This is no place like home.

Lost in Translation, USA 2003, Sofia Coppola

Poesie des Jet-Lags: Außenseiter der Tageszyklen, gefangen in einer wohlbehüteten Welt der Hotels, jenseits aller Alltagslebensrealitäten. Eine kleine Miniatur beständigen Sichumkreisens zweier buchstäblich Lebensmüder entwickelt sich, fernab von allem in Tokio. Er, Bob Harris (Bill Murray), ist Schauspieler, trotz allen Erfolgs in der Midlife-Crisis und für allerlei Medientermine eine Woche lang in der Stadt. Sie, Charlotte (Scarlett Johansson), ist studierte Gattin des vielbeschäftigten Popfotografen John (Giovanni Ribisi), mit ihren 20 Jahren noch blutjung und ebenso in den Hotelzimmern Tokios gestrandet.

Das Gefühl vollkommenen Entrücktseins in die Position des äußerst möglichen Beobachters: Auf das eigene Leben, die Menschen, die Umgebung. Faxe kommen mitten in der Nacht, denkbar unnütz ihr Inhalt – „Welches Regal soll ich kaufen, Schatz?“ -, vor den Augen, getrennt durch Hotelzimmerglas, die Enge der anonymen Stadt, nachts dann das verirrte Streifen durch die kunterbunte Konsumerwelt der Metropole: „Alles ist so anders hier!“, nicht ohne einen Hauch schmerzlicher Melancholie ausgesprochen. Den Regisseur des Werbeclips kann Bob nicht verstehen, was die Dolmetscherin wiedergibt, scheint auf unwesentliches verkürzt: Der Rest ist lost in translation: Was nicht übersetzt wurde, vielleicht nicht übersetzt werden kann. Und wie kann man Liebe übersetzen, in Worte kleiden, in Bildern vermitteln? Die sanfte Melancholie des Films, die sich aus dieser Fragestellung ergibt, ist bloß Konsequenz: Die letzten Worte zwischen den beiden, die sich finden, ja vermutlich auch lieben lernen, diese letzten Worte kurz vor dem Abschied, die das wesentliche überhaupt zur Sprache bringen: Sie werden ausgeblendet, gehen unter im Straßenlärm. Allein ein Lächeln als universelle Sprache des Menschen zaubert sich in diese beiden Gesichter. Der Rest, das Detail: Es geht verloren, es ist nicht wichtig.

Ein Film über die Sanftheit der Geste, die behutsame Annäherung. Ein Lächeln im Fahrstuhl als erste Begegnung, komplizenhaft an den einzigen Nicht-Japaner dort gerichtet. Später wird sie sich nicht mal mehr daran erinnern. Keine schwülstigen Küsse später, dann eine sanfte Umarmung aber, eine kurze Berührung an der Schulter, ein leichtes Streicheln über einen nackten Fuß. Ein Sich-Ausliefern an die Ökonomie der rigide begrenzten Zeit, die den beiden fernab der Heimat nur gegönnt ist, notwendige Konsequenz im Jet-Lag-Delirieren inmitten der neonstrahlenden Metropole und ihrer digitalen Plastikwelten. „Bist Du noch wach?“, auf einem unter der Tür hindurch geschobenen Zettel geschrieben, wird zur Schlüsselfrage. Diese beiden, so unterschiedlich wie sich nahe, leben nicht in den Zeitläufen der Anderen, die nur Kulisse bleiben.

Wie bereits in The Virgin Suicides (USA 1999) erhöht Sofia Coppola den behutsamen Kitsch des Alltags auf unaufdringlich artifizielle Weise zur Schönheit des Films. Scarlett Johanssons Hintern, von einem unspektakulärem Höschen bedeckt, dient ihm als erstes Bild, so banal in seinem Inhalt, so schön fernab männlich-voyeuristischer Kategorien auf der Leinwand. Ein wenig zu pummelig ist sie für eine Hollywood-Schönheit, die Nase ein bisschen zu groß, die Lippen etwas zu dick, der Busen eine Nuance zu großzügig ausgefallen – und dennoch macht ihr Coppolas Kamera die schönsten Komplimente, die sich eine Schauspielerin derzeit wünschen kann. Dies überträgt sich auf den Zuschauer, der, wie schon in Coppolas Debüt, nicht anders kann, als diesem gänzlich unsirenenhaften Wesen selbst noch in den kleinsten Belangen hypnotisiert zuzusehen, diesem Wesen, das sich selbst in einer der schönsten Szenen, der Bettszene in Vincent Gallos Buffallo ’66 (USA 1998) nachempfunden, als „durchschnittlich“ bezeichnet, dies eigentlich auch ist und dennoch in ihren Bann zieht.

Was bleibt ist tiefe Wärme im Innern, ein Stück Glückseligkeit, wie es auch der zwar gänzlich anders inszenierte, dennoch aber auf seltsame Art wesensverwandte Punch-Drunk Love (USA 2002) bescherte. Written & Directed by Sofia Coppola, wenn dieser Credit auf der Leinwand erscheint, möchte man, ganz wie der junge Holden Caulfield, zu Stift und Papier greifen, um einen Brief zu schreiben. Er würde dem Film wahrscheinlich nicht gerecht.

Lost in Translation
(Lost in Translation, USA 2003)
Regie/Drehbuch: Sofia Coppola; Kamera: Lance Acord; Schnitt: Sarah Flack;
Darsteller: Bill Murray, Scarlett Johansson, Akiko Takeshita, u.a.
Länge: 105 Minuten


Die DVD von Constantin

Seit dem 24. Juni ist „Lost in Translation“ auf DVD und VHS im Verleih; am 5. August erscheint der Film als Kauf-VHS und -DVD:

Die vorliegende Presse-DVD lässt sich leider in puncto Bild und Ton nicht bewerten, weil die Presseversion ausschließlich den Film mit Sicherheits-Raster-Einblendungen und keine Zusatzausstattung enthält. Nach der Presseinformation wird die Verkaufs-DVD folgende Features enthalten:

Die Ausstattung im Einzelnen:

Bild: 1,85:1 (16:9)
Ton: Deutsch (DD 5.1), Englisch (DD 5.1)
Untertitel: dt. für Hörgeschädigte (ausblendbar)
Extras: Darsteller-Infos, Gespräch mit Bill Murray und Sofia Coppola (mit dt. UT), Kevin Shields „City Girl“-Videoclip, Making of (mit dt. UT), Matthew’s Best Hit

FSK 6
Preis: 17,99 Euro

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Thomas Groh

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