For the Love of the Game

Inzwischen lassen sich auch in Deutschland eine Reihe Bücher finden, die verstreute Texte von Filmkritikern bündeln und in einen neuen Zusammenhang stellen. Eine der schönsten dieser Sammlungen hierzu ist Karsten Wittes schon klassische „Im Kino“ aus dem Jahr 1985. Das Buch von Norbert Grob – „Im Kino gewesen …“ – stellt sich mit seinem Titel aber nicht nur in diesen, sondern auch in einen anderen filmtheoretischen/filmgeschichtlichen Kontext. Dieser offenbart – als Replik auf Kafkas berühmten Tagebucheintrag „Im Kino gewesen. Geweint.“ – auch das, was in der dunklen Höhle alles möglich werden kann. Und was hier aufgezeichnet worden ist – als „Reisetagebuch“, wie Dietrich Kuhlbrodt das einmal formuliert hat.

Man kann auch die Behauptung wagen, es sei doch schon recht spät für diese Sammlung – hat Grob sich doch immer wieder um die Filmkritik verdient gemacht: eben auch theoretisch. Die Reflexion zum Thema scheint ihm wirklich sehr am Herzen zu liegen – immer wieder erscheinen Texte Grobs in theoretischer Reflexion. Diese Sammlung speist sich aus der Praxis.

Norbert Grob ist – so ist es auf dem Backcover knapp zusammengefasst – „Autor, Kritiker, Essayist, Wissenschaftler“. Man kann ihn in die cineastische Tradition der Nouvelle Vague stellen, was deren Theorie und Praxis betrifft: als Verfechter etwa der Autorentheorie sowie als Schreiber, der dem Kino der Autoren seine größte Aufmerksamkeit widmet, aber auch „Realisationen“ zu würdigen weiß. Immer wieder finden sich bei ihm Verweise auf und Zitate von Godard, Rivette und anderen.

Vorwiegend sind die Texte zu aktuellen Filmen geschrieben worden, aber auch einige ältere werden hier besprochen (etwa Aldrichs „Ulzana’s Raid“ oder „Angel Face“, ein Film noir von Otto Preminger – zwei Spezialgebiete des Autors) und diese beweisen, dass es ein Wort wie eben „älter“ in diesem Zusammenhang nicht geben kann. Grob lässt Filme und Filmgeschichte lebendig werden: vor dem inneren Auge und durch die Wirkung, den Einfluss seiner Texte. Als Leser hört man, während man liest, einer Geschichte zu. Im Nachhinein dann stellt man fest, dass sich im Kopf auch ästhetische Signifikanten abgesetzt haben. Es geschieht, was in Filmkritiken möglich sein sollte: Man erfährt nicht einfach etwas, sondern man lernt auch dazu.

Und das Buch bietet so viele Texte – 129 von nahezu 1000 publizierten -, dass man sich regelrecht hineinstürzen kann: ein Lesebuch. Es finden sich Filme, die man gesehen, Namen, die man gehört, und Gedanken die man ansatzweise gedacht hat – oder die zu denken das rechte Sehen, die rechte Erfahrung fehlte. Hier sind sie ausformuliert. Die Texte sind „rund“ und die Einstiege rekurrieren bei Grob oft auf den Beginn des Films. Eine Technik, die, für den Autor reizvoll, für den Leser filmbindend wirkt. Grob nimmt einen mit.

Aus 25 Jahren kritischem Schaffens in der Welt des Films stammen diese Texte und aus teils sehr verschiedenen Publikationen. Gerade diese zeitliche und räumliche Spannung macht deutlich, wie außergewöhnlich das allen Beiträgen Gemeinsame ist: Sie sind in Liebe gewagt. Selbstverständlich ist das keineswegs – und es ist tatsächlich erstaunlich, wie es gelingen konnte. Norbert Grob gebührt dafür zumindest eine Gratulation. Und hinter dem bei allen Schönheiten des Buches (auch editorisch) nun schlicht erscheinenden Titel „Im Kino gewesen …“ verbirgt sich so letztendlich auch das Zeugnis eines seltenen Erfolgs.

Norbert Grob
Im Kino gewesen …
Kritiken zum Film. (1976 – 2001)
440 S. Zahlreiche Abbildungen. DIN A5. Gebunden
EURO 24,95

Bei Amazon kaufen.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.