Britspotting 2011 – Lachen gegen die Terror-Angst

Die CSU – bekanntermaßen ein bayerischer Zusammenschluss von Filmexperten und Medienwirkungs-forschern – will die Terror-Satire „Four Lions“ nicht in deutschen Kinos laufen lassen, weil der Film Moslems verärgern könnte. Damit rückt im Jahr 2011 – neben reaktionär-autoritären Maßnahmen wie Verbot und Zensur – letztlich der Straftatbestand ‚Blasphemie‘ wieder ins Zentrum einer säkularen, westlichen Gesellschaft. Dabei heißt es doch sonst gerade von rechter Seite, die Terroristen hätten ’schon gewonnen‘, wenn wir aus Rücksicht auf sie unseren Lebensstil einschränken würden. In Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden – allesamt Staaten mit einem hohen muslimischen Bevölkerungsanteil – lief der Film bereits, zur Überraschung der CSU folgten keinerlei Selbstmordattentate. Ganz im Gegenteil: Kunst kann eine befreiende, Ängste kurzzeitig überwindende Wirkung haben, indem sie uns dazu bringt, über die Gegenstände unserer kollektiven Ängste zu lachen.
Die Ausdrucks- und Meinungsfreiheit der Kunst ist selbstverständlich vollkommen unabhängig von der Qualität eines Werkes – im Falle von „Four Lions“ aber wäre ein Verbot nicht nur im politischen, sondern auch im künstlerischen Sinne schmerzlich, da der Film von Christopher Morris ein Highlight des Kinojahres 2010 war. Das Berliner Festival „Britspotting“ präsentiert den Film Ende Januar, im April soll er dann deutschlandweit in die Kinos kommen – solange sich die CSU nicht durchsetzt.

„Four Lions“ zeigt uns einen der Gründe, warum nur eine relativ geringe Anzahl der geplanten Terror-Anschläge ‚Erfolge‘ zeitigt. Die fünf (sich sukzessive selbst dezimierenden) Islamisten dieses Films sind dermaßen inkompetent, dass al-Qaida sie hochkant aus einem Trainingslager in Pakistan schmeißt – nachdem sie versehentlich Osama bin-Laden umgebracht haben. Die britischen Sicherheitsdienste wiederum sehen von einer ernsthaften Überwachung der Chaoten-Truppe um Familienvater Omar (Riz Ahmed) ab, nachdem ein Mitglied der Zelle seine Fähigkeit unter Beweis gestellt hat, statt des geplanten Ziels sich und seine Briefbomben-Krähe in die Luft zu jagen. Die verbliebenen Kumpanen erklären Fessal (Adeel Akhtar) trotzdem zum Märtyrer, da er die ‚Infrastruktur der nationalen Nahrungsversorgung‘ angegriffen habe – immerhin war bei der Explosion ja ein Schaf (ungeplant) mit drauf gegangen.

Diese rabenschwarze Komödie legt sich also keinerlei Fesseln der political correctness an – stattdessen teilt sie kräftig und nach allen Seiten gleichmäßig aus. Der Staat überwacht (und erschießt) die Falschen, die Bevölkerung sieht in jedem Moslem einen Terroristen, und die Möchtegern-Gotteskrieger sind nicht nur intellektuelle Rohrkrepierer, sondern lassen sich auch noch widerstandslos von den Lockungen der westlichen Kultur verführen, die sie doch eigentlich abzuschaffen hoffen.
Die Islamisten des Films sind dabei erstaunlich sympathisch gezeichnet und reichen vom radikalen ur-britischen Konvertiten („Wir bombardieren die Moschee und radikalisieren damit die moderaten Moslems!“) über den geistig Minderbemittelten, der das Internet in die Luft jagen will, bis hin zum fundamentalistischen, aber friedliebenden Koran-Gelehrten. Ihre Motive variieren zwischen spiritueller Leere inmitten materiellen Wohlstands, Idealisierung des konsumkritischen Islams und ideologischer Manipulierbarkeit.

Während viele Satiren als one-trick-pony verenden und über die Grundidee hinaus oft nicht sonderlich viel zu bieten haben, merkt man „Four Lions“ an, dass hier lange am Drehbuch gefeilt wurde. Anders als in Uwe Bolls Terrorismus-Klamauk „Postal“ fallen den Autoren von „Four Lions“ immer neue Gags ein – mal wird ein anti-westliches Plädoyer in Rap-Form dargeboten, mal steigern sich zwei ganz unterschiedliche Brüder in einen Wasserpistolen-Konflikt hinein und mal bemühen die Aushilfs-Terroristen die seltsamsten Methoden, um der staatlichen Überwachung zu entgehen (SIM-Karten verschlucken, Kopf-Dauerschütteln, Kiste über dem Kopf während des Bekenner-Videos).
„Four Lions“ ist nicht nur umwerfend komisch, sondern auch psychologisch sinnvoll, schließlich ist Lachen doch – laut Freud – eines der effektivsten Mittel, um mit Leid und Verzweiflung umzugehen. Indem der Film seine Zuschauer über dilettantische Terroristen lachen lässt, erhebt er das Publikum für anderthalb Stunden über die allgegenwärtige Terror-Angst.

Four Lions
(Großbritannien 2010)
Regie: Christopher Morris; Drehbuch: Christopher Morris, Jesse Armstrong, Sam Bain, Simon Blackwell; Kamera: Lol Crawley; Schnitt: Billy Sneddon; Darsteller: Riz Ahmed, Nigel Lindsay, Kayvan Novak, Adeel Akhtar
Länge: 97 Min.
Verleih: Capelight Pictures

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