Gelée Royale

Bei den Bienen entscheidet die Ernährung, ob aus einer Larve eine Arbeiterin, eine Drone oder sogar eine Königin wird. Letztere muss mit dem Gelée royale gefüttert werden, um an die Spitze des Bienenvolkes zu gelangen: Diese Substanz allein holt das Edelste aus ihren Genen hervor und lässt die künftige Königin entstehen. Bei filmischen Sequels – zugegeben: der Sprung ist etwas gewagt – funktioniert das leider nicht ganz so einfach: Hier reicht es eben nicht, dass sich der Nachfolger, der filmische Abkömmling, einfach die besten und erfolgreichsten Ingredenzien seines Prequels einverleibt, um diesem selbst in nichts nachzustehen … und erst recht nicht, wenn es sich dabei um ein zweifelhaftes Erbe handelt.

In Battle Royale II erzählt der Sohn des verstorbenen Regisseurs Kinji Fukasaku die utopische Geschichte um Schüler-Survivalcamps weiter: Wieder wird eine besonders renitente Schulklasse dazu auserwählt, auf einer fernen Insel gegeneinander anzutreten, so lange, bis nur noch ein einziger übrig ist. Doch die Regeln sind dieses Mal verschärft: Alle Schüler erhalten eine volle militärische Ausrüstung – Tarnanzug und Maschinengewehr inklusive. Damit müssen sie zunächst gegen Gegner, die bereits auf der Insel sind, antreten. Erschwert wird ihre Mission dadurch, dass sie nun in Zweiergruppen agieren müssen: Kommt ein Mitglied eines Zweierteams um, so stirbt das zweite automatisch am aus dem ersten Teil bekannten Sprengstoffhalsband. An diesem fatum brutum sterben bereits kurz nach der Landung auf der Insel die Hälfte der Teilnehmer. Die übrigen schlagen sich durch und stoßen nach kurzer Zeit auf eine Revoluzzer-Truppe, die sie von ihren Halsbändern befreit und sie für ihren „internationalen Kampf gegen die Erwachsenen“ gewinnen will. Die Schülergruppe ist gespalten und das Verhalten der Revoluzer zwingt die Erwachsenen Bewacher und die Regierung Japans zu drastischen Gegenmaßnahmen.

Battle Royale II ist damit eine Variation des erstens Teils, die lediglich dessen „Grundregel“ erweitert um noch martialischer und damit wohl noch eindeutig-kritischer wirken zu können. Kenta Fukasaku holt sich dabei die „erfolgreichsten“ Elemente aus dem Film des Vaters und versieht sie mit einem unglaublich platten ideologischen Unterbau: Mehrfach wird die us-amerikanische Schuld am Elend der Welt betont, die die Revoluzer auf das Phänomen der Erwachsenen reduzieren. Deren Anführer schwingt ein AK-47-Gewehr als Symbol des revolutionären Aufstandes.

Doch selbst diese Plattitüden können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Battle Royale II nicht mehr und nicht weniger als ein Kriegsfilm ist und sein will, in dem – das ist das utopische Vermächtnis des Fukasaku-Clans – Kinder und Jugendliche gegeneinander antreten. Der Zynismus der Geschichte offenbart sich dabei nicht nur im Splatter explodierender Sprengstoffhalsbänder (das scheint dem Regisseur-Sohn neben dem stetig eingeblendeten Bodycount am Prequel wohl am meisten imponiert zu haben), sondern wieder einmal an der Figurenzeichnung. Keiner, aber auch wirklich gar keiner der Charaktere kann irgendeine Motivation für das, was er denkt, tut oder fühlt vorweisen.

Einzig die „Austauschschülerin“ Shiori Kitano und der Lehrer, der den „Klassenkampf“ überwacht bekommen vom Drehbuch ein wenig Seele eingehaucht. Erstere ist auf der Insel, um ihren Vater (den ambivalent-diabolischen Kitano aus Teil 1, der auch ein paar Szenen im Sequel bekommt) zu rächen. Und letzerer, weil er selbst ein Überlebender eines Battle Royale ist, was ihn schließlich nicht nur in die Aspirin-Abhängigkeit (!?), sondern auch gegen das System „Battle Royale“ treibt. Darüber hinaus sind alle Darsteller aus Battle Royale II reine „Schießbudenfiguren“, die der Film zum Abschuss freigibt. Die Jungdarsteller wirken aber selbst dabei nur wenig motiviert: Kaum mehr als Gleichgültigkeit oder „totale Wut“ sind die Gesichter der Jungmimen darzustellen im Stande.

Und so zieht sich Battle Royale II mit seinem unverholenen und totalen Zynismus, der jedoch von der unfreiwilligen Lächerlichkeit seiner Erzählung und Figuren überdeckt wird, hin: 120 Minuten, von denen die letzten 20 Minuten nach dem Showdown dem Ausklingen der Erzählung und der Verabschiedung der verbliebenen Schießbuden-Figuren gewidmet sind, wollen und wollen nicht vergehen. Hat sich der Vorgängerfilm wenigstens noch durch seine Kontroverse im cineastischen Diskurs halten können, so wird Battle Royale II dies wohl nur durch die Zähheit seiner Ästhetik und den uninspiriert kitschig-süßlichen Pathos als „Gelee Royale“ schaffen können … bis dann wohl der dritte Teil vor der Tür steht, der erneut versucht, das gescheiterte Was-wäre-wenn-Experiment weiterzudenken.

Battle Royale II
(Jp 2003)
Regie: Kenta Fukasaku (und Kinji Fukasaku)
Buch: Keta Fukasaku
Musik: Masamichi Amano
Länge: ca. 120 Minuten

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