F.LM mit neuer Internetseite

Ab dem 4. August ist F.LM unter dem gewohnten Link mit neuer Internetseite im Netz zu finden. Das Redaktionssystem wurde vollständig ersetzt (beruht nun auf dem Blog-System „WordPress“) und das Layout erneuert Folgende Features bietet die Seite unter anderem:

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Die Datenübertragung aus dem alten System ist fast abgeschlossen. In Kürze wird das gesamte Filmkritiken- und Rezensionsarchiv von F.LM wieder zur Verfügung stehen. Der Relaunch der Seite hat darüber hinaus auch die Funktion einen „Praxistestes“. Sollten Fehler oder Fragen bezüglich der Benutzung auftauchen, so bitten wir um einen Kommentar (Eingabefeld unten).

Die Redaktion.

Lagerräumung geht weiter

Nach der Inventur und Konsolidierung der Lagerbestände geht der Räumungsverkauf – nunmehr wieder mit allen 4 Ausgaben – weiter. Ab sofort kann jedes Einzelheft der F.LM für 1,50 Euro* bzw. das Paket mit allen 4 Ausgaben für 5,00 Euro* über den Shop erworben werden.

* Preise zzgl. Porto- und Verpackungskosten und inkl. MwSt.

Die Fluchtlinien des Textes und die Grenzen des Films

Das Misstrauen der Philosophie gegenüber der medialen Vermittlung philosophischen Wissens ist wohl ebenso alt, wie die Philosophie selbst. Und die Liste der Vorwürfe, die gegen die „Träger des Gedankens“ vorgebracht worden sind, ist bekanntlich lang: Die Rhetorik trügt und blendet, die Metapher verführt, die Schrift macht vergessen und nicht zuletzt das Bild ist ein minderwertiges Erkenntnismedium, dem nicht zu trauen – vor allem – nichts zuzutrauen ist.
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Kurzrezensionen Oktober 2004

  • Jacques Lacan: Das Seminar, Buch IV. Die Objektbeziehung. Turia + Kant 2004.
  • Norbert Grob: Im Kino gewesen … Kritiken zum Film (1976 – 2001). St. Augustin: Gardez! 2003.
  • Siegfried Kracauer: Kleine Schriften zum Film. 3 Bdd., hrsg. von Inka Mülder-Bach. Frankfurt: Suhrkamp 2004.
  • Linda Hentschel. Pornotopische Techniken des Betrachtens. Raumwahrnehmung und Geschlechterordnung in visuellen Apparaten der Moderne. Reihe: Studien zur visuellen Kultur, Bd. 2. Marburg: Jonas 2001.
  • Silvia Kling. Filmologie und Intermedialität. Der filmologische Beitrag zu einem aktuellen medienwissenschaftlichen Konzept. Tübingen: Stauffenberg 2002.
  • Irmberg Schenk (Hg.): Zeit-Sprünge. Wie Filme Geschichte(n) erzählen. Berlin: Bertz 2004.
  • Christian Mikunda: Kino spüren. Strategien der emotionalen Filmgestaltung. Wien: WUV 2002.
  • Michel Foucault: Die Hermeneutik des Subjekts. Vorlesung am Collège de France (1981/82). Frankfurt am Main: Suhrkamp 2004.
  • Joachim Krampert/Jürgen Wehnert: Das Edgar Wallace Lexikon. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf 2004.
  • Gérard Naziri: Paranoia im amerikanischen Kino. Die 70er Jahre und die Folgen. St. Augustin: Gardez 2003.
  • Marli Feldvoß/Marion Löhndorf (Hrsg.): Marlon Brando. Berlin: Bertz 2004.
  • Hans Helmut Prinzler/Gabriele Jatho (Hrsg.): New Hollywood 1967 – 1976. Trouble in Wonderland. Berlin: Bertz 2004.
  • Seymour Chatman/Paul Duncan (Hrsg.): Michelangelo Antonioni – Sämtliche Filme. Köln: Taschen 2004.

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Keine Medienwissenschaft aus der hohlen Hand

Die insitutionelle Kluft, die sich in den Geisteswissenschaften zwischen ästhetischen und empirischen Fragestellungen seit Langem abzeichnet, lässt sich an den Medienwissenschaften (vielleicht auch deshalb der Plural) besonders deutlich ablesen. Zwischen soziologisch/psychologisch/anthropologischen und ästhetisch/kunsthistorischen Ausrichtungen gab und gibt es an einigen Fakultäten regelrechte Kämpfe um die Existenzberechtigung. In der nicht-akademischen Öffentlichkeit scheinen diese Kämpfe bereits entschieden zu sein, bevor man sie überhaupt wahrgenommen hat: Medienwissenschaft(!) ist empirisch fundiert und reiht sich ein in den Kanon naturwissenschaftlicher Disziplinen, deren Relevanz im Gegensatz zu den Geisteswissenschaften ja noch nie angezweifelt wurde.

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Mediologie

Div.: Mediologie Band 1-10, Reihe im DuMont-Verlag 2001-2004

In den 1980er Jahren sind in den Geistes- und Kulturwissenschaften alte Theorieparadigmen umgestürzt und neue errichtet worden. Strukturale Psychoanalyse, Postmoderne, Poststrukturalismus, Diskursanalyse, Dekonstruktion, New Historicism und andere Theoriebewegungen haben das Denken und Schreiben der deutschen Geisteswissenschaften radikal verändert und erst die Kultur- und Medienwissenschaften ermöglicht, wie wir sie heute kennen. Zwei jüngere Theoriestränge sind dabei spezifisch deutsche Formationen, und erst seit kurzer Zeit wird deutlich, wie hoch ihr Einfluss auf das gesamte Spektrum von Philosophie, Soziologie, Literatur-, Film- und Medienwissenschaften ist.
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Porn Studies

„Es hilft nichts. Er ist da“, schrieb der Regisseur Arthur Maria Rabenalt über den Pornofilm. Trotz des rhetorischen Bemühens um dieses Genre ist der Seufzer im Satz kaum überhörbar. Das Genre des pornografischen Films ist nicht nur als Produkt, sondern auch als Erkenntnisobjekt verbrämt. Es fristet sein Dasein als Forschungsdesiderat. Zwar gibt es eine Auseinandersetzung mit diesem Thema, doch die Publikationen, die in der Mehrzahl eher journalistischen Ursprungs sind, haben einer objektiven Betrachtung der Pornografie mehr geschadet als dazu beigetragen. Widersprüchliche Ergebnisse, ein ständig redundant verwerteter Datenwust und wertender Annahmen haben bisher kaum wissenschaftlich akzeptable Erkenntnisse erbracht und führten zu keiner wissenschaftlichen Konsensbildung.
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Kill Bill Pt. 2 – Leider keine Filmkritik, USA 2004, Quentin Tarantino

Zusammen mit der Einladung zur Pressevorführung von „Kill Bill Pt. 2“ erreichte uns die Vorgabe des Verleihers, dass für Filmkritiken zu „Kill Bill Pt. 2“ eine „Sperrfrist“ bis zum 16.04.04 besteht. „Sperrfristen“ werden normalerweise von Presseagenturen für Personalmeldungen, termingenaue politische Informationen und ähnliches erteilt. Journalisten sind gehalten, sich an die vorgegebenen Sperrfristen zu halten, da es sonst zu rechtlichen Problemen kommen kann. Im Fall des Filmjournalismus stellen „Sperrfristen“ unseres Wissens nach ein Novum dar, das es in der Vergangenheit so noch nicht gegeben hat.
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Die Nacht des Lebendigen weicht vor der Helligkeit des Todes

Der Körper des Verurteilten und der pathologische Körper

Leben wir in einer Gesellschaft, die den körperlichen Horror und das Spektakel ausschließt und gegen Disziplin und Überwachung eingetauscht hat? Der französische Philosoph Michel Foucault geht von einer solchen Verschiebung im Diskurs z. B. bei der Strafgewalt aus. Wie Steffen Hantke bemerkt, findet man eine der härtesten Horrorszenen nicht in einem Film des gegenwärtig boomenden Slashergenres (z. B. Scream, USA 1996), sondern auf den ersten Seiten von Foucaults Überwachen und Strafen: »Am 2. März 1757 war Damiens dazu verurteilt worden, vor dem Haupttor der Kirche von Paris öffentliche Abbitte zu tun«, wohin er »in einem Stützkarren gefahren werden sollte, nackt bis auf ein Hemd und eine brennende zwei Pfund schwere Wachsfackel in der Hand; auf dem Grève-Platz sollte er dann in Stürzkarren auf einem dort errichteten Gerüst an Brustwarzen, Armen, Oberschenkeln und Waden mit glühenden Zangen gezwickt werden; […]« (Foucault 1994, 9)

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Die Geburt des urbanen Grauens aus dem Musikfernsehen.

»Der Himmel über dem Hafen
hatte die Farbe eines Fernsehers,
der auf einen toten Kanal eingestellt ist.«
(William Gibson: Neuromancer)

»Ich will ihn schon die ganze Zeit davon überzeugen,
dass wir zusammen einen Zombiefilm machen.
Wenn Chris den drehen würde, wäre das der beste verdammte Zombiefilm ever.
Aber er macht sich zuviel Gedanken um sein Bild in der Öffentlichkeit
und will nicht so recht.«
(Aphex Twin)

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Naivität ist Täuschung

Im Zentrum des neuen Derrida-Films steht immer die Frage des »Wer oder Was«. Sowohl bei den Valenzen der Liebe als auch bei denen der Vergebung: Lieben wir jemanden oder lieben wir jemanden für etwas? Vergeben wir jemandem oder vergeben wir jemandem etwas? Diese Frage, die nach Subjekt oder Objekt, dominiert Derridas Überlegungen im Dokumentarfilm Derrida.

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Opiumhöhle und ästhetisches Asyl

»I’m in the front row with popcorn.
I get to see you – close up.«
(Alanis Morrissette)

Der französische Philosoph Michel Foucault zählt das Kino, jenen „merkwürdigen, viereckigen Saal, in dessen Hintergrund man auf einem zweidimensionalen Schirm einen dreidimensionalen Raum sich projizieren sieht“ (2002:42, Übersetzung leicht abgeändert), zu den Heterotopien. Mit diesem Begriff bezeichnet er eine eigentümliche Klasse von Orten, die im sozialen Ordnungsgefüge, das auch und vor allem ein Gefüge von Räumen ist – Foucault spricht von „Plazierungen“ (ebd. 38) –, eine präzise Funktion wahrnehmen, diese Funktion aber zugleich transzendieren und damit unerwartete Effekte produzieren. Heterotopien haben mithin „die sonderbare Eigenschaft […], sich auf alle anderen Plazierungen zu beziehen, aber so, daß sie die von diesen bezeichneten oder reflektierten Verhältnisse suspendieren, neutralisieren oder umkehren“ (ebd.) Inwiefern der Kinosaal ein solcher Ort ist, wird bei Foucault nur angedacht. Die Heterotopologie, die Analyse der Heterotopien, wird von ihm nur mit groben Pinselstrichen skizziert. Ausgeführt hat er dieses Programm selbst nicht.

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»The Retina of the mind’s Eye«

In seiner einhundertjährigen Geschichte haben der Film (1) und seine Autoren stets versucht, den Nimbus der bloßen Unterhaltungsware abzulegen. Eines der nachhaltigsten Ergebnisse dieser Bemühung war, dass nach dem zweiten Weltkrieg zwischen Unterhaltungs- und Kunstfilm unterschieden wurde. Die Theorien der „Neuen Wellen“ haben aber nicht „ausgegrenzt“, sondern den vormals als Unterhaltung per se diskreditierte Genrefilm ebenfalls vom Verdacht befreit, anspruchslos zu sein: Die Western John Fords oder die Thriller Alfred Hitchcocks sind zwei Beispiele von hochgradig reflektierendem Autoren-Genre-Kino. Hinter der Differenzierung von ernstem und Unterhaltungsfilm scheint ein besonderes Ansinnen zu stecken: Der Autorenfilm soll nicht allein gefallen, sondern Intention oder doch wenigstens Bedeutung transportieren, die dem Zuschauer dann auch jenseits der Kinomauern „nützt“.

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Derrida/derrida

»Was über diesen Abschluss hinausreicht ist nichts:
weder Präsenz des Seins, noch der Sinn, noch die Geschichte,
noch die Präsenz; sondern Anderes, das keinen Namen hat,
das sich im Denken dieses Abschlusses ankündigt und hier unsere Schrift leitet.«
(Derrida, Grammatologie, S. 491)

»Schrecklich doch, o Phaidros,
hat doch die Schrift Ähnlichkeit mit der Malerei.«
(Platon, Phaidros, 275 d)

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ePhilosophy

Das mittelalterliche Geschichtsdenken ist im wesentlichen ein heilsgeschichtliches: Geschichte vollzieht sich nach göttlichem Plan. Eng damit verbunden ist der Gedanke der translatio imperii et studii: Weltliche Macht und Kultur gehen durch göttliche Vorsehung von einem Reich auf das andere über. War es im 20. Jahrhundert aus naheliegenden Gründen still geworden um derart hoffnungsfrohe Geschichtsmodelle, so hat sich doch in letzten 10 bis 15 Jahren im Rahmen des Siegeszugs der Neuen Medien in nahezu allen kulturellen und gesellschaftlichen Sektoren eine positive Erwartungshaltung entwickelt, die man als eine Art säkulare Heilsgeschichte zu interpretieren geneigt sein könnte. In den interaktiven Medien, im Cyberspace vermutet man neue Lösungen für nahezu alle drängenden politischen, sozialen und ökonomischen Probleme. Auch hier läßt sich so etwas wie eine translatio imperii beobachten: War es zunächst der ökonomische Sektor, der seine Hoffnungen in eine New Economy setzte (diese Blase scheint unterdes geplatzt), so sind es heute die Sozial- und Kulturwissenschaften, die ihre Fragestellungen unter den Bedingungen der Multimedialität anders buchstabieren und so eine Reihe neuer Forschungsfelder erschließen. Bei der Wortbildung einer entsprechenden Fachterminologie hat sich in diesem Zusammenhang das Suffix „e-“ (für „electronic“) als sehr produktiv erwiesen. Die neuen Forschungsfelder heißen also zum Beispiel eGovernance, ePublishing, oder eLearning.
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Kurzrezensionen

Mit „Wie in einem Spiegel“ veröffentlicht Thomas Koebner zum dritten Mal eine Zusammenstellung seiner jüngsten »Schriften zum Film«. Wie bereits in den vorhergegangenen Bänden steht vor allem die Lust am Text zum Film im Vordergrund, die Lust am Flanieren durch den Film in all seinen Facetten: Koebners scharfsinnige Beobachtungen, Kommentare und Analysen reichen, in elegantes sprachliches Gewand gekleidet, von Genres, Regisseuren, Schauspielern und einzelnen Filmen über gängige Motive und Ästhetik hin zur Historie des Films. Der Autor lässt sich Zeit und Raum für ein genaueres, ein zweites Hinblicken. Dabei wird die eine oder andere »universelle Wahrheit« einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen und selbst längst schon als abgeschlossen empfundene Themenfelder werden um neue Facetten bereichert. Ein in jeder Hinsicht schönes Buch ist es also geworden, das mit seiner Fülle an Material zu langem, versunkenem Schmökern einlädt.

Thomas Koebner. Wie in einem Spiegel – Schriften zum Film, Dritte Folge. St. Augustin: Gardez!, 2003, 560 Seiten Hardcover, 29,95 Euro
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Ein gutes Jahr für die Murnau-Forschung: Neben einer kompletten Berlinale-Retrospektive der überlieferten Filmografie mit teils neugezogenen Kopien und einer vielbeachteten Ausstellung im Filmmuseum Berlin erfreut sich auch ein großformatiger, umfangreicher Sammelband zu Leben und Werk Friedrich Wilhelm Murnaus der Veröffentlichung. Die Publikation ist für den Connaisseur wie den Filmhistoriker im gleichen Maße interessant: In einer umfangreichen Auseinandersetzung beschäftigt sich Thomas Koebner differenziert mit Murnaus Werk. Dem folgt, zweigeteilt, ein Kapitel zur Biografie des Regisseurs. Kernstück stellt eine umfangreiche Dokumentation der Filmografie dar, die zeitgenössische Quellen der Rezeption – diese sind besonders im Fall der verschollenen Filme sehr interessant – mit heutigen Neubetrachtungen des überlieferten Werks namhafter Regisseure und Filmpublizisten in Bezug setzt. Eine hinsichtlich der Auswahl so gelungene wie qualitativ gut aufbereitete Zusammenstellung zahlreicher Quellmaterialien aus den Produktionen und Murnaus Biografie ermöglichen einen Blick auf den Produktionshintergrund der Filme und ihre Entstehungsgeschichte.

Hans Helmut Prinzler (Hg.) Friedrich Wilhelm Murnau. Ein Melancholiker des Films. Berlin: Bertz, 2003, 304 Seiten Hardcover, 25,00 Euro
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»Dein Sexfilm – Das unbekannte Wesen«, könnte man Annette Mierschs akademische Auseinandersetzung mit dem deutschen Sexreport-Film paraphrasieren. Gerne wurden damals seitens der Produktionen, leicht durchschaubar natürlich, Aufklärungsabsichten in den Vordergrund gespielt, um die Darstellung nackter Haut und expliziter Situationen zu rechtfertigen. Heute dienen Schulmädchen-Report und andere Filme des Genres nun wirklich dazu, über das damals vorherrschende Dispositiv der Sexualität etwas in Erfahrung zu bringen: Miersch liest das Phänomen mit Foucault und untersucht die Inszenierung sozio-sexueller Realität. Das Ergebnis überrascht denjenigen natürlich kaum, der die Filme beispielsweise in ihrer zweiten großen Welle, als Profilierungsoption privater Fernsehsender, in den frühen Neunzigerjahren miterleben konnte: Doch das Verdienst der Monografie liegt woanders, nämlich in der Mühe, den Korpus genau zu erfassen, mit wissenschaftlicher Akribie statistisch auszuwerten und ihn wieder ins Gedächtnis zurückzuholen. Eine, gemessen am wellenförmigen Erfolg der Filme, aber auch angesichts deren Strategien zur Authentifizierung ihrer Erzählung, bemerkenswerte Vernachlässigung der Filmwissenschaft bislang. Eine für Bertz obligatorisch reiche wie gelungene Illustration rundet den überaus positiven Eindruck ab.

Annette Miersch. Schulmädchen-Report. Der deutsche Sexfilm der 70er Jahre. Berlin: Bertz, 2003, 254 Seiten, 25,00 Euro
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Die Auseinandersetzung um »Identität und Film« gehörte in den letzten Jahren, vor allem mit dem Geschlechterdiskurs im Fokus, mit zu den populärsten. Auch die Aufsatzsammlung »wo/man – Kino und Identität« kapriziert sich entsprechend, es mag am Zeitgeist liegen, auf die Frage nach dem Geschlecht. Erfreulicherweise versammelt sich in dieser Herausgeberschaft eine ganze Reihe teils namhafter Autoren von unterschiedlichsten Hintergründen von Filmpublizistik und akademischen Betrieb. Dies garantiert eine Vielfalt von Herangehensweisen und Schwerpunkten. Der Erkenntnisgewinn gestaltet sich als von Text zu Text höchst unterschiedlich: Auseinandersetzungen mit Filmen, die selbst schon, narrativ bedingt, die Beschäftigung mit Geschlechtsidentitäten zum eigenen Primat erheben, gerieten gegenstandsbedingt recht vorhersehbar und können den an sich schon sehr aussagekräftigen Bildern der Filme nicht viel Spannendes zur Seite stellen. Auch psychoanalytische Ansätze wirken gelegentlich bemüht und wenig aussagekräftig. Stärker an den Filmen selbst orientierte Aufsätze – Koebners und Seeßlens Beiträge sind hier zu nennen, wenn auch letzter etwas kryptisch geraten ist – eröffnen eher schon Perspektiven. Um Impulse zu setzen bleibt der Band dann aber doch vielleicht eine Spur zu kalkuliert auf der sicheren Seite. Eine, trotz gewisser Übersättigungserscheinungen, noch immer spannende Debatte zu protokollieren, ihren aktuellen Stand der Dinge, auch für den Filmfreund außerhalb dieser Debatten, zusammenzufassen, gelingt ihm indes durchaus.

Bremer Symposium für den Film (Hg.) wo/man – Kino und Identität. Berlin: Bertz, 2003, 188 Seiten, 14,90 Euro
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Lange – seit der Kinopremiere von Mullholand Drive (USA 2001) – angekündigt war die nun endlich erschienene überarbeitete und erweiterte vierte Auflage von Georg Seeßlens Lynch-Monografie. Angesichts dieser recht langen Wartezeit enttäuscht das Ergebnis etwas: Es wurde lediglich ein Kapitel zu Lynchs letztem Spielfilm angefügt, das an mancher Stelle zwar, analog zum Gegenstand, etwas chiffriert daherkommt, sich aber im Wesentlichen flüssig an den bereits bestehenden Korpus anschmiegt. Ansonsten wurde der Band in altbekannter Form belassen, wie der Blick ins Literaturverzeichnis schnell beweist: Jüngere Publikationen, darunter einige durchaus interessante, ironischerweise sogar aus dem Hause Schüren, finden keine Erwähnung. Ganz bodenständig stellt sich somit die Frage nach der Dringlichkeit des Erwerbs: Steht die vierte Auflage noch im Bücherschrank erübrigt sich diese eigentlich. Wer sich erst noch an Lynch herantastet, ist indes gut beraten, Seeßlens überarbeitete Auflage griffbereit zu halten.

Georg Seeßlen. David Lynch und seine Filme. Marburg: Schüren, 2003, 256 Seiten Paperback, 19,80 Euro
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Genau genommen geht es in Burkhard Röwekamps reich bebilderter Dissertation zum Film noir nicht an sich um einen Filmkorpus, viel eher schon um das »noir« und dessen Differenzqualitäten im Sprachgebrauch der Rede über den Film. Gerne und oft verwendet, erweist sich diese Zuschreibung doch als unscharf und ungenügend definiert. Nicht zuletzt ein Blick in die internationalen Debatten und Diskurse um den Film noir, die Röwekamp versiert zusammenfasst und zueinander in Bezug setzt, verdeutlicht das. Seine eindrucksvolle, scharfsinnige Auseinandersetzung fügt dieser jahrzehntelangen Debatte nun ein höchst bedeutsames Mosaiksteinchen hinzu: Das Wort »noir«, so seine These, ist im filmrelevanten Sprachgebrauch notwendig eher als Bezug auf eine méthode noire zu verstehen. Diese stellt ein in Genese und Wirkung komplexes Bündel an ästhetischen, narrativen und strukturellen Strategien zur Subjektivierung klassischer Erzählverfahren dar, die sich bis in die heutigen Tage ausformulieren. Vor diesem Hintergrund wird etwa Lynchs Film Lost Highway (USA 1997) als möglicher, konsequenter Endpunkt dieser Evolution transparent und lesbar. Eine spannende und inspirierende Lektüre von höchster Relevanz für die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand, deren sprachliche Souveränität lediglich durch ein paar so vermeidbare wie deshalb ärgerliche Versäumnisse des Lektorats getrübt werden.

Burkhard Röwekamp. Vom film noir zur méthode noire. Die Evolution filmischer Schwarzmalerei. Marburg: Schüren, 238 Seiten Paperback, 19,80 Euro
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Die Konnotation des Films als Äquivalent zum Traum blickt auf eine lange Tradition zurück. Dieser nähert man sich im vierten Band der Reihe »Film und Theologie« in einer langen Kamerafahrt aus der Totale ins Detail: Ausgehend von einer überblicksartigen Position der Kulturgeschichte des Traums gelangt man, über Freuds Theorien der Traumdeutung und einer Verhältnisbestimmung Psychoanalyse/Filmtheorie, zu den Positionen der klassischen Filmtheorie zum Gegenstand. Dieses Wissensfundament kommt im folgenden einer dezidierten Betrachtung des Traums im Film und dieses wechselseitigen Verhältnisses in den Filmen von Buñuel, Lynch, Bergman und einiger anderer zugute. Im Gesamten macht die Publikation einen soliden Eindruck, wenngleich die Lektüre einiger weniger Beiträge nur wenig Interessantes zutage fördert. Das im kirchlichen Sinne pädagogische Ansinnen spielt sich nur selten in den Vordergrund; der Band ist somit auch jenseits dessen von Interesse. Und mag man zur psychoanalytischen Filmtheorie, die hier häufig bemüht wird, auch stehen, wie man will, so fasst die Herausgeberschaft den Stand interner Diskussionen dieser Schule für den Außenstehenden doch gelungen zusammen.

Charles Martig/Leo Karrer (Hgg.) Traumwelten – Der filmische Blick nach Innen. Marburg: Schüren, 236 Seiten Paperback, 14,80 Euro
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Im Wilhelm Fink Verlag ist eine längst fällige Auseinandersetzung mit den Filmen Michael Hanekes erschienen. Die Dissertation Jörg Metelmanns stellt sich der für Haneke spezifischen Fragestellung nach der moralischen Diskursivität der Medien. Dem Thema des Bandes, der »Kino-Gewalt« nähert sich Metelmann aus vier analytischen Blickrichtungen: der Brecht’schen Theorie der Verfremdung, alteritätsphilosophisch, als ästhetischem Schnittpunkt zwischen Moderne und Postmoderne sowie mit Deleuze in der Gegenüberstellung Haneke/Antonioni. Die Untersuchung zeichnet sich durch ihre analytische Schärfe aus und vermittelt Ansätze zur Interpretation des Werksganzen des Österreichischen Regisseurs. Im Anhang findet sich ein Interview mit Haneke über dessen Film Die Klavierspielerin.

Jörg Metelmann. Zur Kritik der Kinogewalt. Die Filme von Michael Haneke. München: Fink, 2003. 298 Seiten Paperback, 38,90 Euro
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Rolf Giesen, unermüdlicher Lexikograf des Films, hat in seiner Eigenschaft als Fachmann für Zeichentrick und Animation jetzt ein Lexikon des Trick- und Animationsfilms veröffentlicht. Auf fast 480 Seiten führt er einzelne Filme und Serien, deren Produzenten und Zeichner sowie Techniken der Animation alphabetisch auf. Das in seinem Umfang bislang einzigartige Buch versteht sich in erster Linie als Nachschlagwerk und konzentriert sich daher vor allem auf die Vermittlung von Produktionsdaten und Inhaltsangaben. Einzelne Filme werden mit kurzen zitierten oder eigenen Kritiken ergänzt. Positiv fallen die Illustration, die grafische Gliederung und der Apparat auf, die den Zweck des Lexikons sehr unterstützen.

Rolf Giesen. Lexikon des Trick- und Animationsfilms. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2003. 478 Seiten Paperback, 22,90 Euro
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Der Stuttgarter Reclam-Verlag eröffnet mit einem Band über Western und einem Band über Science Fiction seine Reihe »Filmgenres« unter wechselnder Herausgeberschaft. Nach kurzen, einleitenden Essays zu den Genres versammeln beide Bände Filmkritiken unterschiedlichster Autoren und fügen diese nach der Chronologie der Filme zusammen. Das Verfahren, das Reclam bereits bei seiner vierbändigen »Filmklassiker«-Ausgabe zur Anwendung brachte, leistet zweierlei: ein zeitgenössischer Blick auf die »Klassiker« des Genres und Einzelbetrachtungen, die das reine Instrumentalisieren des Einzelfilms für die Geschichte oder Theorie des Genres vermeiden. Durch diese Vorgehensweise wird jedoch leider auch kanonischem Denken Vorschub geleistet und übergreifende Aspekte der Genregeschichte können nicht verfolgt werden. Beide Bände verfügen über Literaturhinweise, ein Glossar und ein Autorenverzeichnis.

Thomas Koebner (Hg.) Filmgenres: Science Fiction. Stuttgart: Reclam, 2003, 544 Seiten Taschenbuch, 10,80 Euro.
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Bernd Kiefer, Norbert Grob, Marcus Stiglegger (Hgg.) Filmgenres: Western. Stuttgart: Reclam, 2003. 375 Seiten Taschenbuch, 8,80 Euro
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Walken, dancin’

»Man braucht das Lob des amerikanischen Filmmusicals nicht mehr zu singen; hinter dem Schein von Leichtigkeit richtet sich der Realismus gerade dort umso nachdrücklicher ein, und wenn man die bewegendsten Kinoszenen aufzählen sollte, müsste man nicht wenige der Gesangskomödien Hollywoods zitieren; nach einigen Refrains und einigen Tanzschritten bekommen die Trennung zweier Liebender oder zwei, drei Tränen ein anderes Gewicht.« (François Truffaut)

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»Space-Lab«

»Es gibt keinen Ausweg. Die Stadt gehört uns. Wir haben sie erschaffen. Wir haben diese Stadt gestaltet auf dem Fundament gestohlener Erinnerungen; aus den verschiedenen Epochen formten wir sie zu einer einzigen Symphonie. Wir verbessern sie jede Nacht, wir kultivieren sie, um zu lernen.«
(Geständnis eines Außerirdischen in Dark City)

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