Es lebt schon wieder

Manche Horrorfilm-Motive sind nicht tot zu kriegen – dazu gehören die von den bösen Kindern, wie sich dieses Jahr wieder einmal auf den Fantasy-Filmfest zeigte. Und wenn ein solcher Film auch noch den Titel „It’s Alive“ trägt, dann kann man das auch programmatisch verstehen. „It’s alive“ bildete 1974 den Auftakt zu einer Horrorfilm-Serie des Regisseurs Larry Cohen über bösartige Neugeborene, die er 1978 mit „It lives again!“ und 1987 mit „It’s alive III – Island of the Alive“ fortsetzte. Dass er seinem ursprünglich sehr originellen Motiv in den Fortsetzungen nur noch wenig Neues abpressen konnte, zeigt schon, dass der eigentliche Reiz vor allem in der Novität der Story lag: Ein Baby wird bereits böse geboren und nicht erst nach der Geburt durch schlechte Einflüsse zum Teufelskind, wie in anderen erfolgreichen Produktionen der 1970er Jahre postuliert. Im Jahre 2008 hat das böse Baby seine unrühmliche Wiedergeburt erlebt: „It’s Alive“ von Josef Rusnak kommt nicht nur nicht an seine Vorlage heran, sondern bemüht sich zudem redlich einer der schlechtesten Horrorfilme überhaupt zu sein.

Die Story ist dieselbe wie bei Cohen: Eine junge Frau wird frühzeitig von ihrem allzu schnell gewachsenen Fötus entbunden, der im OP-Saal der Entbindungsstation ein Blutbad anrichtet. Weil die einzige Überlebende, die zu so etwas fähig gewesen wäre, in der Narkose lag und das Baby der Verursacher ja wohl kaum gewesen sein kann, entlässt man Mutter und Säugling – nicht jedoch, ohne die Mutter hin und wieder von einem Psychologen nach dem Ges(ch)ehenen befragen zu lassen. Zu Hause entwickelt sich das Baby schnell zu einem kleinen Tyrann, der Tiere abschlachtet und der Mutter beim Saugen in die Brust beißt. Der Vater bekommt von alledem nichts mit, weil das Kind offenbar ein Engelsgesicht besitzt. Nur sein größerer Adoptiv-Bruder, Bruder des Hausvaters, der seit einem tragischen Autounfall, bei dem beider Eltern starben, im Rollstuhl sitzt, schöpft zusehends Verdacht, dass das Baby schlimmes treibt. Als dann auch noch Menschen verschwinden, die kurz zuvor der Mutter und ihrem Sproß einen Besuch abstatteten, wird die Polizei aufmerksam(er) und versucht dem Teufelchen zusammen mit dessen Vater zu Leibe zu rücken.

„It’s Alive“ macht wirklich so vieles falsch und schlecht, dass man gar nicht weiß, wo man mit der Kritik beginnen sollte. Zunächst einmal wechseln die Tageszeiten und das Wetter innerhalb kurzer erzählter Zeiträume, damit immer die richtige Stimmung herrscht. Da kann es auch schon einmal vorkommen, dass jemand in der Abenddämmerung eine Reise in den nahe gelegenen Ort beginnt und Mittags ankommt. Vielleicht ist das aber weniger ein Problem des Drehbuchs als eines der Montage, denn etliche Szenen stehen so weit auseinander, dass man nur mit einigem Nachdenken dahinter kommt, dass es sich um einen Anschluss an eine frühere Sequenz handeln könnte. Nicht wenige Seitenhandlungen werden angerissen, an bedeutungsschweren Punkten abgebrochen und nie wieder aufgenommen. Irgendwann will das Pärchen zum Beispiel einen Horrorbaby-freien Abend planen und engagiert eine Babysitterin. Die wird zwar vom Vater abgeholt, doch beide kommen nie zu Hause an. In der nächsten Einstellung hat Mutti dann die Idee, dass man ja auch im trauten Heim entspannen könnte und mischt schon den Salat. Von der Kohärenz der Babydarstellung sollte auch nicht geschwiegen werden: Ob das Kind nun niedlich oder wie ein kleines Monster aussieht, hängt ganz davon ab, wie es gerade gebraucht wird – von Verwandlungen ist selbst allerdings nichts zu sehen und darüber gesprochen wird auch nicht.

Regisseur Rusnak und sein Team hatten entweder gar keine Lust einen sinnvollen und fertig anmutenden Film zu drehen oder waren nicht in der Lage dazu. Nach etwa einer halben Stunde verlässt man als Zuschauer entweder die Vorstellung (bzw. schaltet den Film ab) oder wechselt auf eine Metaebene, in der man die Form-Fehler zu zählen beginnt. Der Horror überträgt sich dann nur um so konsequenter vom Motiv auf die Rezeption. Man fragt sich, wie bösartig diese Kopfgeburt noch werden kann, ob zu erwarten ist, dass aus diesem Pruduktionsschoß noch weitere Sprößlinge kriechen werden. Und versuchte man die Nachfolger abzutreiben, entstünden dann – wie der Film behauptet – erst recht neue Monster? Immerhin hatte Cohen ja auch nicht genug nach nur einem Film und musste noch weitere auf die Filmwelt bringen. Dann wieder wird man abgelenkt von der einen oder anderen besonders kruden Idee: Mami säugt das böse Balg und in Detailaufnahme werden ihre zerbissenen Brustwarzen gezeigt – da schimmert die Exploitation eines Cohen dann doch ein wenig durch. Und ein paar Sequenzen später hat die Frau es begriffen und pumpt sich die Milch lieber vorher ab – nicht jedoch ohne auch einen ordentlichen Schuss Brustblut mit ins Fläschchen zu füllen. „Repsekt!“, denkt man sich, und ehe der Gedanke beendet ist, nährt sie das Kind dann doch wieder am eigenen Busen. Viel zu resümieren bleibt beim „It’s Alive“-Remake nicht. Eine eilends abgekurbelte Produktion, die sich an die Retrohorror- und Remake-Trends hängen will, dabei jedoch über wirklich jeden Anfänger-Fallstrick stolpert. Ein Film, der nicht den Speicher wert ist, auf den er digital gedreht wurde.

It’s Alive
(USA 2008)
Regie: Josef Rusnak; Buch: Larry Cohen, Paul Sopocy, James Portolese; Musik: Nicholas Pike; Kamera: Wedigo von Schultzendorff; Schnitt: James Herbert, Patrick McMahon
Darsteller: Bijou Phillips, James Murray, Raphaël Coleman, Owen Teale, Ty Glaser u. a.
Länge: 80 Minuten
Verleih: Kinowelt

Die Blu-ray-Disc von Kinowelt

Diesen Film auf Blu-ray-Disc zu veröffentlichen erfüllt den Tatbestand vor die Säue geworfener Perlen, nur dass die Perlen dieses Mal die Säue sind und die Säue die Perlen. Die Disc ist, wie von Kinowelt gewohnt, ordentlich und die Ausstattung dem niedrigen Preis angemessen. Auf die Live-Features wird man gespannt sein dürfen.

Die Ausstattung im Einzelnen:

Bild: 2,40:1, Auflösung: 1080/24p FULL HD
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch (6.1 DTS-HD Master Audio)
Untertitel: Deutsch
Extras: Audiokommentar, Making of, Interviews, Behind the Scenes, Trailer, Wendecover, BD-Live
FSK: ab 18 jahren
Veröffentlichung: 11. Dezember 2009
Preis: 22,99 Euro

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