Filmfest München 2007: Scheitern jenseits des Dschungels

Es fehlt ein wenig das, was Herzogs Werk so ausmacht: Das Hauptmotiv ist natürlich da, das Auflehnen eines Menschen gegen übermächtige Natur und/oder Umwelt. Aber das triumphale Scheitern, das fehlt. Zumindest auf den ersten Blick. Erst im Kontext mit „Little Dieter needs to fly“, dem anderen Dieter-Dengler-Film, zeigt sich, was „Rescue Dawn“ dann doch zu einem typischen Herzog-Film macht.

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Filmfest München 2007: „Half Nelson“

Es ist ein Film mit so vielen Enden, und keines davon wäre unangemessen: Da gibt es zuerst den Protagonisten, High School-Lehrer Daniel Dunne (großartig: Ryan Gosling), bei seinen Eltern. Er ist irgendwie am Boden zerstört bei diesem kleinen Familientreffen, bekommt seine Drogensucht nicht in den Griff, unausgesprochen. Ob die Eltern überhaupt davon wissen, könnte man sich fragen, bis Daniel mal wieder sein unvollendetes Buch erwähnt, gegenüber der Freundin seines Bruders: „It’s about change“, sagt er, und sein Vater fällt ihm – angetrunken – ins Word. „Yeah, Dan, what is change?“, Schweigen die Folge, und eine Versöhnung. Ein wenig Aufwind eben, der Abspann kann kommen.

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Autos mit Arschgeweih

Es geht um Kurven und Geraden, das macht „Cars“-Regisseur John Lasseter schon sehr früh klar: Er zeigt seinen Helden, den Rennwagen Lightning McQueen, auf der Reise nach Kalifornien, zum Abschlussrennen des „Piston Cup“. Der Interstate 40, auf dem Lightning fährt, ist schnurgerade, eben die kürzeste Verbindung zweier Punkte, und Lasseters virtuelle Kamera offenbart, dass das nicht natürlich ist: Einmal zeigt eine Vogelperspektive, wie sich unter der Straße ein Fluß dahinschlängelt, eine Einstellung später dann sieht man, wie für den Interstate eine Schneise in einen Hügel gebrochen wurde. Der Soundtrack spielt dazu „Life is a Highway“ von Rascal Flatts.

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Ein Bus gibt nicht auf

Die Sequenz hat Filmgeschichte geschrieben: Ein Greyhound-Bus rollt gemächlich durch Phoenix, sein Weg von schwer bewaffneten Polizisten gesäumt. Auf ein Kommando hin eröffnen sie alle das Feuer auf das Fahrzeug, schießen es buchstäblich in Stücke. Und trotzdem rollt der Bus unbeirrbar weiter – Clint Eastwood als Polizist Ben Shockley hatte zuvor um seinen Fahrersitz eine Kabine aus dicken Bleiplatten gebaut. Erst vor dem Gerichtsgebäude kommt er zum Stehen, steigt aus, verwundet, mit der wichtigen Zeugin, die gegen Polizisten aussagen soll, an der Hand.
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Roadmovie und Terrorfilm

Eine Hommage an das Kino der siebziger Jahre ist das immer noch. Es ist sogar noch immer eine Hommage an den Horrorfilm dieser Dekade. Nur ist „The Devil’s Rejects“ im Gegensatz zu seinem Vorgänger „House of 1000 Corpses“ selbst kein Horrorfilm mehr. „The Devil’s Rejects“ folgt nicht mehr dem Muster von Rob Zombies Debütfilm, wo eine Gruppe Jugendlicher in die Hände einer Familie psychopathischer Sadisten gerät. Inzwischen sind diese psychopathischen Sadisten die unbestrittenen Protagonisten des Films, daraus macht „The Devil’s Rejects“ keinen Hehl. Kult-Antagonisten zu Protagonisten eines Nachfolgefilms umzugestalten, ist kein neuer Kniff im Horrorkino. Gerade die großen Serien, „Halloween“, „Freitag der 13.“ oder „Nightmare on Elm Street“, leben in ihren späteren Folgen von der Beliebtheit ihres Monsters.
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Von Serienkillern und Terroristen

Es ist kein Zufall, dass die Geschichte vom „Zodiac Killer“ drei aktuellen Produktionen als Vorlage dient. David Fincher bringt seine Adaption des Stoffes im kommenden Jahr in die Kinos, und Uli Lommel lieferte mit seinem „Zodiac Killer“ einen Film ab, in dem ein Nachahmungstäter auf den Spuren des realen Serienmörders wandelt. „The Zodiac“ heißt der Beitrag von Alex Bulkley, und bereits er macht deutlich, warum sich dieser Serienmordfall gerade besonders gut für eine Verfilmung eignet.
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Lauter Jugendliche in einem Film über Erwachsene

Es ist recht einfach, in „Dear Wendy“ eine Satire auf die amerikanische Schusswaffenfixiertheit zu sehen. Da gibt es den Protagonisten Dick, der sich selbst als überzeugten Pazifisten bezeichnet, bis ihm eines Tages eine Pistole in die Hände fällt. Vor dem Dilemma, weder seinen Pazifismus noch Wendy – so nennt er die Waffe – aufgeben zu wollen, erfindet er den Club der „Dandies“: Eine Gruppe jugendlicher Außenseiter, die ihre Waffen liebevoll hegen und pflegen und heimlich in einem verlassenen Minenstollen mit ihnen trainieren. Dabei leisten sie einen Schwur, ihre Waffe nie außerhalb der Mine abzufeuern, da sie sonst „erwachen“ würde, und das Töten dann nicht mehr aufzuhalten wäre.
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Tobe Hooper und das Salz des Genrefilms

Meistens gibt es keinen Haken, zumindest nicht auf den ersten Blick: Das alte, große Haus, das die Familie des Protagonisten gerade zum Schnäppchenpreis erstanden hat, erscheint perfekt. Erst nach dem Einzug stellt sie fest, dass im Keller ein Indianerfriedhof liegt oder im vergangenen Jahrhundert Sklaven zu Tode gefoltert wurden. Und dann gibt es da noch stets das eine Familienmitglied, das von Anfang an ein ungutes Gefühl hat.
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Das Medien suchende Wesen

Sean Veil wäre der ideale Bürger im Orwell’schen Überwachungsstaat. Seitdem er vor zehn Jahren wegen mehrfachen Mordes angeklagt wurde, filmt Veil jede Sekunde seines Lebens mit Dutzenden Kameras und archiviert die Bänder akribisch in seinem unterirdischen Tresor. Als dann plötzlich wieder die Polizei vor seiner Tür steht und ihn mit einem neuen Mordvorwurf konfrontiert, fehlen genau die Videos der Tatzeit.
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Der Sektenvertreter vor deiner Haustür

Nina lebt in São Paolo, ist drogensüchtig, pleite, und so richtig unsympathisch – was Regisseur Heitor Dhalia nicht daran hindert, sie beständig als Opfer zu inszenieren. Da ist die – zugegeben: noch unsympathischere – Vermieterin, die Nina verbietet, sich am Kühlschrank zu bedienen und sie ständig auf ihren Mietrückstand hinweist. Da sind die Kunden in dem Schnellimbiss, wo Nina arbeitet, übermüdet, nach durchzechter Nacht: Sie bestehen auf ihrer Bestellung, wollen eben bedient werden und finden es nicht gut, wenn sie beleidigt werden. Und da ist die beste Freundin, die Nina Geld und einen Job anbietet, um ihr aus der Misere zu helfen – doch „Almosen“ lehnt die Protagonistin stolz ab.
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Vielleicht wird beim nächsten Mal alles anders

Da ist dieser Kameraschwenk am Schluss, den man so von Jim Jarmusch einfach nicht kennt: Bill Murray steht auf einer Straßenkreuzung und blickt dem panisch flüchtenden jungen Mann hinterher, den er für seinen Sohn gehalten hat. Und dann fährt ein Auto vorbei, ein anderer junger Mann schaut aus dem Fenster, auch er könnte der unbekannte Sohn sein. Die Kamera hält jetzt nicht mehr still, sie hat Murray im Blick und rotiert um ihn, zeigt ihn ganz allein auf der Straße. Man merkt schon, dass nicht mehr Robby Müller für Jarmusch hinter der Kamera steht, sondern Frederick Elmes, der bereits bei „Night on Earth“ dabei war.
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White Skin

„Ich mag keine Rothaarigen, mit ihrer blassen Haut, unter der die Adern blau durchscheinen. Das macht mir Angst“, gibt Thierry zu Beginn des Films zum Besten. Und doch verfällt er kurz darauf Claire, einer anämischen Schönheit mit schneeweißem Gesicht und hexenhaft rotem Haar.
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