„Es hilft nichts. Er ist da“, schrieb der Regisseur Arthur Maria Rabenalt über den Pornofilm. Trotz des rhetorischen Bemühens um dieses Genre ist der Seufzer im Satz kaum überhörbar. Das Genre des pornografischen Films ist nicht nur als Produkt, sondern auch als Erkenntnisobjekt verbrämt. Es fristet sein Dasein als Forschungsdesiderat. Zwar gibt es eine Auseinandersetzung mit diesem Thema, doch die Publikationen, die in der Mehrzahl eher journalistischen Ursprungs sind, haben einer objektiven Betrachtung der Pornografie mehr geschadet als dazu beigetragen. Widersprüchliche Ergebnisse, ein ständig redundant verwerteter Datenwust und wertender Annahmen haben bisher kaum wissenschaftlich akzeptable Erkenntnisse erbracht und führten zu keiner wissenschaftlichen Konsensbildung.
Wie schön, dass die amerikanische Filmwissenschaftlerin Linda Williams mit „Porn Studies“ ein Buch herausbringt, dass die Pornografie-Forschung abermals entscheidend beeinflussen dürfte. Schon ihre bahnbrechende Studie „Hard Core. Power Pleasure and the Frenzy of the Visible” aus dem Jahre 1989 brachte eine Diskussion um das kulturellen Phänomen der Hardcore-Pornografie in Bewegung. Fünfzehn Jahre sind seitdem vergangen und die Folgeforschungen lassen sich an einer Hand abzählen. In Deutschland war es vor allem das Forschungsprojekt „Pornografie in allen Medien“ des Lüneburger Medienwissenschaftlers Werner Faulstich, der seine Ergebnisse 1994 in der Monografie „Die Kultur der Pornografie“ veröffentlichte. Jedoch mehr als ein Umriss einer möglichen (medien)wissenschaftlichen Konzeptionalisierung des Themas war dort nicht zu erwarten.
Für Fachkundige ist der Erkenntnisgewinn aus Linda Williams „Porn Studies“ freilich geringer. Die Aufsatzsammlung umfasst Artikel, die in der ernstzunehmenden Pornografie-Forschung eine entscheidende Rolle gespielt haben, wie z. B. Thomas Waughs Aufsatz über Homosexualität im klassischen amerikanischen stag film, Constance Penleys Ausführungen zu einem Verständnis des pornografischen Films als Subversion bürgerlicher sozialer Werte oder Eric Schaefers Untersuchung zum Einfluss der 16mm-Technik auf das Genre. Daneben enthält das Buch einige fortgeschriebene ‚seminar papers’ aus Williams Graduierten-Seminaren an der University of California – Berkeley (Institut), die nicht nur neue fachliche Einblicke geben, sondern auch Zeugnis ablegen von Williams Engagement für eine Aufnahme des pornografischen Films in das filmwissenschaftliche Curriculum. Am Ende findet sich eine annotierte Bibliografie (Die, wie bei Bibliografien üblich, meist mehr Lücken aufreißt, als sie vorgibt zu füllen.) und Bezugsmöglichkeiten für v.a. historische pornografische Filme.
Williams‘ Buch, das deutlich als Lehrbuch angelegt ist, ist ein Schritt hin zu mehr Selbstverständlichkeit sich eines solchen Themas anzunehmen. Eine Selbstverständlichkeit, die wir von den amerikanischen Cultural Studies, gerade mühsam zu lernen beginnen. All jenen, die unter guten, manchmal jedoch auch aberwitzigen Verhältnissen versuchen das Thema ‚Pornografie’ in die Universität zu holen, wird dieser Reader Grundlage und Argument sein.
Linda Williams (Hg.)
Porn Studies
Durham/London: Duke Uiv. Press 2004
520 Seiten (Paperback)
22,90 Euro
Enrico Wolf