Fantasy & Märchen

Nachdem der Reclam-Verlag im letzten Jahr bereits zwei Bände in seiner „Filmgenres“-Reihe herausgegeben hat (Western und Science Fiction), ist nun der dritte von insgesamt zehn Bänden zum Fantasy- und Märchenfilm erschienen.


Analog zu den Vorgängern folgt auch hier auf eine allgemeine Einführung ein „Kritiken“-Teil, der 58 Kurzkritiken nebst Inhaltsangabe und Literaturverweisen enthalt. Die Einleitung ist dieses Mal etwas persönlicher geraten: Der Herausgeber Andreas Friedrich moniert in einem „Plydoyer für die Fantasie“, dass der Fantasy-Film bislang stiefmütterlich behandelt wurde, weil seine Erzählungen oftmals „zu holzschnittartig“ wirken. Dies sei jedoch nur die halbe Wahrheit, denn „Märchen und Fantasy haben nicht nur strukturkonservierenden, sondern, innerhalb der vorgegebenen Regeln, auch strukturbrechenden Charakter.“ (12) Die Heldengeschichten sind immer auch ein Abwenden vom Alltag und der Normalität und bieten mithin pädagogisch Interessantes.

Aus dieser Perspektive begründet der Band auch seine Auswahl an Filmen: Beginnend mit Fritz Langs Niebelungen-Filmen skizzieren die 20 Autoren wichtige und berühmte, aber auch abseitige und seltene Filme und überschreiten dabei nicht selten die Grenze, des Fantasy-Films zur Komödie (Ritter der Kokosnuss), zum Horrorfilm (Die Stunde des Wofls) oder zur Science Fiction (E.T.). Die einzelnen Analysen fallen dabei zunächst wie Kritiken aus: Kurze Inhaltsangabe, dann ein Bewertungsteil, in dem markante Eigenarten des Filmes hervorgehoben werden oder dessen nachhaltige Wirkung auf das Genre nachgezeichnet wird. Bei genauerem Hinsehen erweisen sich die Kritiken jedoch mehr als „Würdigungen“, weil eigentlich keiner der besprochenen Filme „schlecht wegkommt“. Und so finden sich analytische Beiträge (wie etwa Stigleggers Text zu Boormans „Excalibur“ oder Grobs Text zum „Himmel über Berlin“ oder Kiefers „Prosperos Bücher“-Text) neben eher bemühten Würdigungen (Fabeinne Wills Text zu „Drei Nüsse für Schenbrödel“).

Über alledem schwebt die Frage, wozu der Band (und damit die ganze Reihe) dienen soll. Ein Lexikon der jeweiligen Genres zu entwickeln war sicherlich nicht der Hintergrundgedanke. Auch sind die einzelnen Beiträge nicht dazu geeignet induktiv eine Theorie der jeweiligen Genres zu erstellen … dazu sind die Texte zu heterogen und zu unabhängig voneinander. Eher drängt sich durch die Auswahl der besprochenen Filme der Eindruck einer Kanonisierung auf. Aber dann fehlen wiederum – wie in jedem Kanon – wichtige Filme (etwa „The Dark Crystal“ oder „The last Unicorn“) und es wäre ohnehin ein zweifelhaftes Unterfangen, nach einer längst geführten Debatte über den Unsinn der Kanonisierung ein solches Projekt zu wagen.

Also bleibt auch der Fantasy-Band des Reclam-Verlages wie auch seine Vorgänger eine interessante Textsammlung ohne erkennbaren Zusammenhang – außer dem jeweilig akzentuierten Genre. Die Einzelanalysen können zwar die Weiterbeschäftigung mit dem jeweiligen Film oder den darin angeschnittenen Diskursen anregen, doch erschwert dieser Zugang das fehlen eines Sachwortregister.

Andreas Friedrich (Hg.)
Filmgenres: Fantasy- und Märchenfilm
Stuttgart: Reclam 2004
255 Seiten (Taschenbuch)
7,00 Euro

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