Roboter zu Pflugscharen

In den 1980er-Jahren steckt John Badham mit drei Filmen das popkulturelle Potenzial von Kalter-Kriegs-Waffentechnologien ab: Im SDI-Jahr 1983 nimmt er in „Blue Thunder“ die heimliche Luftüberwachung ins Visier, im selben Jahr schaut er sich den Computer als Kriegsmaschine an („War Games“), welche nicht zwischen Ernst und Spiel unterscheiden kann. Drei Jahre später begibt sich Badham auf das „automated battlefiled“ und überführt die US-amerikanischen Bemühungen, unbemannte Kriege mithilfe von Robotern zu führen, in „Short Circuit“ ins Lächerliche einer Romantic Comedy. Doch „Nummer 5 lebt!“, wie der Film in Deutschland heißt, ist weit mehr als nur eine Persiflage auf diese neue Waffengattung: Er erweitert die Überlegungen aus „War Games“ zu der Frage, wie maschinelles Selbstbewusstsein entsteht und wo im anbrechenden Zeitalter der Künstlichen Intelligenz die Grenze zwischen Sein und Dasein verläuft.

Nummer 5 ist ein Roboter, konstruiert von NOVA Robotics in einer Baureihe von Gefechtsdronen, die den sinnfälligen Titel „Saint“ trägt. Bei einer öffentlichen Vorführung der Geräte durch die Militärs kommt es jedoch zu einem Unfall: In Roboter Nummer 5 schlägt ein Blitz ein, der nicht nur seine Sensorik beschädigt, sondern auch irgendetwas in seinem Inneren derartig modifiziert, dass der Roboter „durchdreht“: Er verlässt das Gelände der Firma und findet sich kurze Zeit später bei der Tierschützerin Stephanie wieder. Diese hält ihn zunächst für einen Außerirdischen; als sie jedoch erfährt, was Nummer 5 wirklich ist und woher er stammt, will sie ihn wieder loswerden. Doch etwas ist anders an der ehemaligen Tötungsmaschine: Nummer 5 hat ein Selbstbewusstsein entwickelt und vor allem ein Bewusstsein über den eigenen und den fremden Tod. Als Stephanie bei NOVA Robotics anruft, gerät der Roboter in Panik: Er will nicht „auseinander genommen“ werden. Und so entscheidet sich Stephanie, zunächst nur mit den Programmierern Newton und Ben Kontakt aufzunehmen, um sie davon zu überzeugen, dass Nummer 5 nicht mehr bloß eine Maschine ist. Das Militär indes sieht durch die Wandlung des Roboters die Gefahr noch steigen und beginnt eine „seek-and-destroy“-Operation.

Das Wissen darum, dass elektrisch betriebene Technik und insbesondere Mikrolelektronik einer besonderen Gefährdung durch elektromagnetische Pulse ausgesetzt ist, fließt in „Short Circuit“ bereits in den Originaltitel ein: Den Frankenstein-Topos vom durch Blitzeinschlag erzeugten Leben aufgreifend, überführt Badhams Film die Maschine durch Hochspannung vom reinen Funktionieren ins selbstbewusste Leben. Die (Zer)Störung der Schaltkreise des Roboters löst (s)ein nicht programmiertes Verhalten aus. Ein Thema, das auch heute noch die allermeisten Filme über künstliches Leben bestimmt: das nicht antizipierte und nicht mehr berechenbare Verhalten, das als Emergenz oder eben schlicht: als Leben in Erscheinung tritt.

Etliche Dialoge in „Nummer 5 lebt!“ kreisen um genau dieses Faszinosum: Stephanie weiß zunächst gar nicht, dass der Roboter kein außerirdisches Wesen ist, gerade weil er nicht so redet wie eine Maschine (den Turing-Test sozusagen blitzartig bestanden hat). Ben und Newton indes wollen die Gründe verstehen, derentwegen aus einem programmierbaren Gerät auf einmal ein selbstbestimmt handelndes Wesen geworden ist, und suchen zunächst den Grund in der beschädigten Hardware. Bis Newton es dann aufgibt und – nachdem er Nummer 5 einen Witz erzählt hat, über den dieser lachen muss – akzeptiert, dass bei vom Blitz getroffenen Robotern Hard- und Software mit einem Lebensfunken inspiriert worden sind und dadurch „das Ganze“ auf einmal mehr als „die Summe seiner Teile“ ist. Worin dieses „Mehr“ liegt, erörtert Badhams Film vor dem Hintergrund romantischer Verstrickungen (Nummer 5 flirtet mit Stephanie), der Entwicklung einer praktischen Ethik (Nummer 5 weiß, was moralisch richtig und was falsch ist), der Reproduktionsfähigkeit (Nummer 5 baut sich am Ende selbst nach) aber vor allem damit, dass die Maschine pazifistisch und damit zu jener gesteigerten Gefahr für das Militär wird: Eine tödliche Waffe auf der Seite von Pazifisten. Das ist zu viel „Homefront“ für die Warheads des Kalten Krieges.

Wie man sich vor 25 Jahren Kriegsroboter vorgestellt hat und welche Gefahren (und Möglichkeiten) die Robotik bereit halten könnte, zeigt Badhams Film recht deutlich. Nummer 5 ist ein Spross jener Filmfamilie, der auch der Terminator und Robocop entstammen. Die Tatsache, dass „Nummer 5 lebt!“ kein postapokalyptischer Science-Fiction- oder dystopischer Actionfilm, sondern eine Romantic Comedy ist, schwächt das Motiv jedoch keineswegs ab, sondern ist eher noch dazu geeignet, seine Brisanz zu unterstreichen. Neben dem quasi-theologischen Konzept der „von oben“ eingehauchten Lebensenergie, „erdet“ der Film seinen Plot regelrecht, indem er ihn im (damaligen) Hier und Jetzt ansiedelt und den Roboter auf Alltagsprobleme stoßen lässt. (Dass Roboter an genau diesen Problemen auch heute noch scheitern, nimmt Badhams Film – etwa, wenn Nummer 5 Stephanie das Frühstück zubereitet – hellseherisch vorweg.)

Robotertechnik, so könnte man den im Film zum Ausdruck kommenden Traum zusammenfassen, mag zwar historisch einen militärischen Hintergrund besitzen, lässt sich jedoch friedenspolitisch vereinnahmen. Das hat Badham sowohl in „Blue Thunder“ als auch in „WarGames“ vor Augen geführt. In der Fiktion funktioniert dies 1986 jedenfalls sogar mit Kriegsrobotern; dazu bedurfte es jedoch einer pazifistischen Neuausrichtung des Blicks auf diese Waffengattung. Wie sich das Motiv nach Ende des Kalten Krieges und im Zeitalter tatsächlich mit Roboter-Dronen geführter militärischer Konflikte neu denken lässt, wird nicht lange unbeantwortet bleiben. Noch in diesem Jahr startet ein Remake des Films in den Kinos.

http://www.youtube.com/watch?v=4TBcQ8h_kXU

Nummer 5 lebt!
(Short Circuit, USA 1986)
Regie: John Badham; Buch: S. S. Wilson, Brent Maddock; Musik: David Shire; Kamera: Nick McLean; Schnitt: Frank Morriss
Darsteller: Ally Sheedy, Steve Guttenberg, Fisher Stevens, Austin Pendleton, G.W. Bailey, Brian McNamara, Tim Blaney u. a.
Länge: 99 Minuten
Verleih: Splendid

Die Blu-ray-Disc von Splendid

Nachdem der Film bereits 2008 und 2009 auf DVD neu aufgelegt worden war (bis dahin hatte es nur eine lediglich mit der deutschen Tonspur ausgestattete DVD gegeben), bringt Splendid ihn nun mit exzellenter Bild- und Ton-Qualität endlich auch auf Blu-ray-Disc auf den Markt. Ein wenig betrüblich stimmt, dass der Verleiher auf jedes Extra verzichtet hat.

Die Ausstattung der Blu-ray-Disc im Einzelnen:

  • Bild: 1,78:1 (16:9), 1080p/24p
  • Ton: Deutsch (DTS-HD Master Audio 5.1), Englisch (DTS-HD Master Audio 5.1)
  • Untertitel: Deutsch
  • Extras: Verschiedene Trailer
  • Freigabe: FSK ab 6 Jahren
  • Preis: 12,99 Euro

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