Acht Kugeln durch den Kopf

„Mein liebster Feind“ ist ein Film über Klaus Kinski. Ein Film, der sich zwar nicht vornimmt, die Biografie dieses Ausnahmekünstlers zu bebildern, der jedoch Ausschnitte aus dessen Werk bringt, zusammen mit Aussagen von Schauspielern, die es mit ihm „zu tun hatten“. Kinski – der am 22.11.1991 in der Nähe von Los Angeles im Alter von 65 Jahren gestorben ist – ist einer der Schauspieler, um die sich schon zu Lebzeiten Mythen rankten. Er soll sexbesessen, egomanisch, exzentrisch, egozentrisch, größenwahnsinnig, überheblich, gefährlich, jähzornig, ja sogar tobsüchtig gewesen sein. Sicherlich ist vieles von dem, was über Kinski behauptet wird und wurde nicht mehr als ein Gerücht, mit dem eine Person, die sich so häufig total offenbarte und dadurch immer undurchschaubarer geworden war, überhöht werden soll. Eines ist jedoch sicher: Kinski ist einer der ganz wenigen deutschen Schauspieler gewesen, die es zu Weltruhm gebracht haben. Verholfen haben ihm dazu sicherlich die Rollen, die er in den Edgar-Wallace-Filmen der 60er Jahre gespielt hat. Beeinflusst dürfte sein Ruhm sicherlich auch durch die fast unzählbaren Auftritte in Italowestern von den 60ern bis in die 80er gewesen sein. Mit Sicherheit hat aber Werner Herzog, der mit Kinski fünf Filme inszeniert hat (Aguirre – Der Zorn Gottes (D 1972), Fitzcarraldo (D 1980), Nosferatu (D 1979), Woyzeck (D 1979) und Cobra Verde (D 1988)), einen enormen Beitrag zur Popularität Kinskis beigetragen.
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Eraserhead

Es geschieht einem wohl nicht oft, dass man behaupten kann, ein Film habe das eigene Leben verändert oder doch zumindest auf dessen weiteren Verlauf wesentlichen Einfluss genommen. Von David Lynchs ‚Eraserhead‘ kann ich das jedoch ohne Weiteres Behaupten: Ich erinnere mich, dass ich das erste Mal auf diesen Titel 1987 in der damaligen Szene-Zeitschrift ‚Wiener‘ gestoßen bin. Diese kürte ‚Eraserhead‘ nämlich seinerzeit zu einem Vertreter der ‚100 strangest films ever made‘. Gesehen habe ich ihn dann aber erst acht Jahre später, nämlich als er im Oktober 1995 einmal auf ARTE gezeigt wurde. Der Vorspann von ARTE verkündete zudem: ‚Der folgende Film könnte das moralische Empfinden einiger Zuschauer verletzen.‘ Es schien also eine vielversprechende Anderhalbstunde zu werden. Was im weiteren Verlauf des Abends mit mir geschehen ist, weiß ich heute nicht mehr genau. Nur noch, dass ich nach dem Sehen von ‚Eraserhead‘ wie paralysiert dagesessen habe – und mich eigentlich bis heute nicht von dieser Erfahrung ‚erholt‘ habe. ‚Eraserhead‘ war meine erste Begegnung mit David Lynch und führte mit dazu, dass ich das Studienfach wechselte, mich später umfangreicher mit seinem Werk auseinander setzte, mehrere Seminararbeiten über Lynch (natürlich auch eine über ‚Eraserhead‘) schrieb und schließlich sogar meine Abschlussarbeit über das postmoderne Kino David Lynchs anfertigte und als Buch veröffentlichte. Und angefangen hatte das mit ‚Eraserhead‘.

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Buena Vista Social Club

Als einem der Popkultur abgewandten Liebhaber des guten alten Neuen Deutschen Films war mir natürlich nicht bekannt, welche Band derzeit die Verkaufscharts des Plattenhandels anführt. So erschien mir Wim Wenders‘ aktueller Film „Buena Vista Social Club“ denn auch nur ein weiteres interessantes Filmexperiment eines der letzten wirklich aktiven Filmemacher aus jener Zeit, in der Schlöndorff, Kluge, Herzog, Straub und Fassbinder noch gutes deutsches Kino boten.
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„I want to apologize“

… to Mike’s mom and Joshes‘ mom and my mom and I’m sorry to everyone.“ Dieser Satz bildet den Anfang von Heathers Videotestament in Blair Witch Project, einem der Kinohöhepunkte des vergangenen Jahres. Blair Witch Project war lange vor dem Kinostart in den USA bereits in aller Munde, denn die beiden Regisseure Myrick und Sanchez hatten alle Register gezogen, um für ihre coming attaction zu werben. Und so war der Film, der in der Produktion abenteuerlich günstig gewesen ist, bald der erfolgreichste aller Zeiten (setzt man die Einnahmen zu den Ausgaben ins Verhältnis). Und nicht zu unrecht: Als Geheimtipp galt die Geschichte und wurde oft weiter empfohlen als „der gruseligste Film aller Zeiten“, der selbst hartgesottenen Zombiefilmfans noch Angst und schrecken einjagt.

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A Bug’s life

… roughly translated: Das große Krabbeln ist nach Toy Story (USA 1995) der zweite vollständig computeranimierte Langfilm Disneys. Eigentlich wollte man im Verbund mit Pixar (der Firma des Chefs Steve Jobs) seinen vollständig computeranimierten Film noch vor dem Konkurrenzprodukt Antz (USA 1998) aus dem Hause Dreamworks in die Kinos bringen. Warum es nicht geklappt hat – es hätte für Disney immerhin ein immenses weihnachtliches Zubrot bedeutet – kann nur vermutet werden. Denn viel aufwendiger als in Antz sind die Animationen nicht. Sicher ist jedoch, dass aufgrund der kurzen Abfolge der beiden Filme ein Vergleich nicht nur von Seiten der Produktion, sondern wohl auch der Zuschauer und Kritiker angestrebt ist. „A Bug’s life“ weiterlesen

Still.

Damit lässt sich Claude Chabrols neues Kriminaldrama „Die Farbe der Liebe“ wohl am ehesten charakterisieren. Und in dieser Stille unterscheidet es sich auch kaum von den anderen Filmen Chabrols, wie z. B. „Die Phantome des Hutmachers“ (1982) oder „Der Schlachter“ (1969). Ja, es führt geradezu eine Linie durch das Werk des Mitbegründers der Nouvelle Vague, durch nun mittlerweile 50 Filme, hin zu „Die Farbe der Lüge“. Eine Linie, die man bei so vielen Regisseuren der Gegenwart vermisst: eigener Stil.

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Es lebe das neue Fleisch

Nachdem David Cronenberg mit Crash (1996) vorläufig seinen Höhe- und Endpunkt im Erzählen menschlicher Tragödien und Allegorien des Zerfalls erreicht hatte, betritt er mit eXistenZ nun wieder altbekanntes Terrain: Horrorkino. Der Film ist dabei dem Thema verpflichtet, dem er seit seinem Debütfilm Shivers (1975) treugeblieben ist, und das sich mit den Worten Vaughans – einem Protagonisten aus Crash – ungefähr so formulieren ließe: „Die Umwandlung des menschlichen Körpers durch die moderne Technologie“.
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Ginger & Rocky

Dass man über Gefangenenlager-Filme auch lachen soll, hat nach der TV-Serie „Ein Käfig voller Helden“ abermals Roberto Benigni eingefordert. In Das Leben ist schön (I 1997) hat er eine Kleinfamilie in ein deutsches Konzentrationslager verfrachtet, wo nun der Vater darum bemüht ist, seinen Sohn von der Unmenschlichkeit der Situation zu verschonen. Das ganze nahm einen tragischen Ausgang. Ein wenig freundlicher – wohl auch weil ironischer – geht es da schon in Chicken Run zu: Eine technisch völlig überholte Eierfarm, in der die Hennen wie in einem Gefangenenlager gehalten werden, soll in einen rentablen Mastbetrieb umgewandelt werden. Dass es dem lieben Vieh dabei an die Federn geht, ist allen schnell klar; und so ersinnt die eifrige Henne Ginger einen Fluchtplan nach dem anderen. Als alle Pläne fehlschlagen und die Hühner schon auf- und sich in ihr Schicksal ergeben wollen, landet plötzlich der Zirkushahn Rocky auf dem Gelände. Ginger, die ihn bei seinem spektakulären Flug beobachtet hat, sieht in Rocky die letzte Chance, sich und ihre Kolleginnen aus der Farm zu befreien und hinüber zum grünen Hügel zu fliegen. Daher trifft sie mit Rocky ein Abkommen: Wenn er ihnen das Fliegen beibringt, verstecken sie ihn vor den ihn suchenden Zirkusleuten. Hier nun beginnt der eigentliche Film, der das verkrampfte Bemühen des Federviehs zeigt, fliegen zu lernen, sich an den feschen Rocky ranzuschmeißen und nebenher den Fortgang der Umwandlung der Farm in eine Tötungsanstalt zu vereiteln. Mehr als einmal wird der Bau der Maschine sabotiert, die aus lebendigen Hühner wohlschmeckende Pastete zu machen verspricht. Ein Wettlauf gegen die Zeit. „Ginger & Rocky“ weiterlesen

Arnold Schwarzenegger im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit

Die Frage nach dem filmischen Original hatte Walter Benjamin bereits 1936 geklärt: In einer Maschinerie, wie der Medienproduktion, die von Vervielfältigung lebt und deren Produkt immer schon das „Negativ“ ist, bleibt die Frage nach der Echtheit obsolet. Knapp 40 Jahre später griff Jean Baudrillard das Problem ein weiteres Mal auf, jedoch nun in Hinblick auf die medial überflutete Gesellschaft. Auch seine Frage nach dem „Original der Information“ wurde negativ beantwortet und werfen darüber hinaus Zweifel am Begriff der „Wirklichkeit“ auf. Das 20. Jahrhundert scheint also als eine Epoche der Fälschung, der Kopie, der Simulation entlarvt worden zu sein. Derlei Befunde können sich mittlerweile von den neuesten Errungenschaften der Biotechnik bzw. Gentechnik bestätigen lassen. Kopien lassen sich nicht mehr nur von Medien herstellen, sonder mittlerweile auch von „Individuen“ – und zweifeln damit allein schon den Begriff des Individuellen in seiner ursprünglichen Bedeutung – der Unteilbarkeit – an.

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Kinder des Schattens

Dass jeder Film neben seiner Geschichte auch von der Bedingung seiner Möglichkeit erzählt – mal offensichtlich, mal zwischen den Bildern – ist hinlänglich bekannt. So ist jedes Melodram gleichzeitig Stellvertreter und Vorreiter für sein Genre, genau wie jeder Western und natürlich auch jeder Horrorfilm. Den Horrorfilm knüpfen darüber hinaus engere Bande an seinen materiellen Träger und damit an den Apparatus des Kinos als alle anderen Genres. Stellen doch Erzählung und Medium in ihm gleichzeitig ihre Substanz aus Licht und Schatten aus, die einander bedrohen und bei denen die Anwesenheit des einen die Abwesenheit des anderen bedeutet: Ein hell erleuchteter Kinosaal verunmöglicht die Projektion genau so wie ein überbelichteter Filmstreifen. Vampire, künstliche Menschen, Werwölfe – auch sie sind abhängig von der Dunkelheit und fürchten das Licht.

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