Still.

Damit lässt sich Claude Chabrols neues Kriminaldrama „Die Farbe der Liebe“ wohl am ehesten charakterisieren. Und in dieser Stille unterscheidet es sich auch kaum von den anderen Filmen Chabrols, wie z. B. „Die Phantome des Hutmachers“ (1982) oder „Der Schlachter“ (1969). Ja, es führt geradezu eine Linie durch das Werk des Mitbegründers der Nouvelle Vague, durch nun mittlerweile 50 Filme, hin zu „Die Farbe der Lüge“. Eine Linie, die man bei so vielen Regisseuren der Gegenwart vermisst: eigener Stil.


Chabrols Geschichte ist in der französichen Küstenstadt St. Malo angesiedelt. Dort wird die Leiche eines zehnjährigen Mädchens im Wald gefunden. Das Kind wurde nach dem Zeichenunterricht auf dem Heimweg im Wald vergewaltigt und erdrosselt. Für die frischgebackene Kommissarin Frédérique Lasage (Valeria Bruni-Tedeschi) deuten alle Spuren auf den Lehrer René (Jacques Gamblin) hin. René ist ein erfolgloser Landschaftsmaler, dessen Karriere nach einem Unfall in den 80er Jahren einen Knick bekam und den es zusammen mit seiner Frau Viviane (hervorragend gespielt von Sandrine Bonnaire) aus Paris in das Küstenstädtchen trieb. René findet kein Alibi außer einem Rugby-Spiel, das er sich im Fernsehen angesehen haben will. Und als nach und nach alle in St. Malo glauben, dass er der Mörder ist, hält Viviane als einzige noch zu ihm. Doch über beider Ehe schwebt ebenso Gefahr: Der Erfolgsschriftsteller Desmont (Antoine de Caunes) stellt Viviane nach und schafft es schließlich, sie zu verführen. Als auch er eines Morgens tot aufgefunden wird, nachdem René ihn nach einem Abendessen zu dritt volltrunken nach Hause transportiert hat, scheint der Fall klar.

Chabrol erzählt uns diese Geschichte in ruhigem, fast schon lethargischem Tempo. Die Schauspieler wirken seltsam „echt“ und unkonventionell, weil die Charaktere dem Krimiklischee keine Chance lassen. Ja, eigentlich ist Die Farbe der Lüge weder ein typischer Krimi, noch ein typisches Drama. Nichts lässt sich im Voraus ahnen und zu jeder Zeit tappt der Zuschauer genauso im Dunkeln, wie die Figuren des Films. Mit subtilem und dennoch bissigem Spott auf die Oberschicht (hier vertreten durch den selbstverliebten Schriftsteller und Journalisten Desmont) bebildert Chabrol seine Lügenfarben. Und obwohl nach und nach alle Protagonisten (zu) lügen (gezwungen werden), führt dies zu keiner Zeit dazu, dass die Symphatie für sie verloren geht. So ist Am Ende zwar niemand in dem kleinen Städtchen mehr unschuldig (das 8. Gebot!), doch das Gute triumphiert.

Bleibt noch eine Frage: Ist die Farbe der Lüge Blau? Dies drängt sich geradezu auf, denn an blauen Dingen ist Chabrols Film reich; Blau ist die einzig wirkliche Farbe im Film. Ansonsten sind die Bilder in matten, immer etwas zwielichten Dämmer getaucht. Eine Düsternis, die jene – für Chabrol so typische – bedrohliche Atmosphäre schafft. Eine Atmosphäre, in der jeder irgendwie verdächtig aussieht. Selbst zum Ende hin, als sich alles – zur völligen Überraschung der Kommissarin (und auch des Zuschauers) – aufklärt, weicht dieses Unbehagen nicht und man verlässt das Kino mit einer leichten Unruhe und den Wissen: Chabrol hat es wieder einmal geschafft.

Die Farbe der Lüge
(Au Coeur du Mensonge)
F 1998
Regie: Claude Chabrol,
Kamera: Eduardo Serra,
Musik: Matthieu Chabrol,
Darst: Andrine Bonnaire, Jacques Gamblin, Valeria Bruni-Tedeschi, Bernard Verley u. a.
Länge 112 Min., Verleih: Prokino

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