Didi: Geschichte einer Kunstfigur

In der Bundesrepublik der 1980er Jahre kannte Didi Hallervorden jedes Kind. Mit dieser Kunstfigur hatte der zuvor vor allem als politischer Kabarettist auftretende Dieter Hallervorden ein Alter Ego erschaffen, das zum größten Erfolg seiner Karriere und ihm in gewisser Hinsicht auch zum Fluch wurde. Nach seinem Durchbruch in der Rolle des wild grimassierenden Anarcho-Clowns Didi, die im Verlauf der überaus erfolgreichen TV-Serie Nonstop Nonsens (1975-1980) herausgearbeitet wurde, war Hallervorden an diesen sehr klar definierten Rollentypus gebunden, und der zuvor auch durchaus in mehr oder minder seriösen Rollen überzeugende Charakterdarsteller, der sein Kinodebüt in Fritz Langs letztem Film Die 1000 Augen des Dr. Mabuse feierte und später mit Tom Toelle und Roman Polanski drehte, war auf ewig auf die Comedy festgelegt – bevor es so etwas wie Comedy in Deutschland überhaupt gab.

Denn die Komödie in Deutschland, die war in den 1970er Jahren noch immer weitgehend geprägt vom Schlagerlustspiel, deutsche Komiker hießen Ilja Richter, Rudi Carrell und Georg Thomalla, und zwischendurch trällerten Roy Black oder Heintje ein Lied, auf dass die „Penne wackelt!“ Mit diesem Komikertypus, den untoten Lümmeln von der ersten Bank, mit Tante Trude aus Buxtehude und derlei kreuzbiederen bis grenzpsychedelischen Komödienversuchen hatte Didi wenig gemein; eher schien es, als wolle Hallervorden die muffige Klamottenkiste des bundesdeutschen Kintopps gehörig durcheinander wirbeln und damit vielleicht auch ein kleines Stück weit einen Anschluss an die Runderneuerung der amerikanischen Slapsticktradition durch Jerry Lewis schaffen. Auch wenn die kurzen Episoden aus Nonstop Nonsens von sehr unterschiedlicher Qualität und überhaupt noch sehr stark dem klassischen Sketchformat verhaftet waren, so verbargen sich doch inmitten all der Blödelei einige Momente von schillernder Anarchie – und hier und da auch mal ein Schlagabtausch von sprühendem Wortwitz, für den heutige TV-Komiker vom Schlage eines Mario Barth vermutlich morden würden.

Der Wechsel von Hallervorden vom TV-Bildschirm auf die Kinoleinwand schien angesichts der Popularität seiner Kunstfigur Didi wohl nur eine Frage der Zeit – vollzog sich freilich, als es soweit war, eher zufällig. Nach einigen wenig bemerkenswerten ersten Kinofilmen wurde 1981 der eigentlich für das Fernsehen produzierte Film Alles im Eimer, der so gut geriet, dass man ihm einen Kinostart spendierte, zum ersten Achtungserfolg. Zwei Jahre später wurde, nach weiteren TV-Erfolgen mit den Serien Onkel & Co., Welle Wahnsinn, Zelleriesalat & Gitterspeise und später Die Nervensäge (unter dem Titel der 2. Staffel, Didi – Der Untermieter, auf DVD erschienen), der ganz auf Hallervorden zugeschnittene Film Der Schnüffler dann direkt für das Kino produziert. Den großen Durchbruch als Kinoschauspieler markiert jedoch eindeutig Reinhard Schwabenitzkys Film Didi – Der Doppelgänger, der zum Kassenschlager des Jahres 1984 wurde und mit Didi und die Rache der Enterbten (1985), Didi auf vollen Touren (1986) und Der Experte (1988) mindestens drei weitere mehr oder weniger auf Hallervordens Alter Ego zugeschnittene und äußerst erfolgreiche Produktionen nach sich zog.

In Didi – Der Doppelgänger ist Hallervorden in einer klassischen Doppelrolle zu sehen, anhand derer hier auch ein sozialer Konflikt verhandelt wird – wenngleich auf dem doch sehr stark herunter gebrochenen Level der kommerziellen Komödie. Als Kneipenwirt Bruno Koob ist Hallervorden die quintessenzielle Verkörperung des „kleinen Mannes“: einfachen Freuden zugetan, gutherzig, lebenskünstlerisch veranlagt, und – klar, in Deutschland – schwerer Trinker. Auf der anderen Seite steht der Unternehmer Hans Immer, in dem wiederum ein Prototyp manifest wird. Der kaltherzige, unmoralische Industriemagnat führt nicht nur in seinem Unternehmen ein Schreckensregime, sondern droht auch mit dem Abriss von Brunos Kreuzberger Kneipe „Sorgenpause“. Dies freilich würde Bruno nicht nur die Lebensgrundlage, sondern auch den Lebensinhalt nehmen, weshalb er sich mit allen Mitteln gegen diese symbolische Kastration des einfachen Mannes zur Wehr setzt. Durch einen Zufall treffen nun diese beiden an entgegengesetzten Enden des sozialen Spektrums verorteten Männer, die ansonsten durch den gesamten gesellschaftliche Apparat voneinander getrennt sind, unmittelbar aufeinander – und stellen fest, dass sie sich zum Verwechseln ähnlich sehen. Der von unbekannten Entführern bedrohte Immer beschließt, Koob durch einen Trick dazu zu bringen, sein Double zu spielen, bis die ihm unbewusste Gefahr gebannt ist – und damit ist ein komödiantisches System in Gang gesetzt, das in der zweiten Hälfte zwar mitunter ins Stocken gerät, aber immer wieder schier genialische Kabinettstückchen entfaltet, die auch heute noch zum Schreien komisch sind.

Über das Episodische hinaus versuchen Hallervorden und Schwabenitzky aber auch, eine einigermaßen kohärente Geschichte zu erzählen und somit eher klassisches Komödienhandwerk zu inszenieren als eine auf Spielfilmformat aufgeblasene Sketchparade auf die Leinwand zu bringen. Sichtlich liebevoll zeichnen sie ihre Figuren, bis hin zu durchaus erinnerungswürdigen Nebenfiguren wie den freundlich-trotteligen Angestellten Poldi von Pösel (Gert Burkard) oder Immers Ehefrau Heidi, von Ruth-Maria Kubitschek konsequent wie aus einem anderen Film gefallen verkörpert und gerade deshalb im Kontrast zu Hallervordens pointiertem Spiel so komisch. Aus dem Tritt gerät Didi – Der Doppelgänger eigentlich nur in jenen Momenten, in denen er sich zu sehr – wohl den Konventionen deutscher Komik in seiner Zeit geschuldet – auf das Terrain des ganz exaltierten Blödelklamauks begibt. Dieses gewinnt leider zum Showdown, der immerhin eine Reihe durchaus aufwendiger Stunts und Autojagden zu bieten hat, immer mehr die Oberhand – aber dennoch ist Didi – Der Doppelgänger ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, dass Didi Hallervordens Kinofilme der 80er Jahre weit mehr zu bieten hatten als ihr heutiger Ruf als anspruchslose Kaspereien vermuten lässt und dringend einer Wiederentdeckung und Neubewertung als wegweisende Werke für eine Erneuerung deutscher Komödientradition bedürfen.

Didi – Der Doppelgänger
(BRD 1984)
Regie: Reinhard Schwabenitzky; Buch: Walter Kempley, Christian Rateuke, Hartmann Schmige, Dieter Hallervorden; Musik: Harold Faltermeyer, Arthur Lauber; Kamera: Charly Steinberger; Schnitt: Clarissa Ambach
Darsteller: Dieter Hallervorden, Gert Burkard, Ruth-Maria Kubitschek, Manfred Lehmann, Elfi Eschke, Tilo Prückner, Winfried Glatzeder u.a.
Länge: 96 Min.

Zur DVD von Turbine Medien

Einer Wiederentdeckung der Filme von Dieter Hallervorden steht nichts mehr im Wege, liegt doch nun (beinahe) das Gesamtwerk des großen deutschen Komikers in liebevoll ausgestatteten und qualitativ makellosen DVD-Editionen vor. Neben den Einzelveröffentlichungen liegt zudem eine große Sammlerbox vor, die alle Spielfilme in den Special Editions beinhaltet und in ein großformatiges, aufwendiges Buch eingebunden ist.

Die zur Rezension vorliegende Special Edition des hier besprochenen Films Didi – Der Doppelgänger enthält neben dem erstmals von einem HD-Master abgetasteten und in hervorragender Qualität erstrahlenden Hauptfilm, der in einem 5.1-Mix, im ursprünglichen Mono-Originalmix sowie in der seinerzeit entstandenen englischen Synchronfassung unter dem Titel Nonstop Trouble with my Double enthalten ist, einiges hochinteressante Zusatzmaterial. Neben einer Reihe von Featurettes zur Entstehung sind vor allem die zwei Audiokommentare sehr erhellend. Neben dem Kurzkommentar mit Regisseur Schwabenitzky und Darstellerin Elfi Eschke gibt es noch einen spielfilmlangen Kommentar mit Hallervorden, Produzent Wolf Bauer, Autor Hartmann Schmige sowie dem Regisseur Peter Thorwarth, der Hallervorden in seinem Film Bang Boom Bang eine wunderbare Hommage erwiesen hatte.

Bild: 1,78:1 (16:9 anamorph)
Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1, Dolby Digital 2.0), Englisch (Dolby Digital 2.0)
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte (in der deutschen Tonfassung), Deutsch (nicht ausblendbar in der englischen Synchronfassung)
Extras: Den gibt’s nur zweimal: Special Effects, Dieter Hallervorden singt den Titelsong bei Wetten, dass..? vom 18.02.1984, Die Evolution des Doppelgängers: Das Drehbuch, Hinter den Kulissen des Audiokommentars, Trailer & Trailershow, Audiokommentar mit Dieter Hallervorden, Producer Wolf Bauer, Autor Hartmann Schmige und Peter Thorwarth, Kurzkommentar mit Regisseur Reinhard Schwabenitzky und Elfi Eschke
FSK: ab 6 Jahren

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