Auf dem Spiel-Feld der Ehre

Wenn in der Virtualität kein Platz mehr ist, kommen die Avatare zurück ins Reale. Unter diesem etwas abgewandelten, aber doch nicht ganz unpassenden „Zombie“-Motto könnte man eine Entwicklung jenes Science-Fiction-Motivs zusammenfassen, das seinen Beginn in den 1970er Jahren genommen hat, als in Rainer Werner Fassbinders „Welt am Draht“ und Tom Toelles „Das Millionenspiel“ erstmals mediale und virtuelle Realitäten auf die außermediale Wirklichkeit des Zuschauers übergriffen. Der Verlauf und das Resultat dieses Übergriffs ist in solchen Filmen fast immer ein wenn nicht katastrophaler, so doch zumindest gesellschaftszersetzender. Jüngste Produktionen dieser Motiv-Kette sind Jonathan Mostows „Surrogates“, James Camerons „Avatar“ und der jetzt auf Blu-ray-Disc erschienene Film „Gamer“ der Regisseure Mark Neveldine und Brian Taylor.

In „Gamer“ wird die Welt in wenigen Jahren, wie der Vorspann verspricht, als ein Mix-up aus Virtualität und Realität dargestellt. Durch nanotechnische Hirnimplantate verdienen sich Menschen, die sonst kein Einkommen haben, Geld als Spielfiguren in Real-Life-Games: Da wäre zum Einen die „Second Life“-Variante „Society“, in der diese Spielfiguren in bestimmten Arealen die Kontrolle über ihren eigenen Körper an einen weit entfernten Spieler abgeben, welcher dann mit ihnen machen kann, was er will (was zumeist auf Party und Sex hinaus läuft); zum Anderen gibt es aber auch ein neueres Produkt der Spielindustrie des Medien-Tycoons Ken Castle (Michael C. Hall) mit dem Titel „Slayers“. Dabei handelt es sich um ein Kriegsspiel, in dem zum Tode verurteilte Strafgefangene in 30 Levels in einem Kriegsszenario um ihr Leben kämpfen – der Gewinn ist ihre Freiheit. Der zu Unrecht einsitzende „Kable“, der mit bürgerlichem Namen John Tilmann heißt (Gerard Butler), kämpft dort schon länger als jeder andere Spieler vor ihm: 26 Runden hält er bereits durch, um seine Frau, die sich zwischenzeitlich in „Society“ verdingt, und seine Tochter, die bei Castle lebt, wiedersehen zu können. Was „Kable“ nicht weiß, ist, dass an eine Begnadigung gar nicht gedacht wird, weil man nicht davon ausgeht, dass jemand „Slayers“ überleben kann. Was alle anderen nicht wissen ist, dass Ken Castle mit seiner Avatar-Technologie noch ganz andere Dinge plant …

Die Ähnlichkeit der Story von „Gamer“ zu älteren Science-Fiction-Filmen wie „Running Man“ oder „Death Race“ fällt sofort auf. An ihr zeigt sich aber vielleicht weniger das mangelnde Innovationstalent der Drehbuchautoren und Regisseure als die Dringlichkeit des verhandelten Themas. Dass „Gamer“ einen recht konservativen Blick auf die Welt der Social Games wirft und zudem eine offensichtliche Brücke zwischen virtueller und realer Gewalthandlung schlägt, formuliert vor allem ein gesellschaftliches Misstrauen gegenüber Medien und Medientechnologien aus. Sicher, die Nanotechnik, mit der menschliche Gehirne zu Spielkonsolen werden, ist Zukunftsmusik – nicht jedoch die immersive Verschaltung des Spielergehirns mit dem Spielplot. Und darauf insistieren Filme wie „Gamer“ (und auch „Surrogates“ und „Avatar“) deutlich: dass der Körper des Spielers zur stillgestellten Spielfigur vor dem Monitor wird, wenn die Grenzen zwischen Realität und Virtualität verwischen. Ein Topos, der eng mit der Besiedlung des Privatlebens durch den Computer zusammenhängt.

„Gamer“ steht überdies in der Tradition des Action-Science-Fiction, bei dem der Held wieder real werden muss, weil Heldentum das einzig Reale ist. Auch „Kable“ will sich schließlich von seinen virtuellen Fesseln befreien, sich entkabeln von der Maschine, um wieder Tilmann zu werden, um mit seiner ganz realen Frau und seiner ganz realen Tochter wieder in die ganz reale Familie zurückkehren zu können. Die Regisseure Neveldine und Taylor setzen dieses Unplugging mit der von ihnen (etwa aus „Crank“) bekannten Ästhetik um: Schnittgewitter, sarkastische Gewalt und eine schon fast groteske Vermischung von Kitsch und Dramatik – etwa, wenn Ken Castle irgendwann gegen Ende ein Roboter-Ballett gegen „Kable“ auffährt. Dass diese ästhetische Mixtur durchaus auch zynisch wirken kann, ist sicherlich einer der Gründe dafür, dass „Gamer“ von der FSK auf DVD und Blu-ray erst eine Freigabe „ab 18 Jahren“ erhalten hat; eine andere Erklärung könnte aber auch darin liegen, dass das Sujet, in dem Spiel und Krieg, Virtuelles und Reales miteinander amalgamieren, auf die Gutachter von der FSK so bedrohlich gewirkt hat, dass sich das Misstrauen gegenüber den Medien von der Botschaft auf den Boten übertragen hat. Denn „Gamer“ ist trotz seiner Buntheit und Kitschigkeit mehr eine Warnung als eine Affirmation. Das zeigt sich nicht zuletzt am Bonus-Programm der Blu-ray, in der der Film etwa an die Geschichte des Ego-Shooter-Spielgenres gekoppelt wird.

Gamer
(USA 2009)
Regie & Buch: Mark Neveldine & Brian Taylor; Musik: Robb Williamson & Geoff Zanelli; Kamera: Ekkehart Pollack; Schnitt: Peter Amundson, Fernando Villena & Doobie White
Darsteller: Gerard Butler, Amber Valletta, Michael C. Hall, Kyra Sedgwick, Logan Lerman, Alison Lohman, Terry Crews u. a.
Länge: 94 Minuten (gekürzte Fassung)
Verleih: Universum-Film

Die Blu-ray-Disc von Universum-Film

  • Bild: 1,85:1 / 1080p/24p
  • Ton: Deutsch (DTS-HD 5.1 Master Audio), Englisch (DTS-HD 5.1 Master Audio)
  • Untertitel: Deutsch und Englisch für Hörgeschädigte
  • Extras: Making of „iCon Mode“, Cheat Codes (Interactive Mode), Making of „Inside the Game: Controlling Gamer“, Featurette „First Person Shooter“, The Doobie-ness Cut Trailer, Interviews mit Cast und Crew, Audiokommentar mit Cast & Crew
  • Wendecover
  • Preis: 22,97 Euro

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