In seinem Sportwagen rast Robert Neville (Will Smith) durch die menschenleeren Straßen des zerstörten Manhattans, seinen treuen Freund, den Schäferhund Sam, auf dem Beifahrersitz. Die Straßen gehören Robert ganz allein, keine lästigen Ampeln, die ihn aufhalten, keine anderen Fahrzeuge, die ihm Platz wegnehmen. Doch plötzlich erregt etwas die Aufmerksamkeit des Hundes: ein Rudel Rehe prescht durch die Häuserschluchten, schlägt Haken zwischen stehengebliebenen Autos, verschwindet hinter der nächsten Ecke. Neville tritt die Bremsen, reißt das Steuer herum: Die Erkundungsfahrt wird zur Jagd, der sprichwörtliche Großstadtdschungel ist ein echter geworden. „Der Letzte macht das Licht aus“ weiterlesen
Son of M
Während des Zweiten Weltkriegs erfährt der Serologe Dr. Rothe (Peter Lorre) von der Gestapo, dass eine seiner Mitarbeiterinnen wichtige Forschungsergebnisse verraten hat. Rothe gerät in arge Bedrängnis und weiß sich aus Angst nicht anders zu helfen, als die Verräterin, seine Geliebte, umzubringen. Der Mord wird vertuscht, Rothe kann verschwinden und unter dem Namen Neumeister nach Kriegsende ein neues Leben als Arzt in einem Flüchtlingslager beginnen. Das schlechte Gewissen und die Furcht vor Enttarnung nagen jedoch an ihm. Die Situation spitzt sich zu, als ein Neuer im Lager ankommt, der sich als ehemaliger Kollege und vor allem als Mitwisser entpuppt … „Son of M“ weiterlesen
Zwei Filme mit Tomas Milian
Der gebürtige Kubaner Tomas Milian ist einer der produktivsten und bekanntesten Schauspieler des italienischen Exploitationkinos der Siebzigerjahre gewesen. In seinen populärsten Rollen, als kleiner Gauner Monnezza, unkonventioneller Bulle Nico Giraldi (deutsch: Tony Maroni) oder Pistolero Provvidenza, absolvierte er gleich mehrere Leinwandauftritte. Dabei nahm er sich des kleinen Mannes von der Straße an: Sein Monnezza trägt das Herz auf der Zunge, erduldet die Gängeleien des Systems zwar alles andere als leise und gleichmütig, aber doch immer mit großer Geduld, großem Herz und viel Witz. e – m – s hat nun zwei Monnezza-Filme veröffentlicht, die typisch für den sozialkritisch angehauchten Unterhaltungsfilm italienischer Provenienz sind. „Zwei Filme mit Tomas Milian“ weiterlesen
Do the Evolution
Der Kiemenmensch aus Jack Arnolds „Der Schrecken vom Amazonas“ ist eine der berühmtesten und beliebtesten Kreaturen des Monsterfilms. Ähnlich wie King Kong repräsentiert er das Unberührte, Unkorrumpierte und Natürliche, das zwar einen unwiderstehlichen Reiz auf den Menschen ausübt, aber all diese Eigenschaften verlieren muss, sobald die Annäherung geschehen ist. Rund zwanzig Jahre nach „King Kong“ in den fortschrittseuphorischen Fünfzigerjahren entstanden, nimmt „Der Schrecken vom Amazonas“ jedoch eine viel weniger skeptische Perspektive als das Original ein; diese tritt erst im Verlauf der beiden Sequels etwas stärker hervor. Diese beiden Filme – „Die Rückkehr des Ungeheuers“ und „Das Ungeheuer ist unter uns“ – sind nun von Koch Media in einer schönen Box veröffentlicht worden, zusammen mit dem thematisch verwandten „Der Schrecken schleicht durch die Nacht“. „Do the Evolution“ weiterlesen
Nach dem Rückzug
Dem kambodschanischen Journalisten Dith Pran ist die Flucht aus einem der Internierungs- und Umerziehungslager gelungen die die Roten Khmer überall im Land aufgebaut haben, um unliebsame Anhänger des alten Systems zu enttarnen und zu beseitigen. Ruhig und zielstrebig marschiert er durch ein Land, dessen Schönheit darüber hinwegtäuscht, welche Gräueltaten sich dort abspielen. Auf seinem Weg durch ein schlammiges Reisfeld rutscht Pran aus und steht plötzlich in einem mit menschlichen Skeletten übersäten Wasserloch. Dem ersten Schrecken folgen ein Blick nach oben und die Erkenntnis, dass sich der Flüchtling in einem Massengrab von gigantischen Ausmaßen bewegt. Die Erkenntnis sinkt in wenigen Augenblicken ins Bewusstein, ruhig, ohne Panik, ohne Schreie. Dann setzt Pran seinen Weg zwischen den Leichenteilen fort, ein wenig schneller als zuvor.
Michio wohnt hier nicht mehr
Ein stockfinsteres Atelier, darin zwei Personen, der blinde Bildhauer Michio und das hübsche Fotomodell Aki, umgeben von Wänden, die über und über mit modellierten Körperteilen übersät sind, und zwei gigantische liegende Pappmaché-Torsos in der Mitte des Raums: Dies ist der ebenso bizarre wie unheimliche Handlungsort von Yasuzo Masumuras modernem Klassiker „Blind Beast“ nach einer Geschichte des japanischen Mystery-Autors Edogawa Rampo, der sich anschickt, die Grenze zwischen Leben und Kunst abzustecken.
Der Tag danach
In Alfred Weidenmanns „Der Stern von Afrika“, einem Film über den deutschen Kriegshelden Hans-Joachim Marseille, gibt es eine Szenenfolge, die gut das Problem des deutschen Kriegsfilms der Fünfzigerjahre illustriert:In den ersten Minuten begleitet der Film Marseille (Joachim Hansen) und seine Freunde, die alle auf die Fliegerakademie gehen, sich mit ihren Freundinnen am Wannsee vergnügen, von großen Heldentaten träumen und deshalb nicht nur insgeheim den Krieg herbeisehnen. Jener bricht dann auch tatsächlich los und unvermittelt über den Film herein: Eine Stimme ertönt in Wochenschau-Manier aus dem Off und verkündet zu passenden Archivbildern, dass der Krieg nun ausgebrochen sei, bevor der Film seine Handlung wieder aufnimmt. In dieser erzählerischen Hilflosigkeit offenbart sich das Problem des deutschen Nachkriegs-Kriegsfilms: Zur „Vergangenheitsbewältigung“ gehört auch die Schaffung eines geeigneten ästhetischen Konzepts, das das Unerklärliche, Unsagbare in Bilder fassen kann. Alfred Wiedenmann gelingt dies noch nicht: Er kann den Krieg für Zuschauer und Protagonisten nur als Zäsur setzen, obwohl er sich doch von langer Hand abgezeichnet hatte. Ein gutes Beispiel für das Maß an Verklärung und das anhaltende Unverständnis, mit dem man in Deutschand das Vergangene betrachtete.
Ausstellungsstück
Der im so genannten Performance-Capturing-Verfahren entstandene „Die Legende von Beowulf“, ist zu allererst ein Film, der unweigerlich als Demonstration dessen rezipiert werden wird, was derzeit mit modernster Computertechnologie machbar ist. Es ist simple Dialektik, dass diese Zurschaustellung technischer Innovation dem Film wahrscheinlich auf anderer Ebene zum Verhängnis werden wird: Wer zeigen will, was machbar ist, zeigt unweigerlich auch, was noch nicht machbar ist.
Die Summe deiner Eltern
Der New Yorker Entymologe Mel Coplin (Ben Stiller) steckt in der Identitäskrise: Er kann seinem neugeborenen Sohn keinen Namen geben, bevor er nicht weiß, wer seine leiblichen Eltern sind. Also hat er Tina Kalb (Téa Leoni), eine Mitarbeiterin der Agentur, die Mel einst an das jüdische Intellektuellenehepaar Pearl und Ed Coplin (Mary Tyler Moore und George Segal) vermittelte, damit beauftragt, seine echten Eltern ausfindig zu machen: mit Erfolg. Und so begeben sich Mel und seine Ehefrau Nancy (Patricia Arquette) bald schon mit Tina auf die Suche nach Mels Wurzeln quer durch die Vereinigten Staaten, die von einigen Katastrophen gesäumt ist …
Gefühlswelten
Mit Ching Siu-Tungs „A Chinese Ghost Story“ wurde der Hongkong-Film 1987 in Deutschland auch über die Grenzen gammliger Bahnhofskinos hinaus bekannt, auf dessen Räumlichkeiten er in den Siebzigerjahren mit deren Martial-Arts-Boom meist beschränkt war. Hongkong-Kino wurde assoziiert mit Martial-Arts-Schund, selten jedoch mit künstlerisch Hochwertigem. Die Meisterleistungen der New Wave des Hongkong-Kinos blieben durch diese Fehleinschätzung leider völlig unbeachtet. Erst Ching Siu-Tungs Fantasy- und Liebesfilm – eigentlich weitaus weniger originell und bahnbrechend als man das in Europa aufgrund des jahrelangen Tiefschlafs empfand – änderte dies und machte den Weg frei für die überschwängliche Rezeption auch des Feuilletons, die wenig später seinen Regiekollegen John Woo, Tsui Hark oder Ringo Lam zuteil werden sollte. Ein weiterer Regisseur, der von diesem Popularitätsschub profitierte, war Ronnie Yu, der mit dem nun auf DVD vorliegenden Film „Das unbesiegbare Schwert“ – oder „The Bride with white Hair“ unter dem der Film international bekannt wurde – einen berühmten Nachzieher zu Ching Siu-Tungs Erfolgsfilm vorlegte.
Nord-Süd-Gefälle
Die Eröffnung ist viel versprechend. Zu treibender Musik ein Zivilbulle einen Verbrecher durch einen Park. Per Voice-over erzählt er uns, dass wir uns in Sükorea befinden, in einem Land, in dem die Verbrecher keine Chance haben, die Polizei am Ende immer gewinnt. Wohin sollte ein Krimineller auch fliehen, wo sich verstecken? Die Grenze zu Nordkorea wird von schwer bewaffneten Soldaten bewacht, der Rest Südkoreas ist von Ozean umgeben. Hier scheint sich tatsächlich eine interessante Perspektive auf ein ansonsten bereits vollkommen ausdefiniertes Genre zu eröffnen. Doch leider ist diese Prämisse bloß vorgeschützt: „Crime City Cops“ ist nicht mehr als ein generischer Genrefilm, der sein Haltbarkeitsdatum schon bei den Endcredits überschritten hat.
Erase and Replace
Ihre platinblonden Haare wurden zum Markenzeichen, noch bevor man von Wasserstoffblondinen und den dazugehörigen Witzen überhaupt gehört hatte: Ingrid Steeger. In „Zwei himmlische Töchter“ und „Klimbim“ schrieb sie neben Iris Berben und Elisabeth Volkmann Fernsehgeschichte, mit ihrer Rolle in Dieter Wedels „Der große Bellheim“ bewies sie 1993, dass sie auch in einer seriösen Rolle überzeugen konnte. Den Ruf des blonden Sexhäschens konnte sie dennoch nie wirklich ablegen. Warum das so ist, davon kann man sich mit den acht Filmen aus der von Ascot Elite veröffentlichten „Ingrid Steeger Gold Collection“ ein Bild machen. Auch wenn der Titel der Box eher unglücklich gewählt ist: In den meisten der enthaltenen Filme ist Ingrid Steeger allerhöchstens als Nebendarstellerin und selten länger als für ein paar Minuten zu bewundern. Ihre ekstatischen Nackttänze mit wallender Haarpracht machen aber auch heute noch nachvollziehbar wie sie zu ihrer immensen Popularität gelangen konnte. Dennoch müsste die Box treffenderweise „Die Erwin C. Dietrich Sexfilm Collection“ heißen, denn mehr als über Ingrid Steeger erfährt man über die Arbeitsweise des Schweizers, einem der erfolgreichsten B-Film-Produzenten seiner Zeit.
Die Einsamkeit des Langstreckenfahrers
Die 500 Meilen von Indianapolis – eines der berühmtesten Autorennen der Welt – werden auf einem riesigen, 2,5 Meilen langen Oval zurückgelegt. Die Einfachheit des Kurses macht dabei den großen Reiz für Fahrer wie für Zuschauer aus: Denn mehr als bei anderen Rennen kommt es hier auf die Geschwindigkeit an, den Mut, möglichst lang auf dem Gaspedal zu bleiben, die Bremsen so wenig wie möglich zu betätigen. Ein Rennen wie es amerikanischer kaum sein könnte, und das Geschichten erzählt, die aus demselben Garn wie die großen Mythen gewoben sind. Die Faszination, die von diesem Rennen ausgeht, fangen Goldstone und sein Kameramann Richard Moore in atemberaubenden Bildern ein, die von einer rasanten Montage beschleunigt werden und das aufgeregte Pulsieren auf der Rennstrecke und den Tribünen ringsum perfekt visualisieren. Die 500 Meilen von Indianapolis werden zu einer Summe von Augenblicken und Sekundenbruchteilen fragmentiert, die nur der beste Fahrer zu der Geschichte zusammensetzen kann, die von seinem Sieg erzählt. Aber mehr als ein Rennfahrer- oder Sportfilm ist „Indianapolis“ Ehedrama und Coming-of-Age-Film.
Die zweite Chance
Erst eine Kugel, die in seiner Medulla Oblongada stecken bleibt, kann den Polizisten Anthony Stowe (Jean-Claude Van Damme) stoppen – schon zuvor hatte sein Vorgesetzter ihm prophezeit, dass er seine neun Leben bald aufgebraucht habe. Anthony Stowe ist nämlich nicht nur der genretypische lone wolf, der Außenseiter, der bestehende Regeln und Vorschriften beugt oder gar bricht, er ist der sprichwörtliche bad cop und ein Schwein wie es im Buche steht: Er verprügelt und verrät seine Kollegen, betrügt seine Ehefrau, säuft und ist trotz seines Jobs bei der Drogenfahndung heroinabhängig. Sein ehemaliger Partner – sowohl als Polizist als auch als aufstrebender Dealer – und jetziger Gegenspieler Callahan (Stephen Rea) erinnert im Namen noch an den archetypischen Vigilantencop Dirty Harry. Und diese Umkehrung setzt sich auch darin fort, dass die im Actiongenre Recht sprechende bullet in the head aus der Waffe des Schurken stammt und die Wandlung des bad cops zum good cop überhaupt erst ermöglicht.
Die Blechdose, die aus dem Osten kam
Der berühmte amerikanische Wissenschaftler Dr. Lucas Martino (Joseph Bova), der mit dem rätselhaften Neptun-Projekt betraut ist, verunglückt bei einem schweren Verkehrsunfall in der UdSSR, überlebt aber schwer verletzt. Monate später erhält der amerikanische Geheimdienst die Nachricht, dass die Sowjets Martino an einem Grenzübergang übergeben wollen. Die Übergabe findet statt, doch statt des Wissenschaftlers überquert ein ganz in Metall gehüllter Mann die Grenze. Zwar behauptet jener, Martino zu sein, doch der Geheimdienst in Vertretung des Agenten Sean Rogers (Elliott Gould) hat berechtigte Zweifel an der Identität des Mannes …
Re-Maskierung
In John Carpenters „Halloween“ von 1978 gibt es eine Szene, die aus dem ansonsten sehr streng komponierten und kohärent erzählten Film herausfällt: Gegen Ende verschanzt sich Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) vor dem Killer Michael Myers in einem Schrank und biegt einen Drahtkleiderbügel auf, mit dem sie ihm schließlich ins Gesicht sticht, um ihm sogleich die Maske vom Kopf zu reißen. Die von Carpenter den ganzen Film über als entmenschlichte Kampfmaschine, als personifiziertes Böses inszenierte Figur erhält so sprichwörtlich ein menschliches Gesicht. Doch die Demaskierung dauert nur Sekunden: Myers legt die Maske wieder an und damit alles Menschliche endgültig ab, verwandelt sich in Sekundenbruchteilen zurück in das abstrakte Prinzip, das nur die Zerstörung kennt.
Hiss, hiss, der Schlangenmann
Dass der Horrorfilm bei aller Zeigefreude im Grunde seines Herzens ein prüdes Genre ist, ist nicht erst bekannt, seit diverse Maskenmänner mit langen Dolchen Jagd auf allzu freizügige Teenager machen. Können triefende Wunden, abgeschnittene Gliedmaßen und ausgeräumte Bauchhöhlen sonst kaum detailliert genug ins Bild gerückt werden, werden charakteristische Körperteile oft mittels ungemein einfallsreicher Methoden verschleiert, verdeckt oder – die Radikallösung – auch dann nicht entblößt, wenn es die Situation eigentlich zwingend erfordert. Besonders beliebt ist sicherlich das Verbergen der Geschlechtsteile hinter am Set befindlichen Gegenständen (einst trefflich vorgeführt in „Austin Powers“). Im Falle von „Ssssnake Kobra“ musste Regisseur Bernard Kowalski besonderen Einfallsreichtum aufbringen, weil sich offensichtlich keine geeignete Kameraposition finden ließ, um die Genitalien seiner Hauptdarsteller Dirk Benedict und Heather Menzies zu verdecken. Was könnte in einem solchen Fall einfacher sein, als die verhüllenden Blätter eines Baumes auf das Kameraobjektiv zu malen? Eine Szene, die einen in ihrer geradezu rührenden Prüderie geradewegs in die Fünfzigerjahre katapultiert und damit in eine Zeit, in der Filme wie „Ssssnake Kobra“ Hochkonjunktur hatten.
Ein Superhirn in Aktion
Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes darf als eine der berühmtesten fiktiven Figuren der Literaturgeschichte bezeichnet werden. Mehr noch: Wie kaum einem zweiten erfundenen Charakter ist es dem Meisterdetektiv gelungen, die Restriktionen der Fiktion hinter sich zu lassen und zur Persönlichkeit des öffentlichen Lebens zu werden. In London pilgern auch 130 Jahre nach seinem ersten Auftritt immer noch Fans und Touristen in die Baker Street 221B und besichtigen dort seine Wohnung, die er doch in Wahrheit niemals betreten hat. Seine immense Popularität verhalf ihm auch in der Welt des Films zu früher Präsenz. Sein erster dokumentierter Leinwandauftritt – ein 30-sekündiger Stummfilm namens „Sherlock Holmes baffled“ – datiert auf das Jahr 1900; insgesamt listet die IMDb 87 Filme, die sich explizit der Doyleschen Figur annehmen.
Schießen Sie auf den Zuschauer!
Der Schriftsteller Walter Kranz (Kurt Raab) hat seine große Zeit hinter sich: in den Sechzigerjahren noch gefeierter Autor der linken Revolution, jetzt ausgebrannt, ohne Ideen und pleite. Der Vorschuss fürs nächste noch nicht mal angefangene Buch ist schon verprasst, die keifende Ehefrau Luise (Helen Vita) fordert Disziplin, während der schwachsinnige Bruder (Volker Spengler) tote Fliegen sammelt. Als Kranz seine reiche Geliebte und Gönnerin, die masochistisch-nymphoman veranlagte Irmgard von Witzleben (Katharina Buchhammer), erschießt, sind die Geldsorgen fürs erste gestillt und auch die Schreibblockade scheint überwunden: Doch das wie im Rausch geschriebene und für genial befundene Gedicht „Der Albatros“ entpuppt sich als bereits von Stefan George verfasst (es handelt sich um die Übertragung eines Gedichts von Baudelaire). Das lässt für Kranz nur einen Schluss zu: Er ist George. Und so lässt er sich dann von einem spontan eingekauften Bewundererkreis aus Jünglingen feiern und bewundern, versucht sich an der Homosexualität und behandelt alle ihn umgebenden Menschen wie Untertanen, während er immer tiefer in die Pleite rutscht …
Das paranoide Weltbild
„Sehen Sie?“, fragt der orthodoxe Jude immer wieder, doch Detective Robert Gold, seines Zeichens selbst Jude, sieht nichts. Die Ausführungen des Juden bleiben für ihn rätselhaft, konfrontieren ihn mit einer ihm völlig fremden Weltanschauung. Am Ende dieser Schlüsselszene von Mamets Film stellt der studierende Jude die Identität Golds radikal infrage: Als er ihm eine Kopie aus dem Buch Esther in hebräischer Schrift reicht und erneut fragt „Sehen Sie?“, gesteht Gold, dass er den Text nicht lesen könne. „Sie sagen, Sie seien Jude und können kein Hebräisch? Was sind sie dann?“

