Vom Nutzen der Bücherverbrennung & Co.

Es ist nicht gerade so, dass es dringend an der Zeit wäre, dem slowenischen Philosophen Slavoj Žižek endlich eine Präsenz in bewegten Bildern zu geben. Über den Lacanianer gibt es ganz im Gegenteil bereits eine Vielzahl an filmischen Abarbeitungen. Man erinnere sich etwa an Astra Taylors Königsportrait „Zizek!“ von 2005, bei dem sich erlernen ließ, dass der wuschelige Wirrkopf seine Unterhosen im Geschirrschrank aufhängt. Taylor war es auch, die ihn drei Jahre später in ihrer episodischen Philosophenansammlung „Examined Life“ auf die Müllkippe schickte, um den Marxisten darüber schwadronieren zu lassen, warum der Mensch angesichts des eigenen Abfalls in Transzendenzzustände fallen sollte, anstatt dem romantischen Gedanken der Liebe zur Natur nachzuhängen. Schließlich ist da noch „The Pervert’s Guide to Cinema„, in welchem Žižek selbst zum Erzähler wird und das tut, was er am Liebsten macht: Schwatzen, palavern, plappern über Film, auf Film, im Film.

In dieser Tradition setzen Susan Chales de Beaulieu und Jean-Baptiste Farkas den Kreuzzug fürs Žižeksche Dasein in Filmform fort und erschaffen einen weiteren Egotrip des Denkers: „Alien, Marx & Co – Slavoj Žižek im Porträt“ ist zunächst einmal eine gut 50 minütige Dokumentation, die den Poststrukturalisten bei Radiointerviews und Universitätvorträgen begleitet. Als Gimmick gibt es von Žižek selbst dirigierten (!) Zuschalten für Gedankengänge von Alain Badiou und Jacques Rancière, die der im Kommunismus aufgewachsene „Riese von Ljubljana“ nach Belieben weiter verwertet. Es wird geredet über die Hegel-Lektüre in den einsamen Hallen der Universitätsbibliothek, über die wirre Methodik in den Schriften des Philosophen, auch über den monologisierenden Grundgestus, dessen sich Žižek natürlich bewusst ist. Über Politik, viel Politik, über den Begriff des Terrorismus und das Verständnis von Demokratie, die Fragilität unseres Gesellschaftssystems. Natürlich ausführlich über Hollywood, und dann – ganz im Nebenbei – Über die Toilettenmentalitäten in verschiedenen Ländern, über den Nutzen von Bücherverbrennungen, und die Idee trunkene Poeten in Gulags schicken zu wollen.

Der Clou an der bis dahin doch sehr gezügelten Ordnung in Žižeks Universum ist dann aber das Zusatzmaterial. Ausgespielte Interviews und Vorträge lassen gerade in der wirren Unordnung und Aneinanderreihung von Gedankenfetzen weitaus stärker zum Einen auf das Treiben in Žižeks Kopf, zum Anderen auf die Wirkung seiner Persona blicken. Den dahingehenden Höhepunkt bilden Amateuraufnahmen eines Restaurantbesuchs, bei dem der bärige Zentaur von einer Schar junger Menschen (dem Filmteam? Philosophiestudenten?) umgeben ist und über Vita Cola sinniert als ob es das Referenzwerk Hegels wäre. Besonders in diesem freien Raum des Alltags ist zu sehen, dass Žižek ein perfektionierter Schauspieler ist, der seine Figur des popkulturellen, rastlosen, überenthusiastischen, verschmitzt grinsenden Zauselhaars jede Sekunde wiederzugeben im Stande ist. „Alien, Marx & Co“ funktioniert also einmal mehr als das, was Žižek aus der Gattung des Dokumentarfilms macht – die ganz persönliche Selbstproduktionsmaschine seines Mythos.

Alien, Marx & Co. – lavoj Žižek im Gespräch
(Deutschland 2005 & 2009)
Regie: Susan Chales de Beaulieu/Jean-Baptiste Farkas; Buch: Susan Chales de Beaulieu; Kamera: Frank Bergfeld; Schnitt: Rica Linders; Musik: Michel Chion, Quinteto Tango
Geprächspartner: Slavoj Žižek, Jacques Rancière, Alain Badiou, Alenka Zupančič, Michel Chion
Länge: 52 Min. + 60 Min. Extras
Verleih: Filmedition Suhrkamp / absolut Medien

DVD von Filmedition Suhrkamp & absolut Medien

Bild: 2.35:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch, Französisch – fremdsprachige Passagen mit deutschem Voice-over. Extras deutsch untertitelt. (Stereo)
Extras: Interviews, Zwischenräume, Vortragsausschnitte, Texte im Begleitbuch von: Jens-Christian Rabe, Peter Körte, Eberhard Rathgeb, Niklas Maak, Harald Staun
FSK: Info-Programm gemäß §14 JuSchG
Preis: 19,90 Euro

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Felix Piatkowski

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