INFERNAL AFFAIRS

Lange Zeit ist’s eher still gewesen im Genrekino aus Hong Kong. Wirklich viel Sehenswertes gab es in den letzten Jahren im einstigen Lieblingsland der Asia-Aficionados nicht zu verbuchen – sicher, Johnny Tos Filmschmiede „Milky Way Images“ brachte den einen oder anderen Knaller heraus, aber selbst dieser Garant für Hochkarätiges lieferte zuletzt eher Mittelmäßiges (Running Out Of Time 2) bis sicherlich Grundsolides, aber nicht unbedingt Berauschendes (Fulltime Killer) ab. Auch alteingesessene Koryphäen wie Tsui Hark oder Ringo Lam konnten in der Regel den gewohnten Standard zwar aufrecht erhalten, aber kaum noch das Versprechen vom aufregenden, wilden Kino, für das das Gütesiegel „Hong Kong“ einst stand, einlösen. Viele Freunde des asiatischen Kinos der westlichen Hemisphäre tauchen längst schon in anderen Gefilden – Indien und Korea wären zu nennen, auch der Blick auf die japanische Insel wurde in den letzten Jahren wieder lohnenswerter – nach neuen Perlen. Die Unsicherheit kurz vor und nach der Übergabe der einstigen Kronkolonie an die Volksrepublik China und die zum Zwecke der Stabilisierung weiter voranschreitende Orientierung am westlichen Genre-Kino – wo es doch gerade immer die besonderen Eigenarten des Kinos aus Hong Kong waren, die das internationale Publikum in seinen Bann zog – hinterließen deutliche Spuren.

Einer wie Regisseur Andrew Lau Wai Keung, mit Filmen wie „The Duell“, „The Avenging Fist“ oder „Naked Killer 2“ eher als Routinier ohne eigene Note bekannt, ist in dieser Situation zunächst kein sonderlich großer Hoffnungsträger, gleiches gilt für die Produktionsgesellschaft „Media Asia“, die von nicht wenigen alten Hasen aufgrund ihrer Anbiederung an westliche Erzählweisen und Stoffe für den Niedergang des klassischen Genrekinos Hong Kongs mitverantwortlich gemacht wird. Dementsprechend tritt man INFERNAL AFFAIRS, trotz großem Staraufgebot – Andy Lau, Tony Leung Chiu Wai, Anthony Wong und Eric Tsang geben sich die Ehre – und einer Auszeichnung durch die Hongkong Film Critics Society als besten Film des letzten Jahres, mit eher geringen Erwartungen entgegen, nur um am Ende dann doch positiv überrascht aus dem Saal zu gehen, gehört dieser Film doch tatsächlich mit zum Besten, was in den letzten Jahren seinen Weg aus Hong Kong in den Westen gefunden hat.

Das Setting ist schon fast als klassisch zu bezeichnen: Zwei Männer – Ming (Andy Lau) und Yan (Tony Leung Chiu Wai) – im Focus also, durch eine schicksalhaft anmutende Biografie aneinander gebunden, die unter anderen Bedingungen Brüder sein könnten, möchte man meinen. Oft muten sie auch so an und dennoch hat es sie auf die jeweils gegenüberliegenden Fronten verschlagen. Doch die Grenzen zwischen den Fronten sind, wie so oft im HK-Film, fließende. So sind beide eigentlich ja Polizisten und ferner Schützlinge des gleichen, väterlichen Vorgesetzten Huang (Anthony Wong), doch sind beide auch – und das ist die tragische unter den Gemeinsamkeiten – Undercoveragenten. Der eine, Ming, jedoch für die Gegenseite, für Sam (Eric Tsang), einem Triadenboss, bei dem Yan wiederum seit einigen Jahren eingeschleust ist. Inoffiziell im übrigen, denn nur Huang weiß um dessen Existenz und Identität als verdeckter Ermittler, was ihn nach nunmehr zehn Jahren Spitzeldienst im kriminellen Milieu, zunehmend in die Schizophrenie zu treiben droht, hat er doch sein altes Leben, damit verbunden Liebschaften, Erinnerungsstücke, soziales Umfeld, komplett aufgegeben.

Ein inszenatorisch virtuos gestalteter Drogendeal soll nun den Stein ins Rollen bringen, die Schicksale der beiden Maulwürfe untrennbar verbinden: Beide operieren im Sinne der eigentlichen Seite, der Deal scheitert für Sam mit erheblichen finanziellen Verlusten. Die Polizei indes kann ihn aus Mangel an Beweisen nicht dingfest machen, jedoch wissen nun fatalerweise beide Seiten um die Existenz eines Verräters in den eigenen Reihen, allein die jeweilige Identität bleibt ungewiss. Die hektische Suche – wie es kommen muss, werden natürlich die beiden Protagonisten selbst damit beauftragt – nach der undichten Stelle, damit einhergehend natürlich auch die Suche nach dem Maulwurf auf der anderen Seite, entpuppt sich unter diesen Bedingungen schnell als gleichermaßen verwirrendes wie spannendes Schachspiel: Wie enttarnt man den jeweils anderen, ohne zuviel vom eigenen Spiel mit den Loyalitäten preiszugeben?

Genügend Stoff also für knapp zwei Stunden bester Unterhaltung wie man sie aus den besten Momenten des HK-Kinos gewohnt ist und dankenswerterweise umgeht der Film die offensichtlichsten Fallen auch mit Bravour. So wird der Film nicht unnötig von Action-Sequenzen zerfasert, setzt diese vielmehr pointiert und stilsicher ein und konzentriert sich ansonsten voll auf die jeweils persönliche Dramatik der beiden Hauptprotagonisten. Dies macht der Film technisch versiert und mit eindrucksvollen Bildern, die sich jedoch nie im reinen Selbstzweck verlieren, sondern sich durch Ästhetik, Farbgebung und Komposition in den Dienst der Geschichte zu stellen wissen, die oft melancholische, nicht selten auch angenehm pathetische Atmosphäre unterstreichen. Eindeutiges Gut und Böse gibt es in diesem Film kaum – man begegnet sich über weite Strecken im Grau dazwischen, auch wenn die Sympathien des Zuschauers wohl doch eher bei Leungs Charakter liegen werden.

Eine Ästhetik des Bösen wird dementsprechend nur wenig bis gar nicht bemüht, in den Triaden von Sam kann man sie zwar manchmal aufblitzen sehen, doch für solche Kategorien interessiert sich der Film schlicht und ergreifend nicht. Lieber verknüpft er die Dramatik der beiden Maulwürfe zu einem spannenden Spiel, in dem jeder Zug wohlüberlegt sein muss. Der Zuschauer dankt es diesem sympathischem, intelligent erzähltem Film nur zu gern und hofft – mal wieder- auf eine neue Welle aus Hong Kong.

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