Filmphilosophie.

Jacques Derrida ist tot. Als diese Ausgabe der F.LM in Planung war, ja sogar, als das Cover schon entworfen war, hat er noch gelebt. Daher will es der Zufall, dass das Thema der Ausgabe auch eine Art »Nachruf« auf den vielleicht wichtigsten Philosophen der Gegenwart geworden ist.

Filmphilosophie. Ein Wort ohne Bindestrich, das zweierlei bedeutet: Philosophie des Films und Film der Philosophie. In den Texten des Thementeils versuchen wir beide Aspekte zu beleuchten. Florian Reinacher, der sein Autorendebüt mit dieser Ausgabe der F.LM feiert, hat sich der Philosophie Jacques Derridas angenommen und sie auf die Filmtheorie appliziert. Dabei kommt ihm nicht nur eine amerikanische Publikation von 1990 (Screen/Play: Derrida and Film Theory), sondern auch der (zweite) kürzlich erschienene Derrida-Dokumentarfilm zur Hilfe. Dekonstruktivismus allenthalben – im Bemühen um eine Theorie des digitalen Films wie auch im Derrida-Dokumentarfilm. Patrick Baum – ebenfalls zum ersten Mal in F.LM vertreten – geht die Filmphilosophie vom Standpunkt Adornos aus an. Dass dieser stets laut über das Kino als Auswuchs der Kulturindustrie doziert hat ist bekannt – weniger bekannt jedoch seine nicht einmal heimliche Affinität zum Film. Ich selbst schließlich habe einen Vortrag, den ich im November 2003 am Philosophischen Seminar der Universität Bonn (im Rahmen des Seminars »Philosophie und Medien« bei Günter Seubold) gehalten habe, transkribiert. Darin widme ich mich der Frage, wie Film selbst Philosophie betreibt – wie er mit seiner eigenen Sprache »philosophisch« formuliert. Ausgesucht als Beispiel habe ich mir dazu David Cronenbergs kryptischen Film Videodrome (1983).

Nach dem Thementeil – und das unterscheidet diese Online-Ausgabe von den Heften, gibt es ab jetzt immer ein »Scharnier«: Darin wird das Thema der Ausgabe noch einmal mit Filmkritiken aspektiert. Besprochen wird hier von Patrick Baum und mir die bereits erwähnte Dokumentation über Jacques Derrida aus zwei unterschiedlichen Perspektiven und mit zwei ganz unterschiedlichen Resultaten.

Der Off-Topic-Bereich wartet dieses Mal mit dem seit der letzten Ausgabe der F.LM obligatorischen Videoclip-Artikel auf. Unser Redakteur Arno Meteling hat einen Untersuchungsgegenstand seiner jüngst eingereichten Dissertation (wir gratulieren!) zu einem Artikel aufbereitet. Und ich verspreche sicherlich nicht zu viel, wenn ich verrate, dass damit einer der interessantesten Texte über Aphex Twins/Chris Cunninghams Come to Daddy zustande gekommen ist. Marc-Chrstian Jäger – der letzte Debütant dieser Ausgabe – liest den modernen Horrorfilm mit Michel Foucault. Dabei herausgekommen ist ein kleiner Essay, der wesentliche Marksteine des Genres analysiert und dabei en passent die letztjährige Tagugung »Bodies that Splatter« (Berlin) Revue passieren lässt.

Schließlich präsentieren wir auch wieder einen Überblick über den Buchmarkt. Hier haben wir Rezensionen jüngerer Veröffentlichungen gewählt, die zum Thema passen. Diese Texte sind nicht »neu«, sondern bereits auf der Internetseite von F.LM erschienen. Dass wir sie in die Ausgabe intergrieren, ist daher eher dem Thema geschuldet als der Tatsache, dass wir aktuell sein wollen/müssen. Denn: Die Internetseite von F.LM bietet fast im Wochenrhythms neue Rezensionen und Filmkritiken. Aktueller als unser eigener Newsticker können wir nicht sein.

In eigener Sache

F.LM gibt es ab dieser Ausgabe nur noch online. Das hat Gründe und Vorteile. Die Gründe sind vor allem in der Finanzierbarkeit des Projektes zu suchen: Haben die vier Druckausgaben sich – bestenfalls – konstenmäßig amortisiert (durch Werbung und Heftverkauf), so war dies bei der vorliegenden Ausgabe, die zunächst auch in Druck gehen sollte, nicht mehr möglich. Der eigentlich kaum noch existierende Anzeigenmarkt hat die Deckung der Druckkosten nicht mehr sichern können. Hinzu kommen die zeitlichen Ressourcen, die eine Druckausgabe verschlingt: Angefangen beim Layout über die Druckbetreuung bis hin zum Vertrieb und der Abrechnung hat das alles mehr Zeit gekostet, als einer ehrenamtlichen Redaktion zur Verfügung stand. Mit der Online-Ausgabe beseitigen wir die meisten dieser Probleme (das Online-Layout kostet nur noch einen Bruchteil der Zeit).

Damit kommen wir auch schon zu den Vorteilen. Durch die Einstellung der Druckausgabe haben wir mehr Zeit für Planung und Realisierung. Damit sind wir auch nicht mehr an starre Vorgaben von Redaktionsterminen und Druckterminen (die durch die Einnahmen diktiert wurden) gebunden und können häufiger pro Jahr erscheinen. Zudem können wir nun das Geld, das wir erwirtschaften (durch die alten Kassenbestände – aber auch durch die Werbeeinnahmen über Goolge, Amazon und PayPal-Spenden) anders einsetzen: Wir werden also in Kürze damit beginnen, Ausschüttungen an unsere Autoren vorzunehmen. Schreiben – zumal wenn es so anspruchsvolle Texte wie bei F.LM sind – soll und muss sich auch finanziell für die Autoren lohnen.

Die Online-Ausgabe der F.LM arbeitet an einem Projekt mit, das man die »Seriösierung« des Internets nennen könnte. Ein hochdemokratisches Medium wie das Netz ermöglicht es eigentlich mittlerweile jedem, Texte zu veröffentlichen. Das führt nicht nur zu enormer Vielfalt, sondern auch zu enormen Qualitätsunterschieden. Gerade in wissenschaftlichen Publikationen gilt das Internet daher als nicht besonders ernstzunehmende Quelle für Informationen. Diesem schlechten Image entgegen arbeiten Projekte wie »nachdemfilm« oder »Jump-Cut«, die äußerst hochwertige Texte von teilweise sehr reputativen Autoren publizieren. F.LM möchte sich in die »Tradition« dieser Projekte einreihen und im Internet »Texte zum Film« von jungen Autoren vorstellen. Wir hoffen damit unserer Agenda – guten Texten eine Chance zu geben – nicht nur treu zu bleiben, sondern ihr sogar noch zusätzliche Geltung zu verschaffen: Das Internet hat eine weit höhere »Auflage« als unsere Druckauflage und ist durchgehend »vierfarbig«.

In diesem Sinne … viel Spaß beim Lesen!

Stefan Höltgen
(Chefredaktion)

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