Wie interpretiert man einen Film?

So lautet der Titel der bei Reclam erschienenen Einführung in die Filminterpretation, und selbst der Laie mag sich wundern: Was hat ein Filmbuch in einer Reihe „Literaturwissen“ zu suchen? Ist hier vielleicht eine fast hundertjährige Diskussion verschlafen worden, die seinerzeit den Stellenwert des Massenkulturprodukts Film an der Würde der hehren Kunstgattung Literatur zu messen suchte? Wird hier auf eine Herkunft des Films aus der Literatur angespielt und das Problem rigoros als Prioritätenfrage beantwortet? Oder geht es um eine Verwechslung?
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Der erotische Film

Es ist eine gewisse Freude, mitansehen zu dürfen, dass sich die ehemals „schmuddeligen“ Filmgenres Sexfilm, Pornofilm und Horrorfilm nun nach und nach in den Betrachtungen kulturwissenschaftlicher Seminare und Tagungen wiederfinden. Stellt sich doch ein Verständnis der Kultur nicht in den hohen Sphären künstlerischen Schaffens, sondern gerade „in der Trivialität“ (Engell) ein. Und so haben sich die Untersuchungen zum Erotik- und Pornofilm von den zuvor häufig ideologisch-feministischen Perspektiven abgewandt und stellen nun multiperspektivisch Fragen an das Genre. Doch an den Anfang der Auseinandersetzung mit der Interpretation sollte auch hier die Auseinandersetzung mit dem Film und seinen filmografischen Daten stehen, damit die empirische Basis der Untersuchung stimmt. Bei Königshausen und Neumann ist vor kurzem ein Sammelband zum „erotischen Film“ erschienen, der diese Notwendigkeit leider nicht immer ganz beherzigt.
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ePhilosophy

Das mittelalterliche Geschichtsdenken ist im wesentlichen ein heilsgeschichtliches: Geschichte vollzieht sich nach göttlichem Plan. Eng damit verbunden ist der Gedanke der translatio imperii et studii: Weltliche Macht und Kultur gehen durch göttliche Vorsehung von einem Reich auf das andere über. War es im 20. Jahrhundert aus naheliegenden Gründen still geworden um derart hoffnungsfrohe Geschichtsmodelle, so hat sich doch in letzten 10 bis 15 Jahren im Rahmen des Siegeszugs der Neuen Medien in nahezu allen kulturellen und gesellschaftlichen Sektoren eine positive Erwartungshaltung entwickelt, die man als eine Art säkulare Heilsgeschichte zu interpretieren geneigt sein könnte. In den interaktiven Medien, im Cyberspace vermutet man neue Lösungen für nahezu alle drängenden politischen, sozialen und ökonomischen Probleme. Auch hier läßt sich so etwas wie eine translatio imperii beobachten: War es zunächst der ökonomische Sektor, der seine Hoffnungen in eine New Economy setzte (diese Blase scheint unterdes geplatzt), so sind es heute die Sozial- und Kulturwissenschaften, die ihre Fragestellungen unter den Bedingungen der Multimedialität anders buchstabieren und so eine Reihe neuer Forschungsfelder erschließen. Bei der Wortbildung einer entsprechenden Fachterminologie hat sich in diesem Zusammenhang das Suffix „e-“ (für „electronic“) als sehr produktiv erwiesen. Die neuen Forschungsfelder heißen also zum Beispiel eGovernance, ePublishing, oder eLearning.
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For the Love of the Game

Inzwischen lassen sich auch in Deutschland eine Reihe Bücher finden, die verstreute Texte von Filmkritikern bündeln und in einen neuen Zusammenhang stellen. Eine der schönsten dieser Sammlungen hierzu ist Karsten Wittes schon klassische „Im Kino“ aus dem Jahr 1985. Das Buch von Norbert Grob – „Im Kino gewesen …“ – stellt sich mit seinem Titel aber nicht nur in diesen, sondern auch in einen anderen filmtheoretischen/filmgeschichtlichen Kontext. Dieser offenbart – als Replik auf Kafkas berühmten Tagebucheintrag „Im Kino gewesen. Geweint.“ – auch das, was in der dunklen Höhle alles möglich werden kann. Und was hier aufgezeichnet worden ist – als „Reisetagebuch“, wie Dietrich Kuhlbrodt das einmal formuliert hat.
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Medienwirkungen

Der Sinn der Medien ist es zu wirken. Informationen sollen zum Nutzer gebracht, Emotionen ausgelöst, Einstellungen geändert und Handlungen forciert werden. Soweit zur Sichtweise der Medienproduktion. Aber was kommt beim Nutzer an und wie „wirken“ Medien und ihre Inhalte tatsächlich? Welchen Einfluss auf das Weltbild und das Verhalten haben Medien? Diese Fragen beschäftigen die sozialwissenschaftliche Medienwirkungsforschung, von der oftmals nur die Frage der „Gewaltwirkung“ als Spitze des Forschungseisberges wahrgenommen wird. Im Westdeutschen Verlag ist nun die zweite Auflage von Michael Jäckels Studienbuch „Medienwirkungen“ erschienen, die eine Einführung in die Theorie(n) und einen Abriss der Forschungsgeschichte liefert.

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Passion

Bis heute stellen die Filme des us-amerikanischen Regisseurs Sam Peckinpah ein Faszinosum und ein großes Erbe der Filmgeschichte dar. Vor allem die Auflösung der zahlreichen Gewaltszenen – Peckinpah war wohl der erste Auteur, den vor allem (auch) die Darstellung von Gewalt interessierte – in ambivalent poetische Bilder, in denen das Schreckliche und das Schöne so dicht beieinander liegen wie selten in der Geschichte zuvor, wirkte stilbildend und zählt, in Filmen von Enzo G. Castellari, John Woo und Quentin Tarantino vielzitiert, mit zu seinem großen Vermächtnis. Ganz nebenbei verschaffte ihm dieses offensichtlichste Merkmal seiner Filme den Ruf, ein Macho zu sein, der Männerfilme für harte Kerle drehe. Dass Peckinpah meist schon frühmorgens auf dem Set zu trinken begann und in nicht wenige Frauengeschichten verwickelt war, scheint diese Einschätzung noch zu untermauern. Bei genauerem Hinblicken aber zielt der Vorwurf ins Leere: Die oft als glorifizierend bezeichneten, typischen Todesszenen in Zeitlupe entpuppen sich weit weniger als Verherrlichung, sondern entsprechen dem melancholischen Duktus seiner Filme, in denen – ganz im Gegenteil, möchte man da seinen Kritikern entgegen halten – allzu bornierter Machismo ganz deutlich narrativ als Quell allen Unheils gezeichnet ist. Nicht nur diese, bis heute oft angestrengte Kontroverse um Peckinpahs Werk und ihrem ideologischen Gehalt machen ihn, so Mike Siegel, Autor des vorliegenden Bandes „Passion & Poetry – Sam Peckinpah in Pictures“, zu einem der „meistbesprochenen Regisseure aller Zeiten“.
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Martin Scorsese und das System „Georg Seeßlen“

Mit Konzepten wie dem Tod des Autors bei Roland Barthes, der Auflösung des Autors in den Diskursen bei Michel Foucault, der Grammatologie von Jacques Derrida und der Intertextualität, die Julia Kristeva aus dem Werk von Michail Bachtin übersetzt, hat sich das Verhältnis des Lesers zum Schriftlichen gründlich geändert. Statt abgeschlossener Bücher gibt es nur mehr ein einziges Schriftuniversum aufeinander verweisender Zeichen. Alles ist ein Text. Oder wie Derrida kursiv und im Zentrum seiner Grammatologie formuliert: „Ein Text-Äußeres gibt es nicht.“ Georg Seeßlen, die Schreibmaschine der deutschsprachigen Filmpublizistik, formuliert in einem seiner seltenen Interviews:
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Drei Punkte nach der Sexualtheorie

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der Psychoanalyse wird durch zweierlei erschwert: Zum ersten durch die Tatsache, dass die wesentlichen Paradigmen der Theorie nicht falsifizierbar sind – was die Psychoanalyse zu einer Art Metaphysik der Seele macht; zum Anderen dadurch, dass deren Begründer Sigmund Freud die Psychoanalyse wie eine Religion gegründet und verbreitet hat: Eine eigene Schule mit Eingeweihten und Exkommunizierten, für Wissenschaften der unübliche Verbreitungsweg. Diese beiden Tatsachen sind der Grund dafür, dass die Psychoanalyse innerhalb der Psychologie sehr kontrovers diskutiert wird. Kritische Diskussionen und Einführungen scheinen also notwendig, um zu klären, wo die speziellen Leistungen und Schwächen der Theorie sind.

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Vorstoß in die Zone

Das filmische Werk Andrej Tarkowskijs stellt ästhetisch wie narrativ eine Ausnahmeerscheinung der Filmgeschichte dar. Wie kaum ein zweites lässt es auch heute noch den Rezipienten mit Fragen zurück, gibt Anlass zur tiefergehenden Reflexion. Die quasi-autistische Verschlossenheit, mit der Tarkowskij in seinen Filmen existenzielle Thematiken wie Isolation, Entfremdung, Grenzerfahrungen, das Sein des Menschen überhaupt verhandelt, macht eine Auseinandersetzung auf philosophischer Ebene so erkenntnisversprechend wie naheliegend. Marius Schmatloch hat sich mit dem vorliegenden Band dieser Aufgabe gestellt.

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Ab 18

Zensur neigt, als ideologisches Projekt, dazu, sich selbst überflüssig zu machen. Ihr Ziel ist nicht das eigene, gleichsam ewige Fortbestehen, sondern im ideellen Sinne an der eigenen Überkommenheit zu arbeiten. Nicht der sanktionierende Rotstrich, nicht der schwärzende Balken stehen im Focus, sondern das Buch, der Film, die Ästhetik, die aufgrund dieser besonderen Bedingungen erst gar nicht zustande kommen. Zensur ist also nicht allein Filtern, sondern vor allem auch Prävention. Deshalb gibt es auch keine institutionelle Zensur mehr – es wäre auch reichlich töricht, heutzutage zu schwärzen. Etabliert wurde vielmehr, ein paar Modernisierungen später, ein ineinandergreifendes »Patchwork« aus ökonomischen, juristischen und sozialen Sanktionen, welches einer zensurierenden Ideologie nur noch in Ausnahmefällen aktiv in die ästhetischen und kulturellen Diskurse einzugreifen abverlangt.

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