White Skin

„Ich mag keine Rothaarigen, mit ihrer blassen Haut, unter der die Adern blau durchscheinen. Das macht mir Angst“, gibt Thierry zu Beginn des Films zum Besten. Und doch verfällt er kurz darauf Claire, einer anämischen Schönheit mit schneeweißem Gesicht und hexenhaft rotem Haar.

Doch so seltsam die Umstände dieser ungewöhnlichen Zuneigung auch scheinen, erst der Verlauf der nun folgenden Beziehung gibt seinem afro-kanadischen Mitbewohner Henri wirklich Anlass zur Sorge. Thierry kapselt sich von der Außenwelt ab, verschanzt sich mit Claire im abgedunkelten Zimmer, fährt die Kontakte zu seinen Freunden auf ein Minimum zurück und erscheint körperlich ausgezehrt.

Allerdings scheinen diese Auffälligkeiten nicht der einzige Grund für Henris Beunruhigung, stand er doch dieser Beziehung bereits von Beginn an skeptisch gegenüber. Ähnlich wie Thierry ist er weißer Haut gegenüber auch keinesfalls unvoreingenommen: In seiner Familie ist man der Überzeugung, dass die dunkle Hautfarbe auf Grund ihrer höheren Sonnenresistenz die ohnehin Überlegene sei, und dass es überdies „wissenschaftlicher Fakt“ sei, dass die schwarze Rasse ja zuerst da war. Von der ersten Begegnung an fühlt er sich unwohl in Claires Gegenwart und will Thierry seine plötzliche Liebe zu ihr regelrecht ausreden.

Der unübersehbare Rassismus-Diskurs, den Regisseur Daniel Roby schließlich sogar zwischen den beiden extremen Familien von Henri und Claire austragen lässt – wobei letztere Sippe menschenfleischfressender Succubi sich sogar als Angehörige einer höheren Evolutionsstufe versteht, die lediglich auf einen männlichen Nachkommen wartet, um „reinrassige“ Abkömmlinge zeugen zu können -, zieht sich durch den gesamten Film und findet auch seine Entsprechung in der Ästhetik, zum Beispiel wenn er Claires diabolische Schwester Marquise in einem Schneegestöber geradezu göttinnengleich inszeniert. Dass genau diese Vertreterin der extremsten Einstellung beim (symbolischen?) Endsieg der weißen Familie auf der Strecke bleibt, vermag den zweifelhaften Gesamteindruck nur wenig zu bessern.

Überhaupt lässt einen die Dramaturgie etwas rätselnd zurück, auf wessen Seite nun die beabsichtigten Sympathien liegen: So wird Henris Familie zwar als eine Gruppe liebenswerter Personen gekennzeichnet, ihre immanente Rassismus-Paranoia wirkt dem aber entgegen. Claires Angehörige dagegen erscheinen von vornherein als hochgradig manipulativ und sich ihrer Wirkung auf Männer durchaus bewusst – bis Roby nach gewalttätiger Beseitigung sämtlicher Konfliktpersonen seinen Überlebenden Claire und Thierry für die letzten Filmminuten ein kitschiges Familienidyll entwirft, in dem nicht einmal mehr das Geschlecht des erwarteten Babys eine Rolle spielt.

Auf ästhetischer Ebene dagegen erscheint Robys Film sehr viel eindeutiger: Die behutsame Annäherung an die mysteriöse Schönheit Claire offenbart sich in den immer länger werdenden Einstellungen mit ihr im Bild, als ob es selbst dem Zuschauer allmählich schwerer fällt, den Blick von ihr abzuwenden. Marquise dagegen, zur verführerisch-diabolischen Antagonistin stilisiert, wird in zunehmend schnelleren Sequenzen montiert und gerät damit zur spannungstreibenden Kraft des Plots.

Dennoch, „White Skin“ wirkt bei all der offensichtlichen Ambitioniertheit unausgegoren: Zu oft verheddert sich das Drehbuch in Widersprüche, zu sehr bemüht sich der Film um ein politisches Statement, drängt es seinem Zuschauer sogar auf, ist aber nicht in der Lage, es eindeutig zu formulieren. Stattdessen gibt sich der Film als inkonsequente Mischung aus Liebes- und Horrorfilm, wobei er gerade zum Ende hin die Grenzen des guten Geschmacks doch beachtlich überschreitet und in aufgesetzten Kitsch abdriftet.

Denn jetzt spielt der für den Fortbestand der „Rasse“ so dringend benötigte männliche Nachwuchs mit einem Mal keine Rolle mehr: die schwangere Claire hat mit Thierry an ihrer Seite ihr Glück in einer neuen Familie gefunden. „Sagen Sie uns das Geschlecht des Babys nicht, wir wollen uns lieber überraschen lassen“, meint der verliebte Vater. Darauf kann nur noch der Abspann folgen – und Ratlosigkeit im Zuschauersaal.

White Skin
Kanada 2004
Regie: Daniel Roby

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