Lichtspiele

Anne Hoormann: Lichtspiele. Zur Medienreflexion der Avantgarden in der Weimarer Republik, München: Fink 2003

Licht ist ein ganz besonderes Phänomen. Von jeher wurde ihm neben seiner physischen eine metaphysische Qualität zugeschrieben, eine konkret lebensweltliche und eine symbolische Bedeutung. Neben naturwissenschaftlichen Erklärungen gab es okkulte, und diese Amalgamierung erhielt mit den physikalischen Entdeckungen seit dem 19. Jahrhundert eine neue Dimension: Die chemischen Prozesse der Fotografie kreierten eine neue, bald alltagsrelevante Kunstform, die physikalischen der Elektrizität hatten eine kulturrevolutionäre Wirkung. Einsteins an der Beugung der Lichtstrahlung nachgewiesene These vom gekrümmten Raum beeinflusste das naturwissenschaftliche Denken mit Konsequenzen für die Philosophie – und nicht nur dafür. Die Wahrnehmungs- und in ihrer Folge die Kunsttheorie nach der Jahrhundertwende meinten hier Begründungen aufnehmen zu können für ihre spezifischen Raum- und Wahrnehmungsprobleme, wie überhaupt die Kunstlandschaft dieser Zeit buchstäblich in neuem Licht erstrahlte. Licht wurde zum allgegenwärtigen Medium, das nicht nur den Alltag ganz anders als gewohnt erhellte, sondern ein neues Kunstmedium kreierte – den Film. Als Licht-Spiel fand er Eingang in die Medienlandschaft und wurde insbesondere in Deutschland, nämlich im deutschen expressionistischen Film, auf seiner materialen Basis sogleich in ein abgründiges metaphysisches Spiel von Licht und Schatten überführt.
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Shoa

Sven Kramer (Hg.): Die Shoah im Bild, München: Edition text+kritik 2003

So wie die Frage der Repräsentierbarkeit des Holocaust letztlich die Gattungsdiskussion in den Künsten befördert hat (vgl. den ebenfalls bei text+kritik erschienenen Band Lachen über Hitler), so erweist sich die engere Frage nach seiner bildlichen Darstellbarkeit als theoretischer Fokus der Auseinandersetzung. Die Facetten der Problematik spannen sich zwischen den Polen des religiös-moralisch und künstlerisch motivierten Bilderverbots des Unfasslichen und des „Bildergebots“ als fotografisches Augen-Zeugnis der Verbrechen. Gleichzeitig können an den Modifikationen der gleichwohl stets medial präsent gewesenen „Shoah im Bild“ zeitliche Etappen der Erinnerungs- (und Verdrängungs-)Arbeit sichtbar werden.
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Lachen über Hitler

Margit Frölich/Hanno Levy/Heinz Steinert (Hgg.): Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter?, München: Edition text + kritik 2003

Roberto Benignis großer Filmerfolg La Vita è bella (Das Leben ist schön, 1997) hat die lange Zeit als obsolet geltende und nur vereinzelt ernsthaft diskutierte Frage neu aufgeworfen und neu beantwortet: Kann – und darf – man den Holocaust im Modus des Komischen darstellen? Dass man kann und sich erlaubt zu dürfen hat vor Begnini etwa schon Art Spiegelman mit seinem per Genre respektlosen Comic Mouse gezeigt und wie Benigni ein breites Publikum erreicht. Inwiefern man kann und darf, ohne sich dem Verdikt der Blasphemie gegenüber dem Genozid auszusetzen, und was über seine defensive Zulassung hinaus das Komische bei diesem Thema zu leisten vermag, diskutierten nunmehr die Teilnehmer einer Tagung der Evangelischen Akademie Arnoldshain, des Fritz Bauer-Instituts und der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main im April 2001. Die Ergebnisse stellt der Tagungsband zur Diskussion.
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Edgar Wallace

J. Kramp/J. Wehnert: Das Edgar Wallace-Lexikon, Berlin: Schwarzkopf 2004

In fast vierjähriger Kleinstarbeit häufte Joachim Kramp zusammen mit seinem Co-Autor Jürgen Wehnert so ziemlich alle Daten an, die man auch nur irgendwie mit Edgar Wallace in Verbindung bringen könnte. Das Ergebnis ist beachtlich: Über 1800 Stichpunkte führt das Edgar-Wallace-Lexikon auf. Zu jeden Punkt gibt es meist ausführliche Hintergrundinformationen und weitere Daten, Fakten und Zahlen. Jedoch kommt auch dieses Lexikon um das berühmte Problem, welches Nachschlagewerke in Buchform haben, nicht herum: Praktisch schon einen Tag nach der Veröffentlichung könnte der Zahn der Zeit zugebissen haben. Da wären zum Einen die vielen, vielen Personen, die hier portraitiert werden, und die schon morgen das Zeitliche segnen könnten. Oder, positiv gesehen, könnten zum Anderen jenige im verbleibenden Rest ihres Lebens noch an 123 weiteren Filmklassikern mitwirken, die dann eigentlich in keiner ihrer Biografien fehlen dürften. Aber das ist nun einmal das Schicksal eines solchen Buches. Da wird keiner etwas dran ändern können (außer eine Neuauflage). Es wurde ja wirkliche alles Erdenkliche getan, um soweit wie möglich in die Zukunft zu blicken. Sowohl noch immer in der Planungsphase stehende TV-Filme, sowie der zum Zeitpunkt der Bucherscheinung noch nicht veröffentlichte Film „Der WiXXer“ sind als Themenpunkte in diesem Lexikon vertreten. Letzterer bewirbt sich selbst mit dem Slogan „nach keinem Roman von Edgar Wallace“, was ihm jedoch die Türen zu diesem Buch nicht verschloss.
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Kill Bill Pt. 2 – Leider keine Filmkritik, USA 2004, Quentin Tarantino

Zusammen mit der Einladung zur Pressevorführung von „Kill Bill Pt. 2“ erreichte uns die Vorgabe des Verleihers, dass für Filmkritiken zu „Kill Bill Pt. 2“ eine „Sperrfrist“ bis zum 16.04.04 besteht. „Sperrfristen“ werden normalerweise von Presseagenturen für Personalmeldungen, termingenaue politische Informationen und ähnliches erteilt. Journalisten sind gehalten, sich an die vorgegebenen Sperrfristen zu halten, da es sonst zu rechtlichen Problemen kommen kann. Im Fall des Filmjournalismus stellen „Sperrfristen“ unseres Wissens nach ein Novum dar, das es in der Vergangenheit so noch nicht gegeben hat.
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Wie interpretiert man einen Film?

So lautet der Titel der bei Reclam erschienenen Einführung in die Filminterpretation, und selbst der Laie mag sich wundern: Was hat ein Filmbuch in einer Reihe „Literaturwissen“ zu suchen? Ist hier vielleicht eine fast hundertjährige Diskussion verschlafen worden, die seinerzeit den Stellenwert des Massenkulturprodukts Film an der Würde der hehren Kunstgattung Literatur zu messen suchte? Wird hier auf eine Herkunft des Films aus der Literatur angespielt und das Problem rigoros als Prioritätenfrage beantwortet? Oder geht es um eine Verwechslung?
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Kurzrezensionen

Mit „Wie in einem Spiegel“ veröffentlicht Thomas Koebner zum dritten Mal eine Zusammenstellung seiner jüngsten »Schriften zum Film«. Wie bereits in den vorhergegangenen Bänden steht vor allem die Lust am Text zum Film im Vordergrund, die Lust am Flanieren durch den Film in all seinen Facetten: Koebners scharfsinnige Beobachtungen, Kommentare und Analysen reichen, in elegantes sprachliches Gewand gekleidet, von Genres, Regisseuren, Schauspielern und einzelnen Filmen über gängige Motive und Ästhetik hin zur Historie des Films. Der Autor lässt sich Zeit und Raum für ein genaueres, ein zweites Hinblicken. Dabei wird die eine oder andere »universelle Wahrheit« einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen und selbst längst schon als abgeschlossen empfundene Themenfelder werden um neue Facetten bereichert. Ein in jeder Hinsicht schönes Buch ist es also geworden, das mit seiner Fülle an Material zu langem, versunkenem Schmökern einlädt.

Thomas Koebner. Wie in einem Spiegel – Schriften zum Film, Dritte Folge. St. Augustin: Gardez!, 2003, 560 Seiten Hardcover, 29,95 Euro
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Ein gutes Jahr für die Murnau-Forschung: Neben einer kompletten Berlinale-Retrospektive der überlieferten Filmografie mit teils neugezogenen Kopien und einer vielbeachteten Ausstellung im Filmmuseum Berlin erfreut sich auch ein großformatiger, umfangreicher Sammelband zu Leben und Werk Friedrich Wilhelm Murnaus der Veröffentlichung. Die Publikation ist für den Connaisseur wie den Filmhistoriker im gleichen Maße interessant: In einer umfangreichen Auseinandersetzung beschäftigt sich Thomas Koebner differenziert mit Murnaus Werk. Dem folgt, zweigeteilt, ein Kapitel zur Biografie des Regisseurs. Kernstück stellt eine umfangreiche Dokumentation der Filmografie dar, die zeitgenössische Quellen der Rezeption – diese sind besonders im Fall der verschollenen Filme sehr interessant – mit heutigen Neubetrachtungen des überlieferten Werks namhafter Regisseure und Filmpublizisten in Bezug setzt. Eine hinsichtlich der Auswahl so gelungene wie qualitativ gut aufbereitete Zusammenstellung zahlreicher Quellmaterialien aus den Produktionen und Murnaus Biografie ermöglichen einen Blick auf den Produktionshintergrund der Filme und ihre Entstehungsgeschichte.

Hans Helmut Prinzler (Hg.) Friedrich Wilhelm Murnau. Ein Melancholiker des Films. Berlin: Bertz, 2003, 304 Seiten Hardcover, 25,00 Euro
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»Dein Sexfilm – Das unbekannte Wesen«, könnte man Annette Mierschs akademische Auseinandersetzung mit dem deutschen Sexreport-Film paraphrasieren. Gerne wurden damals seitens der Produktionen, leicht durchschaubar natürlich, Aufklärungsabsichten in den Vordergrund gespielt, um die Darstellung nackter Haut und expliziter Situationen zu rechtfertigen. Heute dienen Schulmädchen-Report und andere Filme des Genres nun wirklich dazu, über das damals vorherrschende Dispositiv der Sexualität etwas in Erfahrung zu bringen: Miersch liest das Phänomen mit Foucault und untersucht die Inszenierung sozio-sexueller Realität. Das Ergebnis überrascht denjenigen natürlich kaum, der die Filme beispielsweise in ihrer zweiten großen Welle, als Profilierungsoption privater Fernsehsender, in den frühen Neunzigerjahren miterleben konnte: Doch das Verdienst der Monografie liegt woanders, nämlich in der Mühe, den Korpus genau zu erfassen, mit wissenschaftlicher Akribie statistisch auszuwerten und ihn wieder ins Gedächtnis zurückzuholen. Eine, gemessen am wellenförmigen Erfolg der Filme, aber auch angesichts deren Strategien zur Authentifizierung ihrer Erzählung, bemerkenswerte Vernachlässigung der Filmwissenschaft bislang. Eine für Bertz obligatorisch reiche wie gelungene Illustration rundet den überaus positiven Eindruck ab.

Annette Miersch. Schulmädchen-Report. Der deutsche Sexfilm der 70er Jahre. Berlin: Bertz, 2003, 254 Seiten, 25,00 Euro
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Die Auseinandersetzung um »Identität und Film« gehörte in den letzten Jahren, vor allem mit dem Geschlechterdiskurs im Fokus, mit zu den populärsten. Auch die Aufsatzsammlung »wo/man – Kino und Identität« kapriziert sich entsprechend, es mag am Zeitgeist liegen, auf die Frage nach dem Geschlecht. Erfreulicherweise versammelt sich in dieser Herausgeberschaft eine ganze Reihe teils namhafter Autoren von unterschiedlichsten Hintergründen von Filmpublizistik und akademischen Betrieb. Dies garantiert eine Vielfalt von Herangehensweisen und Schwerpunkten. Der Erkenntnisgewinn gestaltet sich als von Text zu Text höchst unterschiedlich: Auseinandersetzungen mit Filmen, die selbst schon, narrativ bedingt, die Beschäftigung mit Geschlechtsidentitäten zum eigenen Primat erheben, gerieten gegenstandsbedingt recht vorhersehbar und können den an sich schon sehr aussagekräftigen Bildern der Filme nicht viel Spannendes zur Seite stellen. Auch psychoanalytische Ansätze wirken gelegentlich bemüht und wenig aussagekräftig. Stärker an den Filmen selbst orientierte Aufsätze – Koebners und Seeßlens Beiträge sind hier zu nennen, wenn auch letzter etwas kryptisch geraten ist – eröffnen eher schon Perspektiven. Um Impulse zu setzen bleibt der Band dann aber doch vielleicht eine Spur zu kalkuliert auf der sicheren Seite. Eine, trotz gewisser Übersättigungserscheinungen, noch immer spannende Debatte zu protokollieren, ihren aktuellen Stand der Dinge, auch für den Filmfreund außerhalb dieser Debatten, zusammenzufassen, gelingt ihm indes durchaus.

Bremer Symposium für den Film (Hg.) wo/man – Kino und Identität. Berlin: Bertz, 2003, 188 Seiten, 14,90 Euro
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Lange – seit der Kinopremiere von Mullholand Drive (USA 2001) – angekündigt war die nun endlich erschienene überarbeitete und erweiterte vierte Auflage von Georg Seeßlens Lynch-Monografie. Angesichts dieser recht langen Wartezeit enttäuscht das Ergebnis etwas: Es wurde lediglich ein Kapitel zu Lynchs letztem Spielfilm angefügt, das an mancher Stelle zwar, analog zum Gegenstand, etwas chiffriert daherkommt, sich aber im Wesentlichen flüssig an den bereits bestehenden Korpus anschmiegt. Ansonsten wurde der Band in altbekannter Form belassen, wie der Blick ins Literaturverzeichnis schnell beweist: Jüngere Publikationen, darunter einige durchaus interessante, ironischerweise sogar aus dem Hause Schüren, finden keine Erwähnung. Ganz bodenständig stellt sich somit die Frage nach der Dringlichkeit des Erwerbs: Steht die vierte Auflage noch im Bücherschrank erübrigt sich diese eigentlich. Wer sich erst noch an Lynch herantastet, ist indes gut beraten, Seeßlens überarbeitete Auflage griffbereit zu halten.

Georg Seeßlen. David Lynch und seine Filme. Marburg: Schüren, 2003, 256 Seiten Paperback, 19,80 Euro
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Genau genommen geht es in Burkhard Röwekamps reich bebilderter Dissertation zum Film noir nicht an sich um einen Filmkorpus, viel eher schon um das »noir« und dessen Differenzqualitäten im Sprachgebrauch der Rede über den Film. Gerne und oft verwendet, erweist sich diese Zuschreibung doch als unscharf und ungenügend definiert. Nicht zuletzt ein Blick in die internationalen Debatten und Diskurse um den Film noir, die Röwekamp versiert zusammenfasst und zueinander in Bezug setzt, verdeutlicht das. Seine eindrucksvolle, scharfsinnige Auseinandersetzung fügt dieser jahrzehntelangen Debatte nun ein höchst bedeutsames Mosaiksteinchen hinzu: Das Wort »noir«, so seine These, ist im filmrelevanten Sprachgebrauch notwendig eher als Bezug auf eine méthode noire zu verstehen. Diese stellt ein in Genese und Wirkung komplexes Bündel an ästhetischen, narrativen und strukturellen Strategien zur Subjektivierung klassischer Erzählverfahren dar, die sich bis in die heutigen Tage ausformulieren. Vor diesem Hintergrund wird etwa Lynchs Film Lost Highway (USA 1997) als möglicher, konsequenter Endpunkt dieser Evolution transparent und lesbar. Eine spannende und inspirierende Lektüre von höchster Relevanz für die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand, deren sprachliche Souveränität lediglich durch ein paar so vermeidbare wie deshalb ärgerliche Versäumnisse des Lektorats getrübt werden.

Burkhard Röwekamp. Vom film noir zur méthode noire. Die Evolution filmischer Schwarzmalerei. Marburg: Schüren, 238 Seiten Paperback, 19,80 Euro
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Die Konnotation des Films als Äquivalent zum Traum blickt auf eine lange Tradition zurück. Dieser nähert man sich im vierten Band der Reihe »Film und Theologie« in einer langen Kamerafahrt aus der Totale ins Detail: Ausgehend von einer überblicksartigen Position der Kulturgeschichte des Traums gelangt man, über Freuds Theorien der Traumdeutung und einer Verhältnisbestimmung Psychoanalyse/Filmtheorie, zu den Positionen der klassischen Filmtheorie zum Gegenstand. Dieses Wissensfundament kommt im folgenden einer dezidierten Betrachtung des Traums im Film und dieses wechselseitigen Verhältnisses in den Filmen von Buñuel, Lynch, Bergman und einiger anderer zugute. Im Gesamten macht die Publikation einen soliden Eindruck, wenngleich die Lektüre einiger weniger Beiträge nur wenig Interessantes zutage fördert. Das im kirchlichen Sinne pädagogische Ansinnen spielt sich nur selten in den Vordergrund; der Band ist somit auch jenseits dessen von Interesse. Und mag man zur psychoanalytischen Filmtheorie, die hier häufig bemüht wird, auch stehen, wie man will, so fasst die Herausgeberschaft den Stand interner Diskussionen dieser Schule für den Außenstehenden doch gelungen zusammen.

Charles Martig/Leo Karrer (Hgg.) Traumwelten – Der filmische Blick nach Innen. Marburg: Schüren, 236 Seiten Paperback, 14,80 Euro
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Im Wilhelm Fink Verlag ist eine längst fällige Auseinandersetzung mit den Filmen Michael Hanekes erschienen. Die Dissertation Jörg Metelmanns stellt sich der für Haneke spezifischen Fragestellung nach der moralischen Diskursivität der Medien. Dem Thema des Bandes, der »Kino-Gewalt« nähert sich Metelmann aus vier analytischen Blickrichtungen: der Brecht’schen Theorie der Verfremdung, alteritätsphilosophisch, als ästhetischem Schnittpunkt zwischen Moderne und Postmoderne sowie mit Deleuze in der Gegenüberstellung Haneke/Antonioni. Die Untersuchung zeichnet sich durch ihre analytische Schärfe aus und vermittelt Ansätze zur Interpretation des Werksganzen des Österreichischen Regisseurs. Im Anhang findet sich ein Interview mit Haneke über dessen Film Die Klavierspielerin.

Jörg Metelmann. Zur Kritik der Kinogewalt. Die Filme von Michael Haneke. München: Fink, 2003. 298 Seiten Paperback, 38,90 Euro
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Rolf Giesen, unermüdlicher Lexikograf des Films, hat in seiner Eigenschaft als Fachmann für Zeichentrick und Animation jetzt ein Lexikon des Trick- und Animationsfilms veröffentlicht. Auf fast 480 Seiten führt er einzelne Filme und Serien, deren Produzenten und Zeichner sowie Techniken der Animation alphabetisch auf. Das in seinem Umfang bislang einzigartige Buch versteht sich in erster Linie als Nachschlagwerk und konzentriert sich daher vor allem auf die Vermittlung von Produktionsdaten und Inhaltsangaben. Einzelne Filme werden mit kurzen zitierten oder eigenen Kritiken ergänzt. Positiv fallen die Illustration, die grafische Gliederung und der Apparat auf, die den Zweck des Lexikons sehr unterstützen.

Rolf Giesen. Lexikon des Trick- und Animationsfilms. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2003. 478 Seiten Paperback, 22,90 Euro
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Der Stuttgarter Reclam-Verlag eröffnet mit einem Band über Western und einem Band über Science Fiction seine Reihe »Filmgenres« unter wechselnder Herausgeberschaft. Nach kurzen, einleitenden Essays zu den Genres versammeln beide Bände Filmkritiken unterschiedlichster Autoren und fügen diese nach der Chronologie der Filme zusammen. Das Verfahren, das Reclam bereits bei seiner vierbändigen »Filmklassiker«-Ausgabe zur Anwendung brachte, leistet zweierlei: ein zeitgenössischer Blick auf die »Klassiker« des Genres und Einzelbetrachtungen, die das reine Instrumentalisieren des Einzelfilms für die Geschichte oder Theorie des Genres vermeiden. Durch diese Vorgehensweise wird jedoch leider auch kanonischem Denken Vorschub geleistet und übergreifende Aspekte der Genregeschichte können nicht verfolgt werden. Beide Bände verfügen über Literaturhinweise, ein Glossar und ein Autorenverzeichnis.

Thomas Koebner (Hg.) Filmgenres: Science Fiction. Stuttgart: Reclam, 2003, 544 Seiten Taschenbuch, 10,80 Euro.
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Bernd Kiefer, Norbert Grob, Marcus Stiglegger (Hgg.) Filmgenres: Western. Stuttgart: Reclam, 2003. 375 Seiten Taschenbuch, 8,80 Euro
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Frühes Kino

Thomas Elsaesser u.a.: Frühes Kino, Kino der Kaiserzeit & Filmgeschichte und frühes Kino

Frühes Kino – wer sollte sich schon dafür interessieren außer der Handvoll Spezialisten, die die Filmgeschichten schreiben und daher der für Wissenschaftler unumgänglichen Frage nach den Anfängen nachgehen müssen? Frühes Kino – das assoziiert kurze Stummfilme in Schwarz-Weiss, in denen sich mit gewollter und ungewollter Komik archaisch anmutende Figuren stakkatoartig bewegen und simple Storys entfalten, an denen wir bestenfalls erkennen, wie weit wir es seitdem gebracht haben. Es assoziiert unbeholfene Technik und bestenfalls eine Ahnung davon, welchen unschuldigen Zauber diese neue Erfindung seinerzeit für unsere Urgroßmütter und –väter bedeutete, und dass seine Faszination für die heutigen mediengewohnt coolen Generationen kaum noch erreichbar sein mag. Immerhin, solche mehr oder minder vagen Vorstellungen und Kenntnisse sind seit dem 1995 gefeierten 100jährigen Jubiläum des Films bei einem breiteren kinointeressierten Publikum parat. Auch die Filmwissenschaft hat im Umkreis des Jahrhundertereignisses intensivere Forschungen unternommen. Zwei neue Bände der edition text+kritik fassen Ergebnisse zusammen: Kino der Kaiserzeit, herausgegeben von Thomas Elsaesser und Michael Wedel, und Elsaessers Filmgeschichte und frühes Kino.
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Im Laboratorium des Dr. Trier

Achim Forst: Das Kino des Lars von Trier, Marburg: Schüren 1999

Gewalt(tät)ige Bild- und Gefühlswelten mit dem Gespür für das Unentrinnbare: Das Kino des Lars von Trier. Ambitioniertes Kunstkino, Melodram, Fernsehserie, Dogma 95. So sehr sich sein erster offizieller Film, Nocturne (1980), und sein derzeit letzter, Die Idioten (1998), voneinander unterscheiden mögen, so sehr sind sie Eckpunkte einer konsequenten Entwicklung. Achim Forst, Filmjournalist, Kritiker und Regisseur zeichnet in seinem Filmporträt Das Laboratorium des Lars von Trier und dem dazugehörigen Buch Breaking The Dreams – Das Kino des Lars von Trier, ein detailliertes Bild von der Filmwelt Triers.
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Afrikanisches Kino

H.-P. Gutberlet & M.-H. Metzler (Hgg.): Afrikanisches Kino, Bad Honnef: Horlemann 2000

Gibt es das, lassen sich die Strömungen eines ganzen Kontinents auf einen Nenner bringen? Die Grunderfahrung, mag man meinen, sei die gleiche: Streben nach Mündigkeit in immer noch postkolonialer Zeit. Und das Medium Film dient im Nachfeld der ‘Unabhängigkeit’ wie andere weitgehend dem selbstemanzipierenden Finden eigener Perspektiven im Raum von Milieu, Stamm, Staat und Supranation.
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Maystbietend

Michael Petzel: Karl-May-Filmbuch – Stories und Bilder aus der deutschen Traumfabrik, Bamberg/Radebeul: Karl-May-Verlag 1998

Kenntnisreichtum und Schwärmerei treiben zuweilen seltsame Blüten. Geradezu akribisch hat sich Autor Michael Petzel einer der aufwendigsten Recherchen in der deutschen Filmgeschichte gewidmet, ist doch Karl May hierzulande der am häufigsten verfilmte Buchautor. Eng hat er dabei mit dem Karl-May-Archiv Göttingen zusammengearbeitet und einen erheblichen Fundus an Literatur durchstöbert, um das Buch schließlich zu publizieren, gebunden im Stile der alten Reihe.
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Die Kultur der Erinnerung

Die Kultur der Erinnerung ist bekanntlich historischen Wandlungen unterworfen, und bei Ereignissen der jüngeren Geschichte insbesondere an das Selbstverständnis von Generationen gebunden. Kein Gegenstand beweist das deutlicher als der Umgang mit dem „Zivilisationsbruch“ Auschwitz durch die Generationen der deutschen Nachkriegsgeschichte: der des „Wirtschaftswunders“ und der ihr allgemein – und so allgemein zu Recht – angelasteten Verdrängung der Verbrechen, in die sie selbst involviert war, der 68er, die mit emphatischen und manchmal selbstgerechten Schuldzuweisungen an die Generation der Väter und Mütter dennoch eine breite Aufarbeitung der Geschichte des „Dritten Reichs“ in Deutschland initiierte, und der neuerlichen Historisierung der 68er, die sich eben anschickt, andere Verdrängungen aufzuhellen.

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The Film Minister

Es sei nicht ungewöhnlich gewesen, sich Bemerkungen zu gesehenen Kinofilmen in Tagebüchern zu notieren. Allerdings halten die Beobachtungen Goebbels dem Vergleich mit den festgehaltenen Gedanken Klemperers oder Kafkas nicht stand. Besonders clever war er nicht, der selbst ernannte nationalsozialistische Filmexperte Goebbels, nicht fähig zu kühler Analyse. Seine Bewertungen fallen sehr emotional und extrem aus. „Enthusiastisch“, „bewegt“ , „wunderschön“ oder „pure Freude“ sind die Attribute, die er für die Wiedergabe persönlicher Impressionen nach der Rezeption von Wege zur Kraft und Schönheit (D 1926) oder Die Nibelungen (D 1922/4) findet. Immer wieder äugt er aber auch auf die Reaktion des Publikums, hegt Zweifel an der Wirkung der nationalsozialistischen deutschen Filme der Zwanziger, bemerkt wohl den hohen technischen Standard und die Professionalität des amerikansichen Films, ist von Eisensteins Arbeit fasziniert. Bewundert den Einfluss des russischen Films auf die Massen.

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Dekonstruktion als Rückfall hinter Adorno?

Stefan Zenklusen: Nichtidentisches und Derridas différance. Berlin: Wissenschaftlicher Verlag 2002

Ein Jahr nach der Vergabe des Theodor-W.-Adorno-Preises an Jacques Derrida erscheint im Wissenschaftlichen Verlag Berlin eine Parallelisierung Theodor W. Adornos mit Jacques Derrida. Verfasser ist der in Zürich domizilierte freie Autor, Philosoph und Französist Stefan Zenklusen. Seine Sympathie macht Zenklusen im Untertitel explizit, in dem er für eine «Resurrektion negativer Dialektik» plädiert.
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