, wie es wäre
ein ganz neues Universum zu erforschen.“

(David Fox – LucasFilm-Games)

Im Jahre 1980, kurz nachdem George Lucas den zweiten Teil seiner „Star Wars“-Saga mit dem Titel „The Empire strikes back“ in die Kinos brachte, entstand in seiner Firma LucasFilm die Idee, man könne Science-Fiction-Filme durch Computergrafik realistischer wirken lassen. Insbesondere das Aussehen von Raumschiffen und fremden Welten sollten durch ihre Generierung im Computer ganz neue Facetten bekommen – leider waren die Computer zu dieser Zeit noch nicht in der Lage, den Anforderungen für bewegte Grafiken im Film zu genügen, geschweige denn mit den über Jahrzehnte geschulten Spezial-Effekte-Designern zu konkurrieren. Dennoch wollte man bei LucasFilm für die Zeit gewappnet sein, in der Computergrafik so sein gut würde, dass sie für den Film einsatzfähig ist. Man ahnte, dass dies nicht mehr lange auf sich warten ließ. Also stellte Lucas eine Division zusammen, die die Möglichkeiten für solche Projekte erkunden und schon einmal „computer graphic wizards“ anheuern sollte – Leute, die sich einen Namen damit gemacht hatten, auf dem Computer realistische und fantastische Grafiken programmiert zu haben.

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Didi: Geschichte einer Kunstfigur

In der Bundesrepublik der 1980er Jahre kannte Didi Hallervorden jedes Kind. Mit dieser Kunstfigur hatte der zuvor vor allem als politischer Kabarettist auftretende Dieter Hallervorden ein Alter Ego erschaffen, das zum größten Erfolg seiner Karriere und ihm in gewisser Hinsicht auch zum Fluch wurde. Nach seinem Durchbruch in der Rolle des wild grimassierenden Anarcho-Clowns Didi, die im Verlauf der überaus erfolgreichen TV-Serie Nonstop Nonsens (1975-1980) herausgearbeitet wurde, war Hallervorden an diesen sehr klar definierten Rollentypus gebunden, und der zuvor auch durchaus in mehr oder minder seriösen Rollen überzeugende Charakterdarsteller, der sein Kinodebüt in Fritz Langs letztem Film Die 1000 Augen des Dr. Mabuse feierte und später mit Tom Toelle und Roman Polanski drehte, war auf ewig auf die Comedy festgelegt – bevor es so etwas wie Comedy in Deutschland überhaupt gab.

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»Die Menschen verfilmen heutzutage aber auch alles!«

Zu den medialen Vorboten des Kinos zählt neben der Oper vor allem das Wachsfigurenkabinett. Bereitete erstere den Weg für die synästhetische, multimediale Darstellung von Inhalten, so lieferte zweitere die „Einstellung“ einer Szenerie, die durch die stillgestellte Bewegung auf ihre Kunsthaftigkeit (die Mise-en-scène) hinweist. Die große Affinität zwischen den beiden Medien hat sich bereits recht früh darin niedergeschlagen, dass das Wachsfigurenkabinett zu einem filmischen „Topos“ wurde. 1924 hatte Paul Leni ein solches zum Handlungsort seines Films „Das Wachsfigurenkabinett“ ausgewählt; neun Jahre später entstand Michael Curtiz‘ „Das Geheimnis des Wachsfigurenkabinetts“, von dem André de Toth 1953 ein Remake mit dem Titel „Das Kabinett des Professor Bondi“ drehte, das zuletzt 2005 von Jaume Collet-Serra neu aufgelegt wurde. All diesen Filmen ist gemein, dass sie Horrorfilme sind. Und auch der 1988 entstandene Film „Waxwork“ von Anthony Hickox fällt in diese Reihe – und beteiligt sie wie alle anderen ebenfalls an der allgemeinen Reflexion über die Filmizität des Wachsfigurenkabinetts.

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Die Wiedererkämpfung der Heterosexualität

In den 1980er Jahren war Patrick Swayze für einen kurzen Moment ein Kinostar. Nach seinem Debüt auf der großen Leinwand im Kreise des durch Francis Ford Coppolas „The Outsiders“ formierten Brat Pack und dem legendären Desaster als faschistoider Pfadfinder in John Milius’ spektakulär gescheiterter Kalter-Krieg-Satire „Red Dawn“ war Swayze im Jahr 1987 plötzlich der Posterboy No. 1 des Weltkinos. „Dirty Dancing“ war einer der unglaublichsten Kassenhits der Dekade, und sein Hauptdarsteller plötzlich Schwarm aller Backfische zwischen 12 und 52 und Mittelpunkt einer der irritierendsten Camp-Phantasmagorien der Kinogeschichte. Gleichwohl schien Swayze selbst ein wenig erschrocken über den Erfolg des trashig-nostalgischen Musicals und setzte in den folgenden Jahren in seiner Rollenauswahl (recht erfolglos) alles daran, eine überbetonte Maskulinität ins Zentrum des Gezeigten zu rücken.

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George Michael – A Different Story

Eigentlich wollte ich in diesem Saal die für diese Uhrzeit terminierte Pressevorführung von Violent Days aus dem Forum anschauen. Normalerweise haben die einzelnen Sektionen auch ihre eigenen Pressesäle, so dass man da eigentlich blind zum Termin reinlaufen kann. Blöderweise – und angeblich war es ausgeschildert – hatte man nun aber gerade diesen Programmslot an diesem Tag mit dem Panorama getauscht. Und ich staunte nicht schlecht, als ich zum Beginn eines semi-dokumentarischen Spielfilms über französische Rockabillies einen sehr zeitgenössischen Elton John erblicke, der mich mit rethorischem Geschick von den Qualitäten dieses „Guy“ überzeugen will. Wenige Sekunden später besteht kein Zweifel mehr: Ich sitze in George Michael – A Different Story, wo ich eigentlich nie hin wollte. Geschichten, die die Festivalübermüdung schrieb.
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Verschwende Deine Jugend.doc

Man beginnt sich wieder für Punk zu interessieren. Punk dabei nicht als musikalisches Vehikel gestylter schöner Jungs aus den Staaten, die vor Hallenpublikum auftreten, und auch nicht als Synonym für vor allem das öffentliche Stadtbild prägende Hundebesitzer mit Hang zum penetranten Habitus verstanden. Vielmehr ist jene kurze Phase des elektrisierenden Kitzels gemeint – so grob ab ’77, in Deutschland eher zwischen ’79 und ’82 -, in der an allen Ecken kleine Garagenbands gegründet wurden, wo es weniger um die Musik selbst – die durfte gerne frei in den dilletantischen Raum hineindelirieren -, sondern vor allem um die richtige Attitüde, um spontane Kreativität und Ausbruch ging, um ein Spiel mit den Zeichen und einen eher inszenierten, denn wirklich praktizierten Nihilismus. Vor wenigen Jahren veröffentlichte Jürgen Teipel seinen Interview-Roman „Verschwende Deine Jugend“, in dem Protagonisten jener Phase zu Wort kommen und zurückblicken. Vor kurzem folgte dann Rocko Schamonis höchst unterhaltsamer, autobiografischer Roman „Dorfpunks“, dessen Titel Programm ist. Die Garde der ersten Punks in Deutschland blickt auf sich zurück, scheint sich historisieren zu wollen.
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Die Ritterinnen

Berlin-Kreuzberg, Ende der Achtziger. Das riecht nach brennendem Bolle, täglichen Plena, mal hier mal dort, bald zu dieser, bald zu jener Kampagne, nach IWF-Protest und verbitterten Patriarchatsdiskussionen. Aber auch nach Flucht aus der Provinz, anarchischem Freiheitsdrang, nach Befreiung von Spießermuff und dem Wunsch nach selbtbestimmten Leben. Kreuzberg, Ende der Achtziger – lang ist’s her.

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Der Boom des Ghettofilms im New Black Cinema der 80er und 90er Jahre

Das amerikanische Großstadt-Ghetto wurde für ein Massenpublikum erstmalig zu Beginn der 70er Jahre in dem afroamerikanischen Autorenfilm SWEET SWEETBACK’S BADAAAASSS SONG (1970) filmisch sichtbar. Dieser Film von Melvin van Peebles’ löste die Blaxploitation-Produktionswelle in Hollywood aus, die bis Ende der 70er Jahre ca. 200 Low-Budget-Filme hervorbrachte. War van Peebles Film noch ein sozial-kritisches Porträt des Ghettolebens aus afroamerikanischer Perspektive, wurde das Ghetto in den Blaxploitation-Filmen wie SHAFT (1971), COFFY (1972) oder BLACULA (1972) zum Handlungsort von Actionstories, die oft Adaptionen erfolgreicher Blockbusterfilme in einem All-Black-Cast waren. Hollywood hatte die afroamerikanische Bevölkerung als zahlungskräftiges Publikumssegment ausgemacht, das separat zu bedienen war. Minimierung der Produktionskosten bei gleichzeitiger Spezialisierung auf ein bestimmtes Zielpublikum war die kommerzielle Erfolgsformel der Blaxploitation-Produktionen. Die Darstellung des Lebens innerhalb der Ghettos erfolgte in diesen Filmen jedoch völlig unreflektiert: Das Ghetto wurde als Ort der Black Community romantisiert und kritische Auseinandersetzungen mit der weißen Welt, die diese Lebensumstände aufzwang, wurden ausgespart.

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