HERO

Leicht macht es einem HERO beileibe nicht. Da ist auf der einen Seite dieser visuell ungeheuer faszinierende, atemberaubende und vor allem durchweg spannende Film, da gibt es keinerlei Zweifel, doch dann verfolgt der gleiche Film andererseits aber auch wiederum völlig offen ein ideologisches Projekt, das den Bereich der bloßen Fragwürdigkeit schon längst verlassen hat. Und wenn etwa in „Die Welt“ zu lesen ist, dass chinesische Intellektuelle den Film als faschistoid bezeichnet haben, dann kann man eigentlich – wohl gewahr, dass zu einem solchen Vorwurf nicht selten unreflektiert gegriffen wird – nicht viel mehr sagen als: Doch, da ist schon was dran.

300 vor Christus ist es, und wir sind in China. Beziehungsweise in jener Gegend, die einmal, genau davon erzählt der Film, China werden wird, denn zunächst ist sie noch in 7 Reiche zerfallen. Der König von Qin (Daoming Chen), der mächtigste und aggressivste unter den Herrschern, greift jedoch bereits nach den umliegenden Ländereien, um ein zentralistisches Großreich auszurufen. Dem stellen sich drei Mörder mit den blumigen Namen Sky (Donnie Yen), Falling Snow (Maggie Cheung) und Broken Sword (Tony Leung Chiau Wai) – die letzten beiden ein zutiefst verbundenes Liebespaar – entgegen, die, mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet, selbst ganze Armeen in die Flucht schlagen können. „Nameless“ (Jet Li), in seinem Kampfgeschick nicht minder beeindruckend, macht sich auf, um die drei an ihrem Vorhaben zu hindern.

HERO erzählt seine episch sehr breit angelegte Erzählung überaus interessant: Ausgehend von einem Dialog zwischen Qin und Nameless, der – soviel darf verraten werden – nicht ganz so einfach zu durchschauen ist, erschließen sich die Implikationen der Geschichte erst nach und nach in immer wieder neuen, rückblickenden Geschichten. Dabei werden diese Rückblicke im zunehmenden Maße, analog zu den Dynamiken des Gesprächs und der sich dadurch zusehends wandelnden Beziehung der beiden zueinander, variiert, vorherige werden gar annulliert, als reine Fiktion abgetan oder neu gedeutet. Dabei sind die einzelnen Geschichten jeweils leitmotivisch von ganz bestimmten Farben geprägt, die die Szenen atmosphärisch, aber eben auch sinnbildhaft – rot für die Liebe, usw. – narrativ zu unterstützen wissen.

Visuell ist HERO ein echter Leckerbissen, der dazu einlädt, lustvoll in den herrlichen Bildkompositionen, den poetisch erzählenden, von jeglichem Realismus befreiten Bilderwelten zu baden. Da wallen seidene Gewänder im Wind, bald sonnengelbe, bald blutrote Blätter fallen zu Millionen über die sinnlich ebenso ansprechend choreographierten Kämpfenden von den Bäumen, Wolkenbänke ziehen im Zeitraffer über weite Landschaften, Haarsträhnen sinken, soeben im Kampfgeschehen abgetrennt, bedeutungsschwanger zu Boden. Ganz überhaupt die Inszenierung der Langsamkeitns: der Film nimmt sich für vieles, was im Martial Arts Genre üblicherweise schnell inszeniert und geschnitten wird, verschwenderisch Zeit, versinkt geradezu in deren Dehnung! Eigenartig bedächtig wirken die Kampfchoreographien, mit immer wieder überraschend eingeschnittenen Detaileinblendungen und -konzentrationen. Besonnen und meditativ – so wird einem das im Genre ja eh häufig verkauft, ästhetisch vermittelt wird es indes fast nie – wirkt das Kampfgeschehen über weite Strecken. Ganz im Sinne der Geschichte, in der – neben dem allgegenwärtig präsenten Nationalmythischen – vor allem von Liebe, künstlerischer wie leidenschaftlicher Hingabe und der Reflexion des eigenen Handelns in einem übergeordneten Kontext erzählt wird.

Fasziniert schaut man dem also zu, erfreut sich am Spektakel und lässt sich mehr als nur einmal von der von Grund auf melancholischen Stimmung des Filmes verzaubern. Und dennoch stößt es einem dann und wann unangenehm auf, wenn man das Geschehen etwas reflektiert. So verliert sich der Film zusehends in einem seltsam diffusen Gebräu aus esoterischem Pazifismus und nationalistischer Großstaatlichkeit, laut der nur dann ein erfülltes, glückliches Leben ermöglicht werde, wenn das Volk unter starker Hand geeint und entsprechend regiert werden würde. Ein Ziel, das über dem Leben des Einzelnen stünde, und eine Wahrheit, die als derart allgemeingültig empfunden wird, dass dramaturgisch alleine schon drei Worte als ausreichend zu gelten scheinen, um sie dem Zweifler im Filmgeschehen als universell zu verkaufen. Und wenn dann letzten Endes der machthungrige Despot, auf dessen historischer Vorlage die blutige Gründung Chinas beruht, als missverstandener Melancholiker gezeichnet wird, der doch nur die Bürde der Historie auf sich genommen habe, um mit fragwürdigen Mitteln zu einen, was völkisch zusammengehört, so ist das eigentlich schon viel zu viel des vermeintlich Guten.

Wie dem also nun begegnen? Vielleicht kann man sich ja darauf einigen, dass der Film ästhetisch und visuell mit zum Faszinierensten gehört, was in letzter Zeit – dies schließt den Herrn der Ringe im übrigen mit ein, der neben HERO lediglich zur reinen Behauptung epochalen Pathos dahinschmilzt – auf der Leinwand zu sehen gewesen ist, andererseits aber ideologisch indiskutabel ist. Und wäre somit wieder am Anfang – eine äußerst unbefriedigende Lösung also, aber wie eingangs schon erwähnt: Der Film macht es einem eben beileibe nicht leicht. Man bleibt zwischen den Extremen hin- und hergerissen, im Positiven wie im Negativen. Ein inszenatorisches Meisterwerk, ein kinematographisches Fest der Sinne, das bleibt dennoch festzuhalten, bleibt er in jedem Falle.

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