Die Einsamkeit des Langstreckenfahrers

Die 500 Meilen von Indianapolis – eines der berühmtesten Autorennen der Welt – werden auf einem riesigen, 2,5 Meilen langen Oval zurückgelegt. Die Einfachheit des Kurses macht dabei den großen Reiz für Fahrer wie für Zuschauer aus: Denn mehr als bei anderen Rennen kommt es hier auf die Geschwindigkeit an, den Mut, möglichst lang auf dem Gaspedal zu bleiben, die Bremsen so wenig wie möglich zu betätigen. Ein Rennen wie es amerikanischer kaum sein könnte, und das Geschichten erzählt, die aus demselben Garn wie die großen Mythen gewoben sind. Die Faszination, die von diesem Rennen ausgeht, fangen Goldstone und sein Kameramann Richard Moore in atemberaubenden Bildern ein, die von einer rasanten Montage beschleunigt werden und das aufgeregte Pulsieren auf der Rennstrecke und den Tribünen ringsum perfekt visualisieren. Die 500 Meilen von Indianapolis werden zu einer Summe von Augenblicken und Sekundenbruchteilen fragmentiert, die nur der beste Fahrer zu der Geschichte zusammensetzen kann, die von seinem Sieg erzählt. Aber mehr als ein Rennfahrer- oder Sportfilm ist „Indianapolis“ Ehedrama und Coming-of-Age-Film.

indy1.jpgFrank Capua (Paul Newman) ist einer der Rennfahrer, die dem Rausch der 500 Meilen von Indianapolis erlegen sind. Jahr für Jahr quält er sich durch eine entbehrungsreiche Saison, nur um am Ende in Indianapolis antreten und vielleicht gewinnen zu können. Capua verbringt 24 Stunden mit seinem Auto: Wenn er es nicht fährt, schraubt er mit seinem Mechaniker daran rum, testet, verbessert und schläft in seinem Rennwagen. Wenn der Motor schnurrt, wenn die Maschine jeder seiner Bewegungen gehorcht, ist es das Größte für ihn. Aber etwas fehlt dennoch: Da ist niemand, mit dem er seine Leidenschaft teilen könnte. Nach einem triumphalen Sieg lernt er auf einem nächtlichen, leicht angetrunkenen Streifzug durch die Stadt Elora (Joanne Woodward) kennen. Aus dem Flirt wird ein Abenteuer, aus dem Abenteuer eine Liebschaft und aus der Liebschaft nur wenige Tage später eine Ehe. Aber die Unbeschwertheit der rennfreien Zeit lässt sich nicht in die Saison hinüber retten. Frank und Elora sind meist getrennt, wenn sie sich sprechen, gibt es Streit, weil Frank das Rennen nicht vergessen kann, wenn sie sich sehen, muss Elora ebenfalls dem Motor den Vorzug geben. So kommt es wie es kommen muss: Elora landet mit Franks Teamkollegen und Kontrahenten, dem Heißsporn Lou Erding (Robert Wagner), im Bett und versetzt der gemeinsamen Ehe so den Todesstoß, noch bevor sie sich bewähren konnte. Doch am Ende der Saison begegnen sich die beiden wieder …

Die Ehrenrunde nach dem großen Sieg dreht Frank Capua in irrsinnigem Tempo, so als befände er sich immer noch im Rennen. Auf die Frage des Reporters, warum er nicht langsamer gefahren sei, antwortet er nur, dass er nicht gewollt habe, dass es schon aufhört. Das scheint der Schlüsselsatz von James Goldstones Film und der Schlüssel zum Verständnis seines Protagonisten zu sein: Frank Capua ist noch nicht bereit für die Ehe und die Verantwortung, die mit dieser einhergeht. Das Autorennen als eine der Männerfantasien schlechthin und der Wunsch die 500 zu gewinnen, stehen zwischen Frank und Elora. Frank will alle Vorzüge der Ehe, die Unterstützung und Liebe, aber nicht die damit verbundenen Verpflichtungen. Aber auch Elora macht Fehler. Zwar akzeptiert sie seine Leidenschaft als wichtigen Teil von ihm, aber es gelingt ihr nicht, ihm seinen Traum zu lassen und dabei selbst zurückzustehen. Es geht für Frank und Elora darum, ihren Egoismus zu überwinden und erwachsen zu werden. So schließt der Film dann auch nicht im Freudentaumel des Sieges (wie es viele Sportfilme tun), zu dem erst die Liebe befähigt hat, sondern in einem Zwiegespräch vor Eloras Haustür, bei dem sich die Noch-Ehepartner gegenüberstehen wie bei einem Duell, Frank immer mit einem Fuß in der Tür seines Wagens. „Wenn wir es wollen, können wir es schaffen.“, sagt er schließlich, bevor die Credits über das Bild rollen. Die unprätentiöse Weisheit dieses Films liegt auch in ihrer Authentizität begründet, denn Hauptdarsteller Paul Newman wusste in zweierlei Hinsicht, worum es in „Indianapolis“ ging. Bei den Dreharbeiten zu diesem Film packte ihn nicht nur die Rennleidenschaft (1972 nahm er an seinem ersten professionellen Rennen teil), er war zu diesem Zeitpunkt auch bereits elf Jahre mit seiner Filmpartnerin Joanne Woodward verheiratet – und ist es heute noch.

Indianapolis
(Winning, USA 1969)
Regie: James Goldstone, Drehbuch: Howard Rodman, Kamera: Richard Moore, Musik: Dave Grusin, Schnitt: Edward A. Biery, Richard C. Meyer
Darsteller: Paul Newman, Joanne Woodward, Robert Wagner, Richard Thomas, Clu Gulager
Länge: ca. 118 Minuten
Verleih: Koch Media

Zur DVD von Koch Media

Die DVD liegt im Pappschuber ohne nennenswerte Extras vor: Es gibt lediglich einen Trailer. Dafür sind aber sowohl Bild- und Tonqualität hervorragend.

Zur Ausstattung der DVD:
Bild: 2,35:1
Ton: Deutsch (Dolby Digital 2.0 Mono), Englisch (Dolby Digital 4.0)
Extras: Trailer
Länge: ca. 118 Minuten
Freigabe: ab 12
Preis: 13,95 Euro

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