TWILIGHT SAMURAI

Seibei hat es sichtlich schwer: ein verarmter Samurai niederen Ranges ist er, seine Frau hat die Schwindsucht dahingerafft, die Mutter ist senil, erkennt ihren eigenen Sohn nicht mehr wieder, und zwei kleine Töchter, die versorgt sein wollen, gibt es auch noch. Der Samurai wird also, was bleibt ihm anderes übrig, Hausmann, das auch gar nicht schlecht, nur geht das natürlich sehr auf Kosten seines Rufes und Äußeren. Etwas Erleichterung kommt in den Haushalt, als sich Tomoe, eine Kindheitsfreundin Seibeis, die gerade aus einem brutalen Eheverhältnis geschieden wurde, um die Kinder zu kümmern beginnt. Eine Heirat steht für den unmotivierten Samurai dennoch aus, zu verbindlich ist noch immer sein Ehrverständnis, dass er einer Frau aus gutem Hause ein Leben in ärmlichen Verhältnissen zumuten möchte. Der Zufall will es, dass Tomoes Ex-Gatte Seibei zum Duell herausfordert und – mit etwas unorthodoxen Mitteln, einem Bambuspflocknämlich nämlich – von Seibei besinnungslos geschlagen wird. Dieser Erfolg, man spricht von Seibei unter der Hand, wegen der eigenen Hänseleien etwas eingeschüchtert und irritiert, respektvoll von einem großen Kämpfer, ist es dann auch, der ihm einen wichtigen Auftrag seines Clans beschert, den er – schweren Herzens, hat er sich doch längst schon an das häusliche Glück gewöhnt – auszuführen hat: Ein abtrünniger Samurai, der, Seibei nicht ganz unähnlich, am „Weg des Samurai“ ob der allgemeinen Umbruchszeiten – man befindet sich im Japan des 19. Jahrhunderts, nur am Rande angedeutet, etwa durch ferne Zuggeräusche – zu zweifeln beginnt, soll in seinem Anwesen, dort hat er sich verbarrikadiert, hingerichtet werden. Seibei sieht sich einem moralischen Dilemma existenziellen Ausmaßes gegenüber.
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PTU

Reichlich humorvoll beginnt der Film, mit einem Gerangel um einen Tisch im Imbiß nämlich, um den sich ein jugendlicher Einzelgast, eine Gang von Punks und der dicke, nicht gerade sonderlich kompetente Polizeioffizier Lo streiten. Da sich unter den drei Parteien zudem drei Handies mit den gleichen Klingeltönen befinden ist das Chaos, sehr zu Freuden des Zuschauers, erst mal perfekt. Und dennoch: trotz allem lakonischen Witz liegen bereits in dieser ersten Konstellation alle Implikationen des weiteren, bitteren Geschehens begründet, welches PTU geschickt zu entfalten versteht.
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REZERVNI DELI

Zum dritten Mal wird im Wettbewerb das Phänomen der illegalen Migration behandelt. Nach IN THIS WORLD (M. Winterbottom), der die Flucht über die Kontinente zweier afghanischer Flüchtlinge strikt aus deren Perspektive beinahe schon dokumentierte, und LICHTER (H.-C. Schmid), der dem Thema aus deutsch-polnischer Perspektive vor allem auf ökonomischer Ebene begegnete, nun also REZERVNI DELI von Damjan Kozole, dem einzigen osteuropäischen Wettbewerbsteilnehmer dieser Berlinale, der sich vor allem auf die sogenannten „Schlepper“, in beiden vorherigen Filmen eher Randerscheinungen, konzentriert.
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Sein Bruder

Patrice Chéreau interessiert sich auch weiterhin für die Momente der gegenseitigen Auslieferung, den Rissen in der Wahrung der Form des Miteinanders, in denen – so hieß bekanntlich auch sein letzter Film und der gewann vor zwei Jahren den Goldenen Bären in Berlin – Intimität entsteht. Und er interessiert sich für die unmittelbaren Konsequenzen für die Beteiligten, für die Bedingungen unter denen solche Grenzerfahrungen stattfinden, wie sie stattfinden.
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GOOD BYE, LENIN!

Während die PDS um ihre letzten Mandate im Bundestag zu kämpfen hat, ist die Zeichenwelt der DDR endgültig im Zitatenhimmel des Pop angekommen. Diesen Schluss legt zumindest Wolfgang Beckers GOOD BYE, LENIN! nahe: Auf 79 Quadratmetern schönster Plattenwohnung muss Alexander Kerner (Daniel Brühl) die DDR für seine Mutter wiederbeleben, denn die ist, nach der Flucht des Gatten in den Westen vor vielen Jahren, stramme Sozialistin geworden, im idealistischen Sinne natürlich, zu einer Parteibonzin hat der Mut des Drehbuchs nicht gereicht, und hat obendrein die Wende, nach einem Herzinfarkt kurz zuvor, im Koma verbracht. Der womögliche Schock, sich nicht mehr im sozialistischen Vaterland zu befinden, sondern nunmehr den Klauen des Klassenfeindes ohne territoriale wie soziale Rückzugsmöglichkeit ausgeliefert zu sein, könnte einen 2. Infarkt provozieren und somit das Leben kosten. Soweit die Grundvoraussetzungen der Geschichte.
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IT’S ALL ABOUT LOVE

Was für ein Kontrast! Thomas Vinterberg hat seinen ersten Film nach DOGME 1:FESTEN nun wirklich auf jeder denkbaren Ebene gegen die Richtlinien des berühmt-berüchtigten Filmregelwerks gestaltet: Die Handlung wurde in die nahe Zukunft, ins Jahr 2021, verlegt, die Bilder des Filmes sind durchkomponiert, es gibt Set Designs, Studiobauten und einen eigens eingespielten Score. Kurzum, mit jeder Einstellung scheint sich IT’S ALL ABOUT LOVE von den formalästhetischen Dogma-Grundsätzen distanzieren zu wollen. Im Falle von Thomas Vinterberg, der das Dogma-Konzept einst mit Lars von Trier ins Leben gerufen und mit am vehementesten proklamiert hatte, kann das nur im Zusammenhang, vor allem aber als Statement gelesen werden.
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IDENTITY KILLS

IDENTITY KILLS von Sören Voigt erzählt, was bei diesem Titel nahe liegt, keine Geschichte aus der Welt der „Gender Studies“, die man nur mit Theoremen der Postmoderne im Rüstzeug verstehen könnte und auch Judith Butler muss man in einer Rezension nicht erwähnen, um auf der sicheren Seite zu sein. In nur grob vorskizzierten, auf Digitalvideo gedrehten Szenen wird Karen vorgestellt, die ihr Leben relativ sinnentleert im Irgendwo des Nirgendwo zwischen Plattenbau, Proll-Freund, Proll-Techno-Disco, Fabrikarbeit und Tagträumen verbringt. Ein zufällig mitgehörter Dialog der jungen Hotelfachfrau Fanny Volant mit ihrer Friseuse, dass sie schon bald einen attraktiven Beruf in einem Hotel auf der dominikanischen Republik ausüben werde, macht Karen neugierig und löst Fernweh aus. Einen Zufall später wird Karen im nahegelegenen Café vom extra angereisten Hotelmanager mit eben jener Fanny verwechselt, allerdings lässt sie das Mißverständnis sichtlich fasziniert von diesen neuen Lebenswelten zu und verbockt das Gespräch schlußendlich dann doch noch beim Spanischtest. Der Traum vom anderen Leben geht dennoch weiter: Karen nimmt, einige Wochen später, als vorgebliche Personalmanagerin des Hotels Kontakt mit der sich versetzt fühlenden Fanny auf.
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ADAPTATION

Charlie Kaufman (Nicolas Cage) geht nicht gerade zurückhaltend mit sich ins Gericht: zu dick, ausfallende Haare, zudem noch Scheiße geschnitten, keine Chancen beim weiblichen Geschlecht, was sich nicht nur an seinem äußeren Erscheinungsbild begründet, sondern vor allem – dessen ist er sich bewusst, was es nur noch schmerzlicher macht – auch an seiner allgegenwärtigen Angst vor dem Frauen, die er begehrenswert findet. Ein Komplexbündel erster Kajüte also und so etwas wird oft und gerne: Künstler. Kaufman ist so einer, ein ambitionierter Drehbuchautor nämlich, der sich hohen Idealen verpflichtet fühlt. Der neues schaffen, nie dagewesenes schreiben will. Obwohl sein Drehbuch zu BEING JOHN MALKOVICH derzeit mit prominenter Besetzung verfilmt wird, nagen an ihm die Zweifel. Ein neues Drehbuch will er schreiben, für einen Film über Blumen, in dem sich die Charaktere am Ende nicht, wie im Mainstreamfilm üblich, signifikant und zum Besseren wandeln, in dem keine Probleme gelöst, kein Drama aufgelöst wird – wie gesagt, ein Film über Blumen, eine Adaption des Dokumentarbuches „Der Orchideen-Dieb“ der Journalistin Susan Orlean (Meryl Streep) obendrein.
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THE HOURS

Über die Jahrzehnte und Kontinente hinweg erzählt THE HOURS seine Geschichte: Die Schriftstellerin Virginia Woolf (Nicole Kidman, überzeugend wie selten zuvor!) schreibt im England der 1920er Jahre in steter Auseinandersetzung mit ihren Neurosen, ihren Suizidgedanken und ihrer latenten Schizophrenie die Geschichte von Mrs. Dalloway. 30 Jahre später liest Linda Brown (Julianne Moore), an ihren Lebensverhältnissen als Hausfrau und unter einem so harmoniesüchtigen wie unsensiblen Gatten leidend, in Los Angeles diesen Roman, erkennt sich selbst in diesem romantischen, todessehnsüchtigen Werk wieder und fasst einen folgenschweren Entschluss. Weitere 50 Jahre später lebt Clarissa Vaughan (Merryl Streep) im New York der Jahrtausendwende und plant eine Party für einen AIDS-kranken Freund, einen Schriftsteller, der für sein Lebenswerk ausgezeichnet werden soll. Seit Studententagen nennt er sie liebevoll immer nur Mrs. Dalloway …
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THE LIFE OF DAVID GALE

Die lange Reihe des “Kinos der Emotionen”, für das Alan Parker steht, ist um einen Beitrag länger geworden, die lange Reihe des politisch ambitionierten Kinos hingegen leider nicht. Dafür wurde einfach zuviel zu falsch gemacht. Die Geschichte an sich ist reizvoll, ohne Wenn und Aber, geradezu prädestiniert für packendes Kino mit sozialem Sprengstoff: Ex-Philosophieprofessor David Gale (Kevin Spacey), der prominenteste Aktivist im Kampf gegen die Todesstrafe in Texas, landet selbst als schuldig gesprochener Mörder seiner Mitstreiterin Constanze Hallaway (Laura Linney) in der „Death row“, unschuldig wie er beteuert. Kurz vor Vollstreckung des Urteils wendet er sich an die Journalistin Bitsey Bloom für ein exklusives Interview: An den drei Tagen vor seiner Hinrichtung gewährt er ihr jeweils ein zwei-stündiges Gespräch. Nicht etwa, weil er auf späte Gnade hoffe, sondern weil sein Sohn ihn nicht als Mörder in Erinnerung behalten solle.
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HERO

Leicht macht es einem HERO beileibe nicht. Da ist auf der einen Seite dieser visuell ungeheuer faszinierende, atemberaubende und vor allem durchweg spannende Film, da gibt es keinerlei Zweifel, doch dann verfolgt der gleiche Film andererseits aber auch wiederum völlig offen ein ideologisches Projekt, das den Bereich der bloßen Fragwürdigkeit schon längst verlassen hat. Und wenn etwa in „Die Welt“ zu lesen ist, dass chinesische Intellektuelle den Film als faschistoid bezeichnet haben, dann kann man eigentlich – wohl gewahr, dass zu einem solchen Vorwurf nicht selten unreflektiert gegriffen wird – nicht viel mehr sagen als: Doch, da ist schon was dran.
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IN THIS WORLD

Die Sprache der Statistik, mit der man illegalen Flüchtlingen in der öffentlichen Rede normalerweise begegnet, wird auch hier zu Beginn gesprochen. Doch die Zahlenkolonnen auf der Leinwand, wieviel Geld beispielsweise für die Bombardierungen Afghanistans aufgebraucht wurde und welche deutlich geringeren Beträge den Flüchtlingen in Pakistan zugesprochen werden, treten bald in den Hintergrund. Der Film konzentriert sich auf zwei ganz konkrete Schicksale auf dem langen Überland-Weg von Pakistan nach London – die der beiden Cousins Jamal und Enayat, zweier „Illegaler“.
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GOLDEN LEMONS

Mit den GOLDENEN ZITRONEN auf US-Tour. An sich schon ein Kuriosum, wenn man den Status deutscher Bands in den USA, vor allem aber auch die erschwerten Umstände, unter denen in den USA, aufgrund ihrer geographischen Gegebenheiten, Musiktouren nur möglich sind, etwas kennt, und das in jeder Hinsicht. Nur noch absurder erscheint da die Tourbegleitung: Selbsternannter „Rockstar“ Wesley Willis, ein schizophrener Autist, der sich auf der Bühne, wie er sagt, die Dämonen aus der Seele schreit und Lieder über Osama Bin Laden macht, und die Band GRAND BUFFET, die mit ihrem naiven Plastikpop-Rap so eine Art Kinderzimmerversion von EMINEM darstellt. Freakshow also, im allerbesten Sinne.
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CHICAGO

CHICAGO ist – wie sollte es auch anders sein, es handelt sich ja nunmal um ein Musical – ein lustvolles Spiel mit Künstlichkeit und Authentizität. Aber das Schöne (und vor allem: interessante) daran: Der Film bricht die Logik seiner Erzählung nicht allein genretypisch durch plötzlich einsetzenden Gesang und Tanzeinlagen, nein, er erzählt vielmehr anhand einer pfiffigen Doppelung von Erzählung und Musiksequenzen von eben diesen Brüchen und dass Künstlichkeit immer auch aus dem Authentischen heraus geschaffen wird. Dies hat er den – deswegen natürlich nicht schlechten – jüngeren Genre-Vertretern wie DANCER IN THE DARK, dessen Einlagen als eskapistische Traumbilder gezeichnet werden, 8 FRAUEN, der seine Einlagen wiederum als Teil des Authentischen im Inszenatorischen betrachtet wissen möchte, und MOULIN ROUGE, der ein komplett fiktionalisiertes Gebilde darstellt, voraus.
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RESURRECTION OF THE LITTLE MATCH GIRL

Ju ist ein durschnittlicher Jugendlicher in Korea – etwas orientierungs- wie perspektivenlos verbringt er den Tag mit eher lausigen Jobs und vergeblichem Mädchen-Anbaggern, ansonsten flüchtet er sich, in den bunten, knalligen Spielhallen seiner Stadt, in virtuelle Cyberwelten, wenngleich auch hier mit ebenfalls nur mäßigem Erfolg. Die Risse im eingangs etablierten Realitätsgefüge werden jedoch – zumindest aus unserer Perspektive im Kinosaal – größer. Ju betritt wortwörtlich ein neues Spiel, in dem er, in Anlehnung an das Märchen von Hans Christian Andersen, den Tod des Streichholzmädchens – postmodern versetzt in eine bunte, knallige, urbane Bonbonwelt – gegen mutmaßliche Retter – Freier, Gegner, wer-auch-immer – sicherstellen muss, damit die Geschichte ihren gewohnten, romantisch-melancholischen Gang gehen kann. In späteren Levels dann, wenn nichts mehr an die alte Realität erinnern mag, Ju vollkommen im Cyberkosmos sein Dasein als Player fristet, verschieben sich die Aufgaben zusehends, bis dann im Finale, mit Hilfe anderer Spieler, der Kampf gegen das Spielsystem selbst im Mittelpunkt steht.
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LAST SCENE

Japan in den späten Sechzigern: Die letzte Klappe ist gefallen, die letzte Szene gedreht – Superstar Keiko zieht sich aus dem Schauspielbusiness zurück. Sehr zum Ärger ihres Counterparts, dem etwas jüngeren, hoffnungsvollen Ken Mihara, der sich der bitteren Tatsache, dass seine Karriere in vollkommener Abhängigkeit von Keiko ermöglicht wurde und auch nur in dieser fortzusetzen ist, natürlich voll bewusst ist. Desillusioniert hinsichtlich seiner weiteren Laufbahn wird er nicht nur bockig, sondern auch anmaßend, tyrannisiert die Crew am Set, flüchtet sich in den Alkohol, fällt über junge Schauspielerinnen her, zerstreitet sich mit seiner Gattin – ein gerade erst aufgegangener Stern und doch ist er schon wieder am Sinken.
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INFERNAL AFFAIRS

Lange Zeit ist’s eher still gewesen im Genrekino aus Hong Kong. Wirklich viel Sehenswertes gab es in den letzten Jahren im einstigen Lieblingsland der Asia-Aficionados nicht zu verbuchen – sicher, Johnny Tos Filmschmiede „Milky Way Images“ brachte den einen oder anderen Knaller heraus, aber selbst dieser Garant für Hochkarätiges lieferte zuletzt eher Mittelmäßiges (Running Out Of Time 2) bis sicherlich Grundsolides, aber nicht unbedingt Berauschendes (Fulltime Killer) ab. Auch alteingesessene Koryphäen wie Tsui Hark oder Ringo Lam konnten in der Regel den gewohnten Standard zwar aufrecht erhalten, aber kaum noch das Versprechen vom aufregenden, wilden Kino, für das das Gütesiegel „Hong Kong“ einst stand, einlösen. Viele Freunde des asiatischen Kinos der westlichen Hemisphäre tauchen längst schon in anderen Gefilden – Indien und Korea wären zu nennen, auch der Blick auf die japanische Insel wurde in den letzten Jahren wieder lohnenswerter – nach neuen Perlen. Die Unsicherheit kurz vor und nach der Übergabe der einstigen Kronkolonie an die Volksrepublik China und die zum Zwecke der Stabilisierung weiter voranschreitende Orientierung am westlichen Genre-Kino – wo es doch gerade immer die besonderen Eigenarten des Kinos aus Hong Kong waren, die das internationale Publikum in seinen Bann zog – hinterließen deutliche Spuren.
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HERR WICHMANN VON DER CDU

Don Quichotte im Kampf gegen die Windmühlen – ein altbekanntes, gerne verwendetes Bild, hier passt es wohl zurecht. Andreas Dresen, der mit HALBE TREPPE im letzten Kinojahr für eine kleine Sensation sorgte, hat für die Reihe „Denk ich an Deutschland“ des Bayerischen Rundfunks den Wahlkampf von Henryk Wichmann, Direktkandidat für die CDU in der Brandenburgischen Uckermark, mit der Kamera – kommentarlos! – begleitet. Den Wahlkampf, das sollte man vorab wissen, eines gerade mal 24jährigen Frischlings in der Welt der Bundespolitik, noch dazu in einem Wahlbezirk, der die SPD gerne mal mit absoluten Mehrheiten verwöhnt.
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SOMETHING MORE THAN NIGHT

„Eine Nacht in Chicago“ – auf diesen Satz ließe sich Eisenbergs Filmexperiment reduzieren. Doch was ist das, dieses vage Etwas, eine Nacht in einer Metropole, liegen doch in dieser äußerst vagen Umschreibung eine Vielzahl konkreter Konnotationen, die auch in ihrer noch so detaillierten Umreißung nicht für sich beanspruchen können, dieses Etwas universell zu definieren. Die immer weiter grassierende Flexibilisierung und Atomisierung von sozialem und ökonomischem Leben erschweren dies zusätzlich.
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A CITY WITH NO PITY

Gleich zwei der bedeutenderen archäologischen Funde wurden in Lydda, eine kleine Ortschaft unweit von Tel Aviv, binnen kürzerer Zeit gemacht, die die knapp 5000jährige Geschichte der Stadt einmal mehr unter Beweis stellen. Doch fehlen die finanziellen Mittel, um die Ausgrabungen durchzuführen, die Erkenntnisse der Geschichte zu bergen und auszuwerten – beide Orte verkommen schließlich zur Müllhalde. Dieses trostlose Bild stellt Tsipi Reibenbach ihrem Dokumentarfilm „A City With No Pity“ vorne an und es funktioniert vortrefflich als Parabel für das folgende: So stöbert sie gewissermaßen selbst als Archäologin in den Überresten dieser im Verfall begriffenen Stadt nach Spuren ihrer eigenen Kindheit und frühen Jugend, die sie, Tochter von Überlebenden der Shoah, in Lydda verbracht hatte. Und muss resignierend feststellen, dass der Ort ihrer Kindheit, ihrer ersten Erinnerungen, nicht mehr existiert, begraben liegt unter einem Moloch aus Armut, Verwahrlosung und ethnischer Anfeindungen. Es scheint als würden sich an diesem geschichtsträchtigen Ort nicht wenige Tragödien der Historie kreuzen, um dort allerdings gefährlich zu stagnieren.
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