My Sassy Terminator

Bereits in Kwak Jae-Youngs Kinodebüt „My Sassy Girl“ (2001), zur Hochphase der koreanischen New Wave um die Jahrtausendwende entstanden und seither zum viel geliebten Klassiker avanciert, gibt es ein Filmdrehbuch mit dem Titel „Demolition Terminator“. Verfasst von der verhaltensauffälligen Freundin des schüchternen Protagonisten, bringt es dort im allerschönsten unter den Running Gags dieser grellen Komödie einen Leser nach dem anderen dazu, sich vor Entsetzen lautstark zu übergeben. Mit seinem vierten Film „Cyborg She“ schloss Kwak dann sieben Jahre später einen Kreis, indem er seine Variation auf die zitierte Vorlage inszenierte und damit demonstrierte, wie „The Terminator“ hätte aussehen können, hätte James Cameron ihn als romantische Komödie konzipiert.

Aber halt, so einfach ist es doch nicht. Zwar richtet sich der Plot von „Cyborg She“ zunächst recht deutlich am Vorbild aus, indem er sich auf die Geschichte des schüchtern-liebenswerten Studenten Jiro konzentriert, der von seinem eigenen zukünftigen Selbst einen hübschen weiblichen Cyborg (um genau zu sein: einen „Cyberdine 103“, soviel Referenz muss sein) durch die Zeit geschickt bekommt, um ihn vor einem Unglücksfall zu beschützen, der ihn lebenslang an den Rollstuhl fesseln sollte. Auch im Anschluss bleibt das Robotermädchen bei ihm, angeblich um ihn vor dem Schicksal zu schützen, das den veränderten historischen Verlauf nun wieder gerade zu rücken versucht. Gewissermaßen im Vorübergehen erweist sich der Cyborg dabei immer wieder als mysteriöse Retterin Unbeteiligter angesichts von Naturkatastrophen, Amokläufen und ähnlich katastrophalen Geschehnissen. Bis eines Tages eine Katastrophe solchen Ausmaßes eintritt, dass es selbst die gigantischen Kräfte des Roboters übersteigt … und in den Atempausen dieser überlebensgroßen Ereignisse stellt Jiro fest, dass er sich mehr und mehr in seine Beschützerin verliebt.

Die Verbindung der Roboterthematik (und somit der Science Fiction) mit grellem Humor und der Form der romantischen Komödie lässt zudem natürlich zuallererst an Park Chan-Wooks zwei Jahre früher entstandenen, großartigen „I’m a Cyborg but that’s OK“ denken. Dennoch würde man „Cyborg She“ keinesfalls gerecht werden, würde man ihn als bloßes Rip-off dieses bei Kritik und Publikum gleichermaßen geschätzten Vorgängers begreifen. So streben die Konzeptionen beider Filme nämlich denkbar weit auseinander: Wo Parks Film trotz der oberflächlich episodischen Strukturierung inhaltlich denkbar konzentriert war, da zerfällt „Cyborg She“ in mindestens vier vollkommen heterogene Teile, deren Tonlagen kaum noch etwas miteinander zu tun haben wollen. Auf einen leichtfüßigen Beginn in der fast 20-minütigen Pre-Credit-Sequenz folgt ein Abschnitt, in dem sich Kwak vor allem auf eine Reihe von teilweise wunderbar komischen Deadpan-Pointen konzentriert. Daran schließt eine süßlich-sentimentale, von verklärter Nostalgie geprägte Zeitreise in die Kindheit Jiros an, und schließlich stürzt sich die Erzählung von „Cyborg She“ dann kopfüber in ihre eigenen Potenziale zur Ausgestaltung apokalyptischer Science Fiction hinein. Was nun recht wirr klingt, ist im Film zwar ganz klar strukturiert, klafft jedoch durch die abrupten Sprünge zwischen den diversen Tonlagen auch offen auseinander und hat in diesem Mut zum harten Kontrast unter den großen Filmemachern des Postmodernismus vielleicht noch mehr mit Eli Roth zu tun als mit Park Chan-Wook.

Wie genau und wie klug „Cyborg She“ aber tatsächlich gebaut ist, das erschließt sich erst in den letzten Minuten des knapp zweistündigen Films. Dann nämlich gibt es, nach dem vermeintlich letzten stilistischen Twist noch einen inhaltlichen Twist, der unverbundene inhaltliche und motivische Stränge so clever miteinander verknüpft, dass aus dem vermeintlichen strukturellen Chaos ein komplexes cineastisches Spiel aus Dopplungen, Reflexionen und Projektionen entstehen lässt. Dass er sein Publikum in diesem wirklich ungewöhnlichen Film derart lange im Dunkeln tappen lässt – auch wenn es sich dabei, zumeist jedenfalls, blendend unterhalten mag –, ist jedenfalls durchaus als eine mutige Regie-Entscheidung von Kwak Jae-Young zu betrachten. Wer mal wieder einen Film sehen möchte, dessen Entwicklung stets unvorhersehbar bleibt, dessen inhaltliche Fokussierung jedoch gleichwohl von den allzu oft bloß noch um Verschrobenheit bemühten Nerdcore-Nabelschauen des Post-Tarantinismus unkorrumpiert bleibt, der sollte „Cyborg She“ nicht versäumen.

Cyborg She
(Boku no kanojo wa saibôgu, Japan 2008)
Regie & Buch: Kwak Jae-Young; Musik: Naoki Otsubo; Kamera: Jun’ichirô Hayashi; Schnitt: Shuichi Kakesu
Darsteller: Haruka Ayase, Keisuke Koide, Risa Ai, Kenta Kiritani, Kazuko Yoshiyuki u. a.
Länge: 116 Minuten
Verleih: Rapid Eye Movies

Die DVD von Rapid Eye Movies

  • Bild: 2,35:1  (anamorph)
  • Ton: Japanisch (Dolby Digital 5.1)
  • Untertitel: Deutsch (optional)
  • Extras: Guide to „Cyborg She“, Kinotrailer
  • Wendecover
  • FSK: ab 12 Jahren
  • Preis: 9,99 Euro

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