Im Zentrum des neuen Derrida-Films steht immer die Frage des »Wer oder Was«. Sowohl bei den Valenzen der Liebe als auch bei denen der Vergebung: Lieben wir jemanden oder lieben wir jemanden für etwas? Vergeben wir jemandem oder vergeben wir jemandem etwas? Diese Frage, die nach Subjekt oder Objekt, dominiert Derridas Überlegungen im Dokumentarfilm Derrida.
»The Retina of the mind’s Eye«
In seiner einhundertjährigen Geschichte haben der Film (1) und seine Autoren stets versucht, den Nimbus der bloßen Unterhaltungsware abzulegen. Eines der nachhaltigsten Ergebnisse dieser Bemühung war, dass nach dem zweiten Weltkrieg zwischen Unterhaltungs- und Kunstfilm unterschieden wurde. Die Theorien der „Neuen Wellen“ haben aber nicht „ausgegrenzt“, sondern den vormals als Unterhaltung per se diskreditierte Genrefilm ebenfalls vom Verdacht befreit, anspruchslos zu sein: Die Western John Fords oder die Thriller Alfred Hitchcocks sind zwei Beispiele von hochgradig reflektierendem Autoren-Genre-Kino. Hinter der Differenzierung von ernstem und Unterhaltungsfilm scheint ein besonderes Ansinnen zu stecken: Der Autorenfilm soll nicht allein gefallen, sondern Intention oder doch wenigstens Bedeutung transportieren, die dem Zuschauer dann auch jenseits der Kinomauern „nützt“.
Filmphilosophie.
Jacques Derrida ist tot. Als diese Ausgabe der F.LM in Planung war, ja sogar, als das Cover schon entworfen war, hat er noch gelebt. Daher will es der Zufall, dass das Thema der Ausgabe auch eine Art »Nachruf« auf den vielleicht wichtigsten Philosophen der Gegenwart geworden ist.
Wie der Vater so der Sohn
Der spanische Grusel-/Horrorfilm hat in den vergangenen Jahren ein ganz eigenes Gesicht bekommen. Fast so etwas wie eine narrative und visuelle Tradition hat sich heausgebildet. Daher sind sich Balaguerós The Nameless oder Amenábars The Others und jetzt Darkness in ihrer Handschrift recht ähnlich. Hauptmerkmal ist vor allem eine Rückbesinnung auf die Motive der Gothic Novel und eine recht originelle visuelle Präsentation des Unheimlichen. „Wie der Vater so der Sohn“ weiterlesen
Unterwegs zur Sprache
1974 befand sich Werner Herzog am Beginn seiner Karriere. Mit Aguirre – Der Zorn Gottes (1973) war ihm der Durchbruch als international gefeierter Autorenfilmer gelungen, der selbst unter größten Schwierigkeiten und Gefahren für Leib und Leben Filme drehen konnte – ja, musste, wenn man seinen Worten glauben möchte. Jeder für sich und Gott gegen alle – Kaspar Hauser hat ihn zurück nach Europa geführt, wo er eine Reihe „radikaler Heimatfilme“ inszenierte: Nach Kaspar Hauser folgten Herz aus Glas, Stroszek, Nosferatu und Woyzek. Bis auf Stroszek allesamt Stoffe die auch sehr von den europäischen Landschaften zehren. „Unterwegs zur Sprache“ weiterlesen
Der erotische Film
Es ist eine gewisse Freude, mitansehen zu dürfen, dass sich die ehemals „schmuddeligen“ Filmgenres Sexfilm, Pornofilm und Horrorfilm nun nach und nach in den Betrachtungen kulturwissenschaftlicher Seminare und Tagungen wiederfinden. Stellt sich doch ein Verständnis der Kultur nicht in den hohen Sphären künstlerischen Schaffens, sondern gerade „in der Trivialität“ (Engell) ein. Und so haben sich die Untersuchungen zum Erotik- und Pornofilm von den zuvor häufig ideologisch-feministischen Perspektiven abgewandt und stellen nun multiperspektivisch Fragen an das Genre. Doch an den Anfang der Auseinandersetzung mit der Interpretation sollte auch hier die Auseinandersetzung mit dem Film und seinen filmografischen Daten stehen, damit die empirische Basis der Untersuchung stimmt. Bei Königshausen und Neumann ist vor kurzem ein Sammelband zum „erotischen Film“ erschienen, der diese Notwendigkeit leider nicht immer ganz beherzigt.
„Der erotische Film“ weiterlesen
Der Nebel kommt immer wieder
Antonio Bay ist ein Fischerstädtchen an der kalifornischen Küste mit Kirche, Krämerladen und sogar einem eigenen Radiosender, der in einem alten Leuchtturm untergebracht ist. Doch wie so viele Kleinstädte im Horrorfilm wird auch die Idylle von Antonio Bay durch ein dunkles Geheimnis kontrastiert: Vor einhundert Jahren lockten sechs habgierige Strandpiraten durch ein falsches Leuchtfeuer ein ein mit Gold beladenes Schiff in die Klippen. Die Mannschaft ertrank und das Gold wurde ich der Kirche des noch jungen Ortes versteckt. Kurz vor der 100-Jahr-Feier passieren seltsame Dinge in Antonio Bay. Wie von Geisterhand bewegen sich Gegenstände und Möbel, Autos beginnen zu hupen, obwohl niemand darin sitzt und ein Fischkutter gerät in einen plötzlich aufziehenden Nebel und kehrt nicht mehr zurück in den Hafen. Als man das Schiff am nächsten Tag vor der Küste treibend findet, sind fast alle Seeleute davon spurlos verschwunden – nur eine Leiche, die aussieht, als hätte sie bereits Jahre lang unter Wasser gelegen gibt Rätsel auf. Doch diese Rätsel zu lösen bleibt keine Zeit. Denn der Nebel, der das Schiff verschlungen hatte, bewegt sich nun auf Antonio Bay zu. In ihm sind die Geister des vor hundert Jahren versenkten Schiffes und sie fordern ihr Gold zurück … und Rache. „Der Nebel kommt immer wieder“ weiterlesen
Sieh, was von der Welt noch übrig ist …
Das Zombiefilm-Genre ist ein dankbares Feld, um die eigenen filmerischen Fähigkeiten zu erproben. Zu den ersten deutschen Horror-Undergroundproduktionen gehörten Zombiefilme wie „Zombie 90 – Extreme Pestilence“ , mit dem Andreas Schnaas 1990 debütierte. Die stillschweigende Überinkunft der Horrorfilmfans, die selbst zur Kamera greifen, scheint es seither zu sein, dass das Schaffen mit einem Film über Untote eingeweiht werden muss. Nun hat Jens Wolf mit „Noctem“ ebenfalls das Parkett betreten. „Sieh, was von der Welt noch übrig ist …“ weiterlesen
Glaubensbekenntnis
Es ist einer der ältesten Stoffe der Kinogeschichte – doch der Plot ist nicht nur deswegen hinreichend bekannt: Die Passion Chrsti. Die vier Evangelien des Neuen Testaments erzählen die letzten Stunden im Leben Jesus Christus’. Die Schilderungen darin sind bislang obligatorisch für jeden Jesusfilm gewesen, geht aus ihnen doch das zentrale Motiv des Christentums hervor, dass einer für die Sünden aller gestorben und wieder auferstanden ist. Einer im Wortsinne „dogmatischen“ Interpretation des Leidensweges bis zur Wiederauferstehung folgt Mel Gibsons dritter Spielfilm, bei dem er nicht nur selbst Regie geführt hat, sondern auch das Drehbuch mitschrieb und produziert hat. Gibson, der mehrfach betont hat, dass sein Film eine „christliche Überzeugungstat“ für ihn darstellt, verlässt sich dabei voll und ganz auf die Aura und das mythische Potenzial seines Stoffes … und versagt.
Fantasy & Märchen
Nachdem der Reclam-Verlag im letzten Jahr bereits zwei Bände in seiner „Filmgenres“-Reihe herausgegeben hat (Western und Science Fiction), ist nun der dritte von insgesamt zehn Bänden zum Fantasy- und Märchenfilm erschienen.
Medienwirkungen
Der Sinn der Medien ist es zu wirken. Informationen sollen zum Nutzer gebracht, Emotionen ausgelöst, Einstellungen geändert und Handlungen forciert werden. Soweit zur Sichtweise der Medienproduktion. Aber was kommt beim Nutzer an und wie „wirken“ Medien und ihre Inhalte tatsächlich? Welchen Einfluss auf das Weltbild und das Verhalten haben Medien? Diese Fragen beschäftigen die sozialwissenschaftliche Medienwirkungsforschung, von der oftmals nur die Frage der „Gewaltwirkung“ als Spitze des Forschungseisberges wahrgenommen wird. Im Westdeutschen Verlag ist nun die zweite Auflage von Michael Jäckels Studienbuch „Medienwirkungen“ erschienen, die eine Einführung in die Theorie(n) und einen Abriss der Forschungsgeschichte liefert.
Gelée Royale
Bei den Bienen entscheidet die Ernährung, ob aus einer Larve eine Arbeiterin, eine Drone oder sogar eine Königin wird. Letztere muss mit dem Gelée royale gefüttert werden, um an die Spitze des Bienenvolkes zu gelangen: Diese Substanz allein holt das Edelste aus ihren Genen hervor und lässt die künftige Königin entstehen. Bei filmischen Sequels – zugegeben: der Sprung ist etwas gewagt – funktioniert das leider nicht ganz so einfach: Hier reicht es eben nicht, dass sich der Nachfolger, der filmische Abkömmling, einfach die besten und erfolgreichsten Ingredenzien seines Prequels einverleibt, um diesem selbst in nichts nachzustehen … und erst recht nicht, wenn es sich dabei um ein zweifelhaftes Erbe handelt. „Gelée Royale“ weiterlesen
Michael-Verhoeven-Box
Michael Verhoeven ist eine Ausnahmeerscheinung des deutschen Nachkriegsfilms. Obwohl er nie zur Gruppe des „Neuen Deutschen Films“ gezählt hat, hat er deren Ablehnung eines von „Vatis Vorstellungen“ beherrschen Filmschaffens geteilt und ebenso zeitgeschichtliche Probleme in seinen Filmen adaptiert, wie Schloendorff, Fassbinder oder Kluge. Und dabei ist es zu so manchem öffentlichkeitswirksamen Eklat gekommen, der die von den Regiekollegen geforderte politische Bedeutung des Filmschaffes unterstrichen hat: 1970 wurde wegen seines Films „O.K.“ zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte der Berlinale der Wettbewerb gestoppt und die Jury trat zurück. Grund: Verhoeven hatte in seinem Film einen authentischen Fall, in dem US-Soldaten eine junge Vietnamesin gefoltert und anschließend erschossen haben, in den bayrischen Wald verlegt und damit den Zuschauern zu verstehen gegeben, dass der Vietnamkrieg näher sei, als man zu glauben wagte. 1982 erreichte Verhoeven mit seinem Film „Die weiße Rose“, dass der Bundesgerichtshof die Urteile des Volkgsgerichtshofs aufhob und damit die Opfer der NS-Justiz endlich rehabiliterte. Verhoevens Reputation als Regisseur gründet jedoch nicht allein auf der politischen Brisanz seiner Stoffe. Mit seinem 1990 erschienen Film „Das schreckliche Mädchen“ erhielt er Nominierungen für den Golden Globe und den „Oscar“ als bester ausländischer Film. „Michael-Verhoeven-Box“ weiterlesen
Kunst.
R.I.P – Rest in Peace: Das gilt für den Suizidanten Robert aus Nekromantik 1 nicht. Denn die letzte Einstellung des Films hatte bereits verraten, dass sich jemand an seinem frischen Grab zu schaffen macht. Es ist – das erfahren wir im Sequel Nekromantik 2 von 1992 – die nekrophile Krankenschwester Monika. Sie nimmt den verwesenden Leichnam mit sich nach Haus um sich sexuell an ihm zu befriedigen. Als dies nach einiger Zeit nicht mehr möglich ist, trennt sie sich von ihm – behält nur den Penis und den Kopf zurück. Dann lernt sie den Pornofilm-Synchronsprecher Mark kennen. Beide verlieben sich ineinander und obwohl Mark die Vorlieben Monikas für Tier-Schlacht-Filme und ihre sexuellen Praktiken (er soll sich beim Beischlaf nicht bewegen) eigenartig findet, glaubt er doch an die große Liebe. Monika hingegen ist nur auf der Suche nach einem neuen Körper. Im Finale des Films schließlich tötet sie Mark beim Sex und ersetzt seinen Kopf durch den des Leichnams Robert. „Kunst.“ weiterlesen
Drei Punkte nach der Sexualtheorie
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der Psychoanalyse wird durch zweierlei erschwert: Zum ersten durch die Tatsache, dass die wesentlichen Paradigmen der Theorie nicht falsifizierbar sind – was die Psychoanalyse zu einer Art Metaphysik der Seele macht; zum Anderen dadurch, dass deren Begründer Sigmund Freud die Psychoanalyse wie eine Religion gegründet und verbreitet hat: Eine eigene Schule mit Eingeweihten und Exkommunizierten, für Wissenschaften der unübliche Verbreitungsweg. Diese beiden Tatsachen sind der Grund dafür, dass die Psychoanalyse innerhalb der Psychologie sehr kontrovers diskutiert wird. Kritische Diskussionen und Einführungen scheinen also notwendig, um zu klären, wo die speziellen Leistungen und Schwächen der Theorie sind.
Tradition of Terror
Was ist der Sinn eines Remakes? In einer Zeit, in der mediale Inhalte nahezu jeden Alters für jeden frei verfügbar sind, kann es wohl kaum allein um deren aufheben (im Hegelschen Sinne: bewahren/beseitigen/erhöhen) gehen. Eine weitere (vierte) Bedeutung kommt ihm zu: die kulturelle Analyse. Das Remake funktioniert als eine Art Sozial- und Mentalitätsgeschichte seiner Quelle und deren Entstehungsgeschichte. Gerade im Film wird daher der Blick des Zuschauers nicht selten zu einem kontemporären Blick auf die Epoche aus der das Original stammt. Im Fall von The Texas Chainsaw Massacre sind es die frühen 1970er Jahre; eine Zeit, die gemeinhin als Übergangszone der hochpolitisierten späten 60er in die individualistischen 80er Jahre angesehen wird. Ein Zwischenstadium, das in der Rückschau vor allem oft mit Orientierungslosigkeit gekennzeichnet wird (vgl. die Monologe von Raoul Duke in Fear and Loathing in Las Vegas). Das Remake von Tobe Hoopers Texas Chainsaw Massacre aus dem Jahre 1974 richtet seinen Blick vor allem auf den Aufbruch gesellschaftlicher Mikrostrukturen. Ein Ergebnis der politische Kritik an den überkommenen Strukturen von Familie (Stichwort: Kommunen, freie Liebe) und eine Vorbereitung auf die zunehmende Individualisierung. „Tradition of Terror“ weiterlesen
Im Kino gewesen …
Die Frage, was wohl zuerst dagewesen ist: das Huhn oder das Ei, stellt sich, auf Literatur und Film bezogen, nicht. Interessanter wird es da schon, wenn man nachzuweisen versucht, dass das Huhn tatsächlich ein Ei gelegt hat. Ist der Film eine vielleicht sogar notwendige stilistische Fortschreibung der Literatur, sozusagen ihr modernistischer Appendix?
Redundanz
Nicht erst, aber vor allem seit Matrix ist der Genrefilm wieder interessant geworden für die Philosophie. Die Konzepte, die sich vor allem im fantastischen und besonders im Science Fiction-Film finden, eröffnen dem geneigten Betrachter Anknüpfungspunkte zu philosophischen Debatten. Die hängt natürlich zum einen damit zusammen, das die „Science“ im Science Fiction nicht von ungefährt kommt; zum Anderen reagiert die Produktion auf ein intelligenteres, medien- und selbstbewusstes Publikum mit höheren Ansprüchen, die nicht zuletzt im Verarbeiten philosophischer Gedanken Eingang in den Film finden.
authentes
Das Medium ist als solches nicht nur Mittler zwischen Kommunikationspartnern – es ist bei den technischen Medien auch die Membran zwischen Rezipient und Ereignis zwischen Realität und Medialität. An dieser Membran entsteht die Frage des Authentischen und wird zu einem gravierendem Problem. Denn ob wir den Medien ihre Inhalte „glauben“ hängt nicht allein von unserem Weltwissen ab, sondern auch von den Manipulationsabsichten der Medienmacher.
Theorien der Medien
Aus dem Korpus der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften schält sich langsam ein fest eingrenzbarer Bereich der Medienwissenschaften heraus, der zwar transdisziplinär und methodisch vielfältig angelegt ist, jedoch durch seinen Fokus auf die Medien innerhalb der traditionellen Theorien neue Zusammenhänge stiftet. Für die universitäre Vermittlung dieser Medienwissenschaften als eine Disziplin ist es damit unerlässlich geworden, die disparaten Theoriemodelle aus diesem Fokus heraus zu vermitteln. Ein idealer Ansatz für ein Lehrbuch.

