The Manchurian Candidate, die Verfilmung eines Romans von Richard Condon, gehört zu den interessantesten Skeletten im Schrank der amerikanischen Filmgeschichte. 1962 in die Kinos gebracht und 1963 nach der Ermordung Kennedys mit einem Bann belegt, der bis 1988 in Kraft blieb, ist dieser Film Politthriller und Politsatire zu gleichen Teilen; eine Studie in Paranoia, ein Freud’scher Familienroman reinsten Wassers und nicht zuletzt zentraler Bestandteil jener Mythologie, die sich um den Begriff der Gehirnwäsche gebildet hat.
Ein Alien kommt selten allein
Sie kommen von weit her, und sie führen zumeist nichts Gutes im Schilde. Man nennt sie »Aliens« – was laut Wörterbuch »Ausländer« bedeutet. In der deutschen Synchronfassung von Nicolas Roegs The Man who fell to Earth (Der Mann, der vom Himmel fiel, USA 1976) wird David Bowie noch explizit als »Ausländer« bezeichnet. Die Aliens hören auch auf den Namen »Extra Terrestrians« (E. T.), oder man bezeichnet sie einfach als Marsmenschen. Mit fliegenden Untertassen oder Raketen kommen sie zur Erde, und manchmal fallen sie, wie David Bowie, einfach vom Himmel.
Hulk
That a family is like your own personal antimatter.
Your family is the void you emerge from and the place you return to when you die.
And that’s the paradox: The closer you’re drawn back in, the deeper into the void you go.”
Diese Ausführung war einer der Hauptgründe, weshalb The Ice Storm (Ang Lee, USA 1997) zu jenen Filmen zählt, die stets eng mit meiner Adoleszenz verknüpft waren, und mich nun Ang Lee für fähig zu halten machen, die für eine Hulkadaption notwendige Tiefe aus der Comicvorlage herauszukehren. Die Leitthemen des Hulk – unterdrückte Wut und Leidenschaft, welche, lange aufgestaut, durch den Konflikt zwischen Eltern und Kindern plötzlich herausbrechen – sind Themen, die sich durch das gesamte Oeuvre Ang Lees ziehen. In The Ice Storm und Crouching Tiger, Hidden Dragon (Ang Lee, USA/VCR 2000) erfolgte das Aufbrechen der aus Unterdrückung resultierten Erstarrung durch die frei ausgelebte Leidenschaft der nachfolgenden Generation; schon in Crouching Tiger kristallisierte sich die in The Ice Storm durch den titelgebenden Eissturm nur angedeutete, physische Manifestation dieser freiheitsbedürftigen Gefühlsstürme greifbar heraus: Freiheit ist gleichbedeutend mit dem freien Flug, Konflikte werden durch Kampfbalette ausgetragen.
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Wieder ein Tag, warum auch nicht
Allzu weit ist Leander Haußmann nicht vorwärts gekommen. Vor vier Jahren ließ er in der Sonnenallee seine Ostalgie-Komödie gleichen Namens spielen, und nun hat er sich für seinen neuen Berlin-Film nur wenige Kilometer weiter bewegt. Angekommen ist er in Kreuzberg, genauer gesagt im SO-36-Kiez, was für Berliner noch heute eine nicht unwichtige Differenzierung darstellt. In den 80er Jahren jedenfalls war dieser Stadtteil die bundesrepublikanische Diaspora aller Verweigerer der Steigerung des Bruttosozialproduktes. Mit zeitlichem Abstand und verklärtem Blick betrachtet, will man meinen, dass dort jeder irgendwie als Künstler durchgehen konnte, ob er nun musizierte, malte, tapfer trank oder Häuser besetzte – waren doch irgendwie alles artverwandte Disziplinen. „Wieder ein Tag, warum auch nicht“ weiterlesen
Blockbuster
In seiner Studie „Blockbuster. Ästhetik, Ökonomie und Geschichte des postklassischen Kinos“ tritt Robert Blanchet der These entgegen, der kontemporäre Hollywoodfilm funktioniere nicht mehr nach den Stilprinzipien des klassischen Erzählkinos. Sowohl das im Blockbuster sich substantialisierende Kino der Attraktionen im Sinne von Filmen wie Twister oder Godzilla, als auch das mit metatextuellen Referenzen spielende postmoderne Kino, emblematisch verkörpert in Pulp Fiction oder Scream, stellen der Struktur nach keine eigenständigen neuen Modelle dar. Technische Innovationen der Tricktechnik waren immer schon integraler Bestandteil der Reattraktivierung des von konkurrienden Medien beanspruchten Publikums. Neuartige Effekte als Attraktionspotential waren und sind immer noch Strategien der Krisenlösung, die aber stets im Korsett klassischer Organiationsprinzipien sich zu bewähren haben bzw. erst durch diese im inneren Kontext des Films motiviert werden. Ebensowenig stellen die an ein durchblickerhaftes Publikum gerichteten, durch einen außerdiegetischen Referenten motivierten Doppelcodierungen des kontemporären Hollywoodfilms einen substanziellen Bruch mit dem klassischen Paradigma dar. Das Mittel der Doppelcodierung hat es beispielsweise schon in Form von parodisierenden Gags in zahlreichen Komödien der 40er Jahre gegeben. Zudem operieren diese Bezüge meist verdeckt und stellten sich dem „naiven Publikum“ somit als nicht weiter zu hinterfragende Elemente der Diegesis dar.
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Let’s con somebody
Zwischen seinem heiß diskutierten Kriegsfilm Black Hawk Down (USA 2001) und dem für 2005 geplanten Tripoli (einer Geschichte, in der ein Amerikaner den Erben des Throns von Tripoli Anfang des 18. Jahrhunderts im Kampf gegen einen korrupten Regenten unterstützt – mit Russell Crowe und Ben Kingsley in den Hauptrollen) platziert Ridley Scott die Adaption eines Romans von Eric Garcia unter dem Titel „Matchstick Men“ (Strichmännchen), eine Mischung aus Komödie, Drama und Kriminalstückchen (für den man hierzulande wieder einmal eine unsäglichen deutschen Titel erfand). Erzählt wird die Geschichte eines von Neurosen geschüttelten Betrügers namens Roy Waller (Nicolas Cage) und seines Kompagnons Frank Mercer (Sam Rockwell), eine Geschichte mit drei Hauptaspekten: dem Kampf Wallers gegen seine Neurosen, den Betrügereien des Gaunerpaares und einer Vater-Tochter-Geschichte.
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Ein Meisterwerk
Die Filmgeschichte kennt einige mehr oder weniger große epische Erzählungen, Geschichten, die von mehr erzählen als einem Thema, die die Handlung nicht auf einen relativ engen Zeitraum fokussieren, sondern in die Breite gehen, die wirklich etwas zu sagen haben und in denen man – je nach Geschmack, Einfühlungsvermögen, emotionalem Zugang usw. – immer wieder neue Gesichtspunkte zu entdecken vermag, je öfter man sie in sich aufnimmt. Die Trilogie „Der Pate“ gehört zu diesen Epen, aber auch „kleinere“ Filme wie Scorseses „Goodfellas“ und Leones „Once Upon a Time in America“, der auf DVD in einer 220-Minuten-Fassung zu erwerben ist – unzerstückelt beispielsweise gegenüber der amerikanischen Kinofassung, die „nur“ zwei Stunden lang war und von allen tatsächlichen oder vermeintlichen „antiamerikanischen“ Szenen befreit gewesen sein soll, und auch kohärenter als die deutsche Kinofassung. Leone soll sein Werk ursprünglich in zwei Teilen auf rund sechs Stunden geplant haben. Doch da machten Produktions- und Verleihfirma nicht mit.
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Tränen der Sonne
Auf irgendeine Weise ist „Tears of the Sun“ so etwas wie „Die Hard“ in Afrika, wenn auch in Dialogen, Mimik und Gestik zurückhaltender – eben ein letztlich auf Bruce Willis zugeschnittener Genre-Film, in dem der Held vor allem einer Frau, daneben aber auch noch ein paar anderen Menschen das Leben retten soll.
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Die Blume des Bösen
Chabrol ist in den vergangenen Jahren ruhiger geworden, aber nicht weniger bissig. Während Klassiker wie Le boucher (F 1969) oder Les fantômes du chapelier (F 1982) noch stärker als spannungsgeladene Thriller angelegt waren, ist sein neuester Film La fleur du mal eher bedächtig, treibt fast unmerklich seine Protagonisten – allesamt, wie sollte es bei Chabrol anders sein, Angehörige des Bürgertums – durch eine Geschichte von Lug und Trug, Verbrechen und Fassade.
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… und die Hölle auf Erden
Es gibt Menschen, die halten Filme von Douglas Sirk für seichte, schwülstige Melodramen, für Heulkino der übelsten Sorte. In seinem 1955 entstandenen Film „All That Heaven Allows“ (mit Jane Wyman und Rock Hudson in den Hauptrollen) erzählte Sirk die Geschichte der reichen Witwe Scott, die sich in einen viel jüngeren Mann verliebt, einen Gärtner. Nachbarn, Freunde, Bekannte, ihre ganze soziale Umgebung reagiert mit Aggression, Intrige, Druck. Sirk thematisierte in diesem Film, wie Verhalten, das nicht in die sozialen Normbereiche integriert ist, mit aller Gewalt bestraft wird. Vor allem aber tauchte Sirk seine Filme in Emotion. Das heißt, er ließ die Emotionen und die damit verbundenen Handlungen seiner Figuren die Szene beherrschen. Ein Melodrama der besonderen Art war geboren oder vielleicht nur weiterentwickelt.
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Bella Martha
Na, diesen Film, der aus der Fülle ähnlicher nett daher kommender Fernsehfilme nicht besonders hervorsteche, hätte man auch unter vielen im ZDF-Samstagsabendprogramm zeigen können, war damals in der örtlichen Presse zu lesen. Harmloses Geschichtchen mit ein bisschen Pasta? Sehenswert ist der Film allein schon wegen Martina Gedeck. Und was ist eigentlich gegen gute Samstagsabend-Fernsehunterhaltung zu sagen?
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Reise nach Kandahar
Regisseur Makhmalbaf musste sich bei der Vorstellung seines Films bei den Festspielen in Cannes im Mai 2001 noch fragen lassen, warum er ein so unwichtiges Thema wie Afghanistan für seinen neuen Film gewählt habe. Nach dem 11. September war das Land in aller Munde, und heute? Sicher findet man in der Presse und den Medien immer noch Meldungen, Berichte und Artikel zu Afghanistan. Aber sobald eine irgendwie geartete Friedensregelung für das Land greifen sollte …
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Nirgendwo in Afrika
Die Bilder dieses Films von Caroline Link erinnern wirklich oft an das 1985 gedrehte »Jenseits von Afrika« mit Meryl Streep, Robert Redford und Klaus-Maria Brandauer. Doch Caroline Link erzählt in eindrücklichen Bildern eine ganz andere Geschichte, und die auf dem Roman von Stefanie Zweig basierende Erzählung hat es ebenso in sich wie die Inszenierung.
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My Big Fat Greek Wedding
Romantische Komödien sind vertrackte Angelegenheiten – jedenfalls wenn sie aus der sehr eigenen, extraordinären Welt der Studios von Hollywood kommen. Da mühen sich Julia Roberts, Sandra Bullock und viele andere ab, und wir sind begeistert, gerührt, manchmal zutiefst enttäuscht. Zuletzt sorgte Reese Witherspoon in SWEET HOME ALABAMA (USA 2002) für die Aufrechterhaltung der ewigen Legende von der ewigen Romanze und trotz aller Zweifel, allen Realitätssinns, der uns danach beschleicht, bleibt doch der nicht unter zu kriegende Traum vom glänzenden Helden respektive der wunderschönen Heldin in unseren Herzen bestehen (Ende der Schwärmerei).
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„Marienhof“ als Dogmafilm …
Dogma ist zum Kult geworden. Manche können Filme mit der Handkamera nicht mehr sehen. Das ständige Gewackle geht ihnen auf die Nerven. Auch Out-Of-Dogma-Regisseure benutzen inzwischen diese Technik, um so etwas wie Realitätsnähe zu dokumentieren. Ein gelungenes Beispiel der letzten Zeit ist etwa Andreas Dresens HALBE TREPPE (D 2002), der mit digitaler Handkamera seine Typen aus Frankfurt an der Oder ablichtete. Gute Beispiele für dänische Dogma-Filme waren zuletzt etwa Lone Scherfigs ITALIENSK FOR BEGYNDERE (Italienisch für Anfänger, DAN 2000) und EN KAERLIGHEDSHISTORIE (Kira, DAN 2001) von Ole Christian Madsen. Dogmafilme müssen aber nicht nur mit der Handkamera gedreht werden. Filmen in Farbe und 35 mm sowie bei natürlichem Licht sind ebenso vorgeschrieben wie Filter und optische Tricks sowie Waffen und Mord im Film verboten sind. Dogmas müssen in der Gegenwart spielen und sich an realen Orten bewegen, ohne zusätzliches Bühnenbild oder hinzugefügte Gegenstände. Dogmas dürfen sich nicht einem Genre verschreiben. ELSKER DIG FOR EVIGT (Open Hearts, DÄN 2002) ist einer der letzten Dogmas, da sich das Sekretariat, das über die Zertifikate von Dogma-Filmen entscheidet, in Kopenhagen aufgelöst hat. Es folgen noch drei Filme zwei aus Spanien, einer aus den USA, dann ist Schluss mit Dogma.
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Capri c’est fini
Wie eine Seismograph erkundet Caroline Champetiers Kamera 100 Minuten lang Jeanne Moreau und Aymeric Demarigny in ihrem Spiel der Schriftstellerin Marguerite Duras (1914-1996) und ihres wesentlich jüngeren Freundes Yann Andréa, unterbrochen nur von den warmen Bildern des sommerlichen Meeres, Himmels, der Landschaft und den Häusern des Badeortes Trouville, in dem beide 16 Jahre lang – zwischen 1980 und dem Tod der Duras am 3.3.1996 – gemeinsam ihr Leben verbrachten. Die französische Regisseurin Josée Dayan konzentriert sich auf das Verhältnis dieser beiden; andere Personen spielen in ihrer Annäherung an diese Beziehung keine Rolle.
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How the fuck can I be white, I don’t even exist
Schon wieder einer, der singt, und glaubt schauspielern zu können / zu müssen? Schon wieder eine Hollywood-reife Verballhornung einer Realität, die doch so ganz anders ist? Schon wieder? Britney Spears hat sich blamiert. Mariah Carey hat sich noch mehr blamiert – und jetzt Marshall Mathers, der sich selbst Eminem nennt und den White Trash in die angepasste Glamourwelt und die seichten, weil konfliktfreien Zonen einer Filmwirtschaft hebt, wo er nichts anrichten kann? Ich habe keinen Bezug zu Eminems Musik und auch keinen zu Rap und Hip Hop. Aber irgendwie beschleicht mich ein ungutes Gefühl, wenn ich beispielsweise in einer Filmkritik in der „Frankfurter Rundschau“ lese, es gehe in diesem Film um die Welt der „Habenichtse“, während der Artikel gleichzeitig um eine Beurteilung des Films herumschwirrt wie die Motten ums Licht.
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Ein sinnloses Spektakel
Der Tod von Laurie Strode zu Beginn des achten Halloween-Films wirkt wie eine Weissagung: Jamie Lee Curtis, die „Scream Queen“, muss nie wieder in einem der sicherlich folgenden Sequels spielen. Es sei denn, ein Regisseur käme auf die (dummdreiste) Idee, sie aus dem Jenseits wieder auferstehen zu lassen. Halloween – das war einmal, im wahrsten Sinn des Wortes, das war einmal ein exzellenter Horror, zumindest was den ersten, zweiten, vierten und vielleicht noch siebten Teil der Geschichte betrifft. Der Rest ist sozusagen fast ungenießbares Abfallprodukt. Für Teil 8 gilt dies nicht minder.
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Ein falscher Schritt folgt dem nächsten
Für Paramount gilt, was für alle Hollywood-Produktionsfirmen ungeschriebenes Gesetz ist: Irgendeine Art von Happy-End muss sein, wenn ein Regisseur die passende Werbung ergattern will. Und so hat Roger Michells („Notting Hill“ (USA 1999), „Persuasion“ (1995) ) neuer Film gleich zwei Happy-Ends – ein aus der Handlung resultierend glaubwürdiges und ein aufgesetztes. Da teilen ein weißer aufstrebender, vermögender Jung-Anwalt und ein zur unteren Mittelschicht gehörender schwarzer Versicherungsangestellter für einen Tag ihr Leben, einen Tag, der es in sich hat. Vor allem aber: Am Schluss müssen sie feststellen, dass zwar die Größe des Portemonnaies ihre Welten in vielem trennen mag, so gut wie alles andere aber nicht. Ein Unfall, der nicht nur zufällig passiert, sondern eine gewisse Logik in sich birgt, bringt beide zusammen, lässt sie aufeinander prallen, nicht nur ihre Autos, sondern auch ihre Probleme. „Changing Lanes“ ist kein Thriller, wie der Trailer vielleicht (bewusst) vermuten lässt, sondern ein Film über die Folgen der durch den Zusammenprall in Gang gesetzten Explosionskraft zweier Männer nach einer „Wegkreuzung“, ein Weg zurück, um möglicherweise vorwärtszukommen.
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„Dat iss jetz wech“
Fatik Akin („Kurz und schmerzlos“ (1998), „Im Juli“ (2000)) erzählt in seinem neuen Film die Geschichte einer vierköpfigen italienischen Familie, die 1964 in Duisburg die erste Pizzeria im Ruhrgebiet eröffnet, über einen Zeitraum von 20 Jahren. Familie, Heimat, Bruderzwist, Träume, Liebe, Verrat, Trennung und Tod – das sind die Themen die Akin in Solino verarbeitet: ein bisschen zu viel des Guten?
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