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Ladykillers, USA 2004, Joel und Ethan Coen

Ein Coenstoff par excellence sollte man meinen: 1955 inszenierte Alexander Mackendrick mit Ladykillers einen ewigen Weihnachtsklassiker, in dem sich eine Schar skurriler Krimineller, angeführt von einem um Leib und Seele spielenden Sir Alec Guiness, bei einer naiven, britischen Teeoma einquartieren, um sich dort, wie sie sagen, in der hohen Kunst der Kammermusik zu üben. In Wahrheit nutzt man die Wohnung natürlich als Versteck, um dort aus einen pfundschweren Coup zu landen. Das Vorhaben gelingt zunächst, doch steht die Oma mit ihrer beschaulichen Gutmütigkeit dem erfolgreichen Beschluss schließlich im Wege. Die Seniorin muss aus dem Weg geschafft werden, darin sind sich alle einig, doch bringt keiner der Ganoven es übers Herz, die Tat auch zu vollstrecken. Misstrauen und Gier richten schließlich das Verbrechen gegen die Verbrecher selbst, bis keiner mehr am Leben ist. Bis heute gilt der atmosphärisch fotografierte, witzige Film als Meilenstein der Komödienkunst und genießt vollkommen zurecht seinen überwältigenden Ruf, den er alljährlich in der besinnlichsten Zeit des Jahres auf irgendeinem dritten Kanal unter Beweis zu stellen vermag.

Verbrecher, die über ihr eigenes Verbrechen stolpern und am Ende selbst denkbar gelackmeiert dastehen, die Filmografie der Coens ist voll von solchen Typen. Man denke etwa an Blood Simple (USA 1984) oder Fargo (USA 1996). Und in der Tat findet sich schon in erstgenanntem Film, ihrem Spielfilmdebüt, im Dialog ein offen wörtliches Zitat aus Mackendricks schwarzer Komödie. Da habe sich nun ein Kreis geschlossen, kommentiert Ethan Coen dann auch den neuesten Film der beiden Filmkritikerlieblinge im Presseheft.

Die Coens wären nicht die Coens, wenn sie dem Film lediglich eine technisch zeitgemäße Neuauflage auf den Leib schneidern würden. In der Tat wird der Stoff unter Beibehaltung der wesentlichen narrativen Grundpfeiler nahtlos der eigenen Filmografie einverleibt. Dazu gehört natürlich das Spiel mit regionalen, aber auch sozialen Identitäten und deren klischeehaften Verzerrungen aus dem weiten Raum der USA. Nahezu alle Filme der Coens tragen die Region ihrer Spielhandlung als deutliches Signum mit sich. In diesem Falle ist es die Gegend um den Mississippi, den Ol’ Man River, der sich gemächlich durch die Landschaft, die Geschichte der USA und natürlich durch diesen Film zieht. Die Handlung wurde in die schwarze Baptistengemeinde verlegt, entsprechend atmet der wie stets mit Sorgfalt zusammengestellte Soundtrack den Spirit alter Gospelstücke und lädt zu einer Geschichtsstunde über frühe afro-amerikanische Musikkultur ein. Die später zu tötende Lady ist die alte Marva Munson (Irma P. Hall), eine verwitwete, schon leicht wunderliche, aber treue Seele, die fleißig in den Gottesdienst geht und eine Baptistenschule, ganz nach ihren eigenen Verhältnissen, mit einer Kleinigkeit monatlich unterstützt. Alec Guinnes’ Part übernimmt Tom Hanks, der hier auf den Namen Professor Dr. phil. Goldthwaite H. Dorr hört, ein sich bis zur Unnachvollziehbarkeit gespreizt ausdrückender Altphilologe, der nicht erst mit seinen steten Poe-Rezitationen deutlich als Mann des 19. Jahrhunderts ausgewiesen wird, sondern schon durch sein Äußeres aus den Gepflogenheiten einer zeitgemäßen Bekleidung hervorsticht. Der wiederum versammelt nun eine ganze Horde an Typen und verzerrten Abziehbildern im Keller der Dame, vom Ex-Vietcong mit Hitlerbärtchen über einen Klischee-HipHoper und einen kernig-älteren Herrn, Typ Wandervogel deutscher Provenienz, der hingegen mit seinem Reizdarm zu kämpfen hat. Es folgt eine im Detail zwar variierte, im wesentlichen aber werkgetreue Reprise der filmischen Vorlage.

Soweit, so gut. Der Film beginnt wie ein waschechter Coen-Film und für einen Moment lang ist man bereit, nicht nur den missglückten Ein (Un)Möglicher Härtefall (USA 2003, unsere Besprechung hier), mit dem die Coens im letzten Jahr ihre Fans brüskierten, zu verzeihen, sondern auch diesen Film zu lieben: Alter Bluesgesang ertönt, ein wehmütiger Blick in den Himmel, von der Ferne ein paar Möwenschreie. Eine leicht groteske Statue rückt ins Bild, es folgt der Blick hinab zum Ol’ Man River, den wir aus der steilen Vogelperspektive sehen. Ein Dampfer kommt unter der Brücke hervor. Als Kenner des Films, aber auch des spezifischen Humors der beiden Coen-Brüder weiß man natürlich schon, dass auf diese Brücke, diesen Dampfer – ein Mülltransporter, der Tonnen von Kehricht auf eine Müllinsel, die sich beinahe malerisch am Horizont auftut, transportiert – unbedingt zu achten ist. Es folgen wunderbare Bilder aus der us-amerikanischen Provinz rund um den Mississippi. Bilder, die zwischen trübselig stimmender Rezession und fotografischer Schönheit gekonnt changieren. Es ist entspannend, dem zuzusehen. Die Coens, so scheint’s, sind nach dem allenfalls peinlichen Ehekomödienreinfall mit George Clooney wieder ganz bei sich.

Doch denkste. Zwar gelingt es dem Film ohne weiteres, sein Programm abzuspulen und der Versuch, den Zuschauer mit Versatzstücken der Coen-Stilografie und mit hoher Gagdichte bei Laune zu halten, ist offensichtlich. Doch kommt Ladykillers dabei über bloße Mimesis eigener Werkspezifika nicht hinaus, ganz im Gegenteil ist es, gerade für den Freund und Kenner der Coenfilme, bisweilen erschreckend zuzusehen, wie ungelenk die Coens mit ihren eigenen Stilmitteln, die oft genug in der Rede von anderen Filmen als Coen-Style zusammengefasst wurden, hantieren und sich dabei geradewegs in ihrer eigenen Filmografie verlaufen. Die Idee mit dem Baptistenumfeld ist gerade mal für ein paar in der Tat sehr schöne Gospelmesseaufnahmen gut, wird aber kaum weitergesponnen. In Form der Tante und des jungen HipHopers gewissermaßen zwei unterschiedliche Entwürfe afro-amerikanischer Identität gegenüberzustellen, bleibt als Idee geradewegs ungenützt: Es reicht für drei, vier deftige Ohrfeigen, die der Junge einstecken muss, weil die resolute Tante in ihrem Haus keine „HippityHop-Sprache“, wie sie sie unsouverän bezeichnet, duldet. Als Idee geradewegs verfeuert. Im Falle von Tom Hanks scheint man die sprichwörtliche Coen-Skurrilität mit bloßem Grimassieren verwechselt zu haben: Hanks zieht ein Gesicht nach dem nächsten, rezitiert mal Poe und kichert dann mal wieder albern aufdringlich ohne dass sich daraus humoristischer Mehrwert ergebe. Die anderen Figuren: Lieblos runtergerissene Klischeebilder mit eigentlich viel Potential, denen das der ganzen Situation nicht gewachsene Drehbuch, das über Klamauk und skatologische Rektalwitze den ganzen feinen Coenhumor, wie man ihn so schätzt, vergessen zu haben scheint, allein undankbare Witzchen und einfallslosen Slapstick zuwirft. Über eine maue Komödie könnte man ja noch ohne viel Federlesens hinwegsehen – im Coenkontext betrachtet geriert sich Ladykillers jedoch zur handfesten Enttäuschung.

Ein Film wie eine blasse Kopie eigener, früherer Filme. Die gewitzte Souveränität vergangener Tage, scheint’s, ist dahin. Das dem nicht so ist, steht zu hoffen. Der Knacks, den eine bis dahin fast schon unanständig makellose Filmografie mit Ein (Un)Möglicher Härtefall erlitten hat, hat sich zum handfesten Riss ausgeweitet.

Ladykillers
(USA 2004)
Regie: Joel Coen; Drehbuch: Ethan Coen n. d. Vorlage v. William Rose;
Kamera: Roger Deakins; Schnitt: Roderick Jaynes (= Joel & Ethan Coen);
Darsteller: Tom Hanks, Irma P. Hall, Marlon Wayans, J.K. Simmons, Tzi Ma,
Ryan Hurst, Diane Delano, George Wallace, John McConnell, Jason Weaver, u.a.
Länge: ca. 104 Minuten; Verleih: Buena Vista

Thomas Groh

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