Edgar Wallace

J. Kramp/J. Wehnert: Das Edgar Wallace-Lexikon, Berlin: Schwarzkopf 2004

In fast vierjähriger Kleinstarbeit häufte Joachim Kramp zusammen mit seinem Co-Autor Jürgen Wehnert so ziemlich alle Daten an, die man auch nur irgendwie mit Edgar Wallace in Verbindung bringen könnte. Das Ergebnis ist beachtlich: Über 1800 Stichpunkte führt das Edgar-Wallace-Lexikon auf. Zu jeden Punkt gibt es meist ausführliche Hintergrundinformationen und weitere Daten, Fakten und Zahlen. Jedoch kommt auch dieses Lexikon um das berühmte Problem, welches Nachschlagewerke in Buchform haben, nicht herum: Praktisch schon einen Tag nach der Veröffentlichung könnte der Zahn der Zeit zugebissen haben. Da wären zum Einen die vielen, vielen Personen, die hier portraitiert werden, und die schon morgen das Zeitliche segnen könnten. Oder, positiv gesehen, könnten zum Anderen jenige im verbleibenden Rest ihres Lebens noch an 123 weiteren Filmklassikern mitwirken, die dann eigentlich in keiner ihrer Biografien fehlen dürften. Aber das ist nun einmal das Schicksal eines solchen Buches. Da wird keiner etwas dran ändern können (außer eine Neuauflage). Es wurde ja wirkliche alles Erdenkliche getan, um soweit wie möglich in die Zukunft zu blicken. Sowohl noch immer in der Planungsphase stehende TV-Filme, sowie der zum Zeitpunkt der Bucherscheinung noch nicht veröffentlichte Film „Der WiXXer“ sind als Themenpunkte in diesem Lexikon vertreten. Letzterer bewirbt sich selbst mit dem Slogan „nach keinem Roman von Edgar Wallace“, was ihm jedoch die Türen zu diesem Buch nicht verschloss.

Beim Verfassen ihres Buches standen die Autoren vor einem großen Problem: es nämlich so vielen Leuten, vor allen den Fans, so Recht wie nur irgend möglich zu machen. „Wie soll so ein Lexikon aufgebaut sein?“, wird die anfangs alles beherrschende Frage gelautet haben. Gliedert man es in Sparten, Grüppchen oder Häppchen? Sortiert, ordnet oder schmeißt man alles in einen Topf und fängt bei A an und hört bei Z auf? Die rigorose „A bis Z“-Variante bekam den Zuschlag. So beginnt das Edgar-Wallace-Lexikon mit dem Punkt „Die Abenteuerin“ und endet mit „Zwischen zwei Männern“. Interessant, interessant, denkt man sich, denn diese beiden Punkte sind, so ganz am Anfang nach dem Vorwort und ganz am Ende kurz vor der Abkürzungserklärung relativ leicht zu finden. Aber der Rest? Dieser Rest versteckt sich irgendwo zwischen Seite 8 und 718. Wo genau, lässt sich nur vermuten, denn leider gibt es kein Inhaltsverzeichnis, in dem die vielen und vor allem so vielfältigen Stichpunkte übersichtlich sortiert oder aufgeführt werden. Schneller Zugriff: Unmöglich! In einem Brockhaus würde solch eine Übersicht kaum Sinn machen, aber hier, in diesem Buch, wo alles Edgar-Wallace-Betreffende vereinigt werden soll, entsteht ein nahezu undurchdringliches Dickicht aus Informationen. Vollkommen ohne Navigation wird man auf Edgar Wallace, und alles, was dazu gehört, losgelassen und vermisst eine schlussendliche Zusammenfassung der Romane, Hörspiele, deutschen oder englischen Filme, etc. Das Eintauchen in den Wallace’schen Kosmos ist nicht schwer – einen Überblick kann man sich jedoch so nicht verschaffen. Und überhaupt: Sind sie, liebe Leserinnen und Leser schon einmal irgendwann aufgewacht und wollten unbedingt wissen, was Edgar Wallace mit dem Stichwort „Selfmademan“ zu tun hat, sind dann ohne zu zögern zu ihrem mehr oder weniger gut ausgestatteten Bücherregal gestürmt und haben in ihrem Edgar Wallace Lexikon auf Seite 576 nachgeschlagen um diesen Umstand zu klären? Wohl kaum. So werden einem viele, viele interessante Texte verborgen bleiben, es sei denn man sucht extrem lange oder liest das Buch konsequent von vorn bis hinten.

Das Hauptaugenmerk der Autoren richtet sich vor allem auf die Bedienung der deutschsprachigen Rezepzion. Die berühmten Edgar-Wallace-Verfilmungen der 60-er Jahre nehmen, ebenso wie die deutschen Buchveröffentlichungen, vergleichsweise viel Platz ein. Da bleibt so manche Information aus der ausländischen Walace-Rezeption auf der Strecke. Positiv fällt allerdings auf, dass an Bildmaterial nicht gespart wurde. Zu den besprochenen Filmen gibt es Szenenbilder, alte Aushangfotos und Impressionen vom Set. Im 23seitigen, farbigen Mittelteil kommen dann die markantesten Kinoposter und Buchcover in ihrer ganzen, schwarz-weißen und farbigen Pracht zur vollen Geltung. Viele der Biografien wurden auch durch ein schmuckes Foto der betreffenden Person gekrönt. Wobei auch im Text versucht wurde, den Portraits durch kleine Anekdoten, Statements oder Ähnlichem noch etwas wirklich Lesenswertes beizumengen. So kann auch der Filmkenner, der längst weiß, dass Karin Dor Winnetous Geliebte und Ingrid Steeger nicht nur an Wallace-Verfilmungen interessiert war, auch noch was Neues über die Damen und Herren Stars und Sternchen erfahren.

Der Informationsgehalt ist enorm. Die Recherche muss langwierig gewesen sein. Doch der Zeitaufwand hat sich gelohnt. Bekommt man irgendwann einmal wieder etwas von Edgar Wallace in die Hände, sei es ein Buch, ein Film, ein Hörspiel oder einen unverhofften Geistesblitz, wird man gerne zu diesem Werk greifen und gespannt nach dem Stichwort suchen (müssen, denn um’s suchen kommen Sie nicht herum), um zu sehen, was Joachim Kramp und Jürgen Wehnert dazu an Informationen zusammengetragen haben. Der Einzige, der jetzt noch sein Veto einlegen könnte, wäre Edgar Wallace höchstpersönlich. Wir sollten uns aber nicht allzu große Hoffnungen machen, daß es irgendwann von oben her tönt: „Hallo, hier spricht Edgar Wallace. In meinen Lexikon fehlt noch etwas!!!“

Joachim Kramp & Jürgen Wehnert
Das Edgar Wallace Lexikon
Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf 2004
800 Seiten (Paperback)
29,80 Euro

Marco Zimmer

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