»Große Systeme versklaven kleine Systeme.«

In den USA schreibt das so genannte Zoning-Gesetz u. a. vor, dass Häuser in Abhängigkeit ihrer Größe einen bestimmten Abstand zur nächstgelegenen Straße einhalten müssen. Das Wort „Zoning“ klang Mitte der 1980er Jahre für den deutschen Regisseur Ulrich Krenkler wohl futuristisch genug, um einen dystopischen Thriller darum herum zu gestalten. Sein Film „Zoning“, dem damals leider nur sehr wenig Erfolg beschieden war, wirkt aus der heutigen Perspektive und mit ausreichendem historischem Abstand wie ein Markstein der filmästhetischen Möglichkeiten zwischen untergehendem Autorenfilm und aufkommender Breiten-Unterhaltung

Zoning Cover Als das Hochhaus des Stararchitekten Wassily Buckminster-Zech (Dieter Meier) wegen genau dieses Zoning-Gesetzes an einer anderen Stelle als geplant errichtet werden muss, ändern sich nicht nur die Baupläne – es wird auch der Konstrukteur Düe (Norbert Lamla) des Betrugs entlarvt und geht, aufgrund des entzogenen Auftrags Bankrott. Zusammen mit dem für die Elektrik des Hauses verantwortlichen Ozzy (Hubertus Gertzen) verschafft sich Düe die Pläne des ersten Bauentwurfs und entdeckt darin einen Raum, der in den neuen Plänen nicht mehr verzeichnet wird. Als das Haus fertig gestellt und komplett bezogen ist, verbergen sich die beiden in diesem Raum und unternehmen von dort aus vier Tage lang Raubzüge, bei denen sie Firmenangestellte in den Fahrstühlen, Büros und andernorts überfallen. Aufgrund ihrer genauen Kenntnis der beinahe lückenlosen Überwachungsanlage gelingt es ihnen, unentdeckt zu bleiben. Einzig die Idee Ozzys, in die zentrale Computerdatenbank einzudringen und die Hochhausleitung auf diesem Wege zu erpressen sowie die Aufmerksamkeit eines Putzmädchens (Veronika Wolff) gefährden den Coup der beiden Räuber.

ZoningEs ist noch nicht zu lange her, um das Unbehagen gegenüber der stetig zunehmenden Durchtechnisierung des Alltags in den 80er Jahren nachzuempfinden. In „Zoning“ treffen etliche der damaligen Befindlichkeiten aufeinander und bilden das durchaus ambivalente Verhältnis der Gesellschaft zur Technologie ab: Auf der einen Seite die schier unendlichen Möglichkeiten, die sich aus der Computertechnologie, dem Video und der Urbanisierung ergeben, auf der anderen Seite die immer wieder aufkeimende Frage, ob nun der Mensch die Technik oder diese den Menschen beherrscht. In „Zoning“ kulminiert diese Frage in der archaischen Weise des Raubüberfalls, bei dem sich die Täter nicht nur prä-technologischer Mittel (etwa einer Bolzenschuss-Pistole) bedienen, sondern auch noch geplant ungeplant vorgehen, so dass die Überwachungselektronik des Hochhauses keinen Algorithmus in ihrem Handeln entdecken kann. Die Banditen begehren mit ihrem Tun also nicht allein gegen das Kapital auf (dass sich hinter den Raubzügen weit mehr als nur Gewinnsucht verbirgt, offenbart der Film gegen Ende), sondern gegen die conditio humana jener Zeit.

ZoningWie kaum einem anderen deutschen Film jener Zeit gelingt es Krenklers „Zoning“ den Stil der 1980er Pop-Ästhetik (zumindest wie sie hierzulande erlebbar war) auf den Punkt zu bringen. Angefangen bei der Bildgestaltung, die jenes kühle, Neonlicht-geschwängerte Ambiente erscheinen lässt, über die Figuren, prototypische Neo-Dandies jener Zeit (mit dem „Yello“-Musiker Dieter Meier, einer Stil- und Musik-Ikone der 80er) bis hin zum Soundtrack von Tangerine Dream, deren treibende Synthie-Klangteppiche und E-Persussion-Wirbel zeitlos futuristisch wirken und es doch nicht sind. Denn der Futurismus von „Zoning“ war schon damals eigentlich keiner mehr. Eher eine Mischung aus Gegenwartsresignation und Zukunftsoptimismus (wie er sich etwa immer wieder in der Musik von Kraftwerk findet) ist das Programm des Films.

ZoningDass „Zoning“ nun wieder zugänglich ist, ist hocherfreulich, denn die tadellose Aufbereitung auf DVD ermöglicht einen gleichermaßen nostalgischen wie mentalitätsgeschichtlich-kritischen Blick in das Entstehungsjahr 1986. Diese bestimmte Form von „Langeweile“, die selbst in den schnell montierten Action-Sequenzen, vor allem aber in der coolen Faszination der die Hochhaus-Architektur und Skyline immer wieder abfahrenden Kamera öffnen ein Zeitfenster in jene Stilepoche, die trotz aller Retro-Experimente nicht wiederbelebbar ist, weil eben der Zeitgeist nicht nicht zurückkehrt. Er spukt vielmehr allein in jenem (Erinnerungs)Raum des Zuschauers (wenn er denn Erinnerungen an diese Zeit hat), der sich jeder Topografisierung entzieht.

Zoning
(Deutschland 1986)
Regie & Buch: Ulrich Krenkler; Buch: Angelika Hacker; Kamera: Nikolaus Stermeht; Schnitt: Ute Albrecht; Musik: Tangerine Dream
Darsteller: Hubertus Gertzen, Norbert Lamla, Dieter Meier, Eleonore Weisgerber, Veronika Wolff u. a.
Länge: 81 Minuten
Verleih: epiX

Die Ausstattung der DVD:

Sprachen: Deutsch
Audio: Stereo 2.0
Bildformat: 4:3 Letterbox
Ländercode: 2 PAL
Specials: Originaltrailer, Internationaler Trailer; Biografien; Was ist Zoning?; Drehbericht; Reportage: KinoKino „Zoning“ (ca. 6 Min.); Audiokommentar; Interview mit Ulrich Krenkler; Trailershow
Preis: 19,99 Euro
FSK: ab 16 Jahren

Diese DVD bei Amazon kaufen.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.