Ahnenforschung

Tonbänder, die zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht Wahrgenommenes wiedergeben, Fotografien, die mehr zeigen, als vor der Linse zu sehen gewesen ist, das sind die Zutaten, mit denen moderne Geistergeschichten zubereitet werden. Ganze Webseitenringe beschäftigen sich im Internet – mal mehr, mal weniger seriös – mit solcherlei Phänomenen und sorgen beim mitternächtlichen Vorbeisurfen für wohligen Grusel vor dem Monitor. Das klassische, förmlich aus dem Nichts heraus in Erscheinung tretende Gespenst scheint in unseren Zeiten ausgestorben, wer was auf sich und seinen Spuk hält, der manifestiert sich zunächst in der medialen Reproduktion von Wirklichkeit.

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Gewohntes, gar zu gewöhnlich

Im Zuge postmoderner Strategien überbordender Bildopulenz erfuhr auch der Kostümfilm in den letzten Jahren naheliegenderweise ein furioses, ästhetisches Comeback. Vom Zwang klassischer Abbildungsparadigmen befreit, verdichteten Filme wie From Hell (USA 2001), Sleepy Hollow (USA 1999), Moulin Rouge! (USA 2001) oder aber auch die französischen Vertreter Der Pakt der Wölfe (2001) und Vidocq (2001) traditionelle Schauwerte mittels einer außer Rand und Band geraten zu scheinenden Technik und vielfältigen, intertextuellen Bezügen. Im Ergebnis feierten bis dato im Mainstreamkino kaum gekannte Bilderwelten ihre Genese auf der Leinwand, die das Kino auch für die Zukunft als Zelebrierungsstätte erster Wahl der Lust am Neuen, Bahnbrechenden, Berauschenden modernster Technologie kennzeichneten. Schon die ersten Bilder aus Die Liga der Außergewöhnlichen Gentlemen – das sattsam bekannte Fox-Logo rettet sich als gusseiserne Dachzierde vom voran gestellten Jingle ins viktorianische London hinüber, gefolgt von einer langen, eindeutig im Computer entstandenen Kamerafahrt durch düster-nasse Gassen und Winkel – lassen keinen im Unklaren darüber, dass sich an jenen „neue alte Tradition“ angelehnt werden will.
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Old Europe

Die simple Grundidee an sich ist nun wirklich reizvoll: „Drehe einen Film für 99 Euro!“ Das verspricht Ideenreichtum, Mut zur Improvisation, neue Wege, die beschritten werden wollen, ja, vielleicht sogar ganz neue Perspektiven des Filmeschaffens an sich. Die rigide finanzielle Beschränkung kann ohne weiteres auch als Befreiung von ökonomischem Druck umgedeutet werden, als Befreiung auch von althergebrachter Form und Konvention. Schon Truffaut kennzeichnete den Film der Zukunft notwendig als „Akt der Liebe“ und führte, unter anderem, die Befreiung der Filmproduktion von, auch aufgrund legislativer Einschnitte, unnötig hochtrabenden Kalkulationen, das kostengünstige Filmemachen also, als eine Voraussetzung hierfür an. In EUROPE – 99 EURO-FILMS 2 findet das Konzept nun, geboren als (wenn auch entliehene) Idee auf dem Filmfestival Oldenburg, filmische Premiere dann etwas später auf der Berlinale 2002, seine Fortsetzung.
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One more time

Gute Pop-Platten erzählen eine Geschichte. Bestenfalls erzählen sie diese sogar nicht im begrifflichen Sinne, lassen vielmehr den geneigten Zuhörer vor dem geistigen Auge eine solche abstrahieren. Sie nehmen einen bei der Hand, verdichten die eigene emotionale Welt zu einem Traumuniversum, das – allein durchs Auflegen der Platte – beliebig abrufbar, verfügbar scheint. Diese Affinität zum Traum, dieses Glücksversprechen macht die große Anziehungskraft des Pop aus: Pop ist melancholische Sehnsucht nach der anderen, der besseren Welt. „Nieder mit den Umständen“, singt man in Hamburg. Umso ernüchternder der Moment, wenn die Plattennadel sich vom Vinyl hebt, der Laser des CD-Players das letzte Bit ausgelesen hat. Pop ist Illusion, scheitert letztendlich an den „Grenzen unserer Physik“ (wie wenig später Kante sangen).
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Pop will eat itself

Am Anfang steht die Initiation: Laute Musik – wild, anarchisch, befreiend – betäubt, vor allem wenn live erlebt, nicht nur die Ohren, nein, sie öffnet, man kennt das ja (zu bemitleiden, wer nicht) aus eigener Erfahrung, auch die Augen. Plötzlich ist alles ganz klar, scheint der Weg geebnet, der Sinn gefunden, metaphysische Einheit mit der Welt geschaffen. Harry also bei DAF in Düsseldorf, irgendwo ganz vorne in den ersten Reihen, der kleine Bank-Azubi, ungläubig nach vorne blickend, elektrisiert zappelnd. Auf dem Rückweg ins noch immer piefig-muffige München dann das in Folge solch körperlich erlebter Sinnstiftung quasi schon obligatorische Weltenretter-Motiv: „Da draußen geschah etwas ganz Großes, ich musste den Leuten zuhause die Augen öffnen!“
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… sondern zwischen oben und unten

Geschichten von der Grenze erzählt Hans-Christian Schmid in seinem neuen, episodisch angelegten Film. Lichter heißt der und ausnahmsweise ist der englische Verleihtitel, oder zumindest der Titel, mit dem das internationale Publikum der Berlinale den Film präsentiert bekommt, passender: Distant Lights. Und um Lichter in der Ferne, diesseits wie jenseits der Oder, geht es auch.
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West Virginia, Mountain Mama. Country Road, take me home!

orsicht ist geboten, nennt ein Filmverleih auf dem Informationsangebot seiner Website die filmischen Vorbilder des neuesten Pferdes im Stall bereitwillig beim Namen: „Inspiriert von Texas Chain Saw Massacre und The Hills Have Eyes", kann man's bei der Constantin im Eintrag zum selbst mitproduzierten Wrong Turn nachlesen. Nun, man könnte noch ohne weiteres Evil Dead (USA 1981) ergänzen, ähnelt die obligatorische „verlassene Waldhütte“ doch frappant jener aus Raimis Debüt, und wenn’s ganz allgemein ums Morden im Wald nach sattsam bekanntem Prinzip geht, dann ist auch in der Regel der Freitagskiller Mr. Voorhees nicht allzu weit entfernt. An dessen Redneck-Kostüm erinnern dann auch folgerichtig die Kleidungsstücke der Kannibalenfamilie aus Wrong Turn. Der nicht minder unvermeidbare Wald ist zudem augenscheinlich so unglaublich weltenfüllend, da braucht's schon gelegentlich eingestreute Shining-ähnliche Aufnahmen aus dem Hubschrauber, um diesen Umstand dem Zuschauer stets aufs Neue zu vergegenwärtigen, und John Boormans Klassiker Deliverance wird dann schließlich im Film selbst auch erwähnt: „Kennt ihr denn nicht… ?“ – Ja, doch, wir kennen ihn, genau wie alle anderen. Selbstbedienungsladen Filmgeschichte also?
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Voll Frontal

Es mag etwas nach feuilletonistischer Sophisterei klingen, attestiert man Steven Soderbergh den Bruch als einzige Kontinuität in seinem Werk, ja geradezu als Motiv desselben. Seien es die vielfältigen Brüche in der Filmographie – mit Erin Brockovich (USA 2000) und Traffic (USA 2000) gab's hochkarätigen Oscarstoff, dann Starensemble-Popcornkino, gefolgt vom rohen Kunstfilm wie eben Full Frontal im Nahezu-Homevideo-Look, vom hierzulande nie gesehenen, äußerst skurrilen Schizopolis (USA 1996) habe ich gar nicht erst angefangen, zu schrieben – oder aber auch seine das bloße Material rigoros miteinbeziehende Auffassung vom Filmemachen – die oft schon willkürlich anmutenden Cutter-Spielereien in The Limey (USA 1999) und in Solaris (USA 2002) etwa – oder aber eben auch der Wechsel des Filmmaterials selbst, mitten im Film. Full Frontal löst, von dieser Perspektive aus gesehen, somit alles ein, was einen Soderberghfilm ausmacht: Der Film befindet sich im Werk seines Machers an einer äußerst seltsamen Stelle, das Filmmaterial "springt" zwischen Film und grobkörnigstem Videomaterial, die Montage weist eine Vielzahl von nicht selten verwirrenden Jump-Cuts auf, wie überhaupt das Gefüge der innerfilmischen Realität aufgebrochen, bzw. gefaltet wird. Hier und da ist der Film so grotesk wie Schizopolis, dann ist er schon fast im Dogma'95-Sinne dokumentarisch-realistisch, bricht schließlich und letztendlich aber unsere Annahme vom verwackelten DV-Bild als ein "authentisches" und inszeniert seinen Film als kaum noch dechiffrierbaren Film-im-Film-im-Film. Eigentlich alles wunderbar, sollte man meinen.
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Ein Tag im Leben des Andrej Arsenewitsch

Etwas hin und her gerissen ist man zunächst: Da versucht also einer, Chris Marker (nahezu im Alleingang), auf Teufel komm raus die melancholischen, oft tristen, dennoch aber immer eigentümlich schönen Bilderwelten der Filme Tarkowskijs mittels Parallelmontage und erklärender Tonspur als, gewissermaßen, ikonographische Vorwegnahme auf der Leinwand seiner, Tarkowskijs, letzten Lebenstage zu zeichnen. „Ein Tag im Leben des Andrej Arsenewitsch“ weiterlesen

Who killed the TV Star?

Der etwas bodenständigere Zwilling zu George Clooneys Regiedebut: auch hier ein TV-Star, den die Geltungssucht in die Medien treibt, den vor allem aber die Libido umtreibt, auch hier ein retro-chices Ästhetikdestillat der 60er und 70er. Allein, in Auto Focus geht's ein wenig ernsthafter zu als beim "The Showbiz Must Go On"-Kollegen. Bob Crane steht hier im Mittelpunkt, den man hierzulande wohl vor allem als Hogan aus Ein Käfig voller Helden, dieser bisweilen recht witzigen Klamotte im Nazi-Gefangenenlager, kennt, und wie er – Schrader bleibt sich treu – einsam in der Masse ist, mit den Konventionen seiner Zeit nicht umzugehen weiß, an diesen zusehends zu ersticken droht. Am Ende ist er tot: ermordet, 1978, der Schuldige wurde nie gefasst.
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Otésanek

Adaption des gleichnamigen, über die tschechischen Landesgrenzen hinaus kaum bekannten Märchens mit Witz: Verlegt in unsere Neuzeit, entblättert sich nicht nur die Erzählung des Märchens, nein, ein den Verlauf des Geschehens beobachtendes Mädchen wird sich dessen gewahr – es kennt das Märchen aus dem Buch! – und versucht das drohende Ende zu verhindern. Dass das nicht klappt, ist schon allein Svankmajers Vorliebe für die Verquickung des Organischen mit dem Mechanischen geschuldet: Das Organische wird gleichsam mechanisch, das Fleischliche ist stets im fremdbestimmten Fluss, der Vorgang gleich welcher Art ist nur als automatisiert verstehbar.
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Ihr könnt uns nicht entkommen!

Groundhopper nennen sich Fußballfans, die rund um den Erdball reisen, um möglichst viele Spiele in fremden Arenen zu sehen. Kein Weg ist ihnen zu weit, und keine Kosten werden gescheut. Dafür ernten sie Respekt bei Gleichgesinnten und Kopfschütteln im sonstigen Bekanntenkreis. Zora, Silvia, Stefan, Katrin und Co. stehen auch immer in der ersten Reihe, wenn ihre Helden aufspielen. Notfalls geht es sogar bis nach Tokio, all das gehört zum Fan-Dasein. Doch sind sie keine Fußballfans, hier soll es um die größten Fans der selbst ernannten „besten Band der Welt“ gehen: Die Ärzte – bekanntlich aus Berlin.
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What Time is it there?

Liebestrunken sitzt Hsiao-Kang in Taipeh/Taiwan nachts vor dem Fernsehschirm, schaut sich sehnsüchtig Truffauts 400 COUPS (F 1959) an, denn seine Liebste, Shiang-Chyi, lediglich eine Projektionsfläche, weilt in Paris, wo sie, wie wir wenig später sehen werden, etwa zum gleichen Zeitpunkt auf einer Parkbank sitzt, neben sich – Nanu! – Jean-Pierre Léaud. Hektisch kramt sie in ihrer Tasche, sucht, wie sie Léaud auf dessen Frage nebenbei antwortet, nach einer Telefonnummer, nach Hsiao-Kangs Nummer, wie wir wissen, auch er fungiert als Projektionsfläche. Ganz französischer Charmant kritzelt Léaud die eigene Nummer auf einen Zettel, reicht ihr diesen mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht, stellt sich als „Jean-Pierre“ vor und meint, da habe sie nun eine – seine – Telefonnummer. Mal ganz ehrlich, muss man einen Film nicht alleine schon für diese Szene, diese Idee lieben?
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Gangs of Rio de Janeiro

Schwarze Leinwand, wirbelnde Rhythmen, – Schnitt –, ein Messer zerschneidet das Dunkel, sogleich wieder von der Schwärze verschlungen, – da! – wieder! Es wird gewetzt, in der Detailaufnahme, geschärft wie unser Blick, dieser muss sich zurecht finden in der schnellen Monatge, im schnellen Bildersturm des Films – mitten in der Vendetta! Oder etwa doch nicht? Das Messer wird gewetzt – soviel ist sicher, das haben wir gesehen -, nicht aber um Menschenkehlen zu schlitzen, nein, ein Huhn soll dran glauben! Ein ausgelassenes Fest! Singende Menschen, fröhliche Menschen, keine Vendetta, nirgends. Oder etwa doch nicht? Das Huhn flieht, konsterniert ob des Schicksals, es wird gejagt, Schusswaffen werden wie beiläufig den Bildkader getragen. „Holt das beschissene Huhn zurück! Knallt es ab!“ Dann plötzlich die Gewalt, Menschen werden umgerannt, die zuvor Lachenden, ganz schön aggressive Schweine sind das. CITY OF GOD spielt im wesentlichen mit den zwei Wahrnehmungsebenen eines Bildes: dem Bildinhalt als solchen und dem Kontext, in dem dieser formuliert wird. Was hier, in wenigen Sekunden, mittels hektischer Einstellungen und Schnitte kommuniziert wird, ist nichts weniger als das strukturelle Konzept des Filmes: Das Spiel mit dem scheinbar eindeutigen Bild und seiner nicht ganz so eindeutigen Aussage. Wir befinden uns auch gar nicht am Anfang der Erzählung, stehen vielmehr am Anfang vom Ende des Films, sehen die bis an die Zähne bewaffneten Menschen vor uns noch mit unschuldigem Blick, wissen nicht um ihre Geschichte. Dann also der Sprung um 10 Jahre zurück, ins Jahr 1968, an den Beginn des Ganzen. Wie entwickelten sich die Fronten, deren Zeuge wir gerade wurden? Füllen wir die Menschenhülsen auf der Leinwand mit Biographie, ergänzen wir den Bildersturm um Kontext!
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Vorhof zum Paradies

Um nichts geringeres als um den schönsten Moment des Lebens geht es, bzw. um die Auswahl desselben. Drei Tage lang hat man nach dem Tod für diese schwierige Aufgabe Zeit, doch wird man damit zum Glück nicht alleine gelassen. Gänzlich unspektakulär tritt man durch eine Pforte, die die Lebenden von den Toten trennt, verweilt eine Woche lang in einer Art Schulgebäude, bekommt dort einen persönlichen Berater zur Seite gestellt und beginnt, sein Leben in besagter Spanne Revue passieren zu lassen, jenen Moment zu destillieren. Den Rest der Woche schließlich beschäftigen sich jene Berater mit dem erörtertem Stoff, besorgen Requisiten, konzipieren eine liebevoll improvisierte Inszenierung und drehen schließlich, am Ende des Turnus, einen Film aus dieser Erinnerung. Den bekommen die zwischen den Daseinsebenen Verweilenden dann im Kino gezeigt, werden schließlich endgültig ins Jenseits entlassen, wo allein jener Film gewordene Moment größten Glücks in einer Art Loop ihr Bewusstsein erfüllen wird. Am nächsten Tag dann die nächsten Verstorbenen, eine neue Woche nimmt ihren Lauf.
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My Bonnie is over the Ocean!

Remake des, zumindest international, gleichnamigen Films von Lina Wertmüller aus dem Jahr 1974: Tony (Bruce Greenwood), ein überaus reicher Funktionär der Chemiebranche, mietet für sich und seine nicht minder wohlhabenden Freunde aus den USA einen zur Yacht umfunktionierten Kutter für einen Urlaub auf dem Mittelmeer. Seine Gattin Amber (Madonna) ist dabei ganz besonders zickig und großkotzig, macht vor allem dem jungen Matrosen Giuseppe (Adriano Giannini, in der Rolle seines Vaters aus dem Original) die Arbeit auf dem Schiff zur Hölle. Wie das Drehbuch es so will, stranden beide nach einem vermeidbaren, durch Ambers bornierter Dummheit aber geradezu provozierten Zwischenfall auf einer einsamen Insel. Dort wird der Spieß genüsslich umgedreht: Vollkommen von Giuseppes Know-How, in der Wildnis zu überleben, abhängig, erduldet Amber so manche Lektion in Sachen Demut. Selbstverständlich aber – wer hätte nach unzähligen, teils äußerst groben Erniedrigungen und einer Nahezu-Vergewaltigung daran auch Zweifel – verliebt sich Amber in Giuseppe und umgekehrt. Das vormoderne Paradies auf Erden scheint nunmehr entdeckt, man liegt am Strand, aalt sich in der Sonne, vögelt durch die Wildnis, sagt sich liebe Worte und ist im wesentlichen ganz und gar bei sich. Als ein Schiff in der Bucht auftaucht, schlägt Amber das Versteck vor, doch Giuseppe besteht auf den wahren Beweis ihrer Liebe: Beruht ihr gemeinsames Glück nur auf den Bedingungen der besonderen Situation oder haben beide auch in Ambers Welt eine Chance auf die große Liebe?
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About Schmidt

About Schmidt macht unumwunden Spaß, soviel ist sicher, und Nicholson fährt alle Register seines Könnens auf, legt eine one-man-show hin, die einmal mehr seinen Ruf als einen der größten Schauspieler unserer Zeit zementieren und ihm unter Umständen sogar den 4. Oscar seines Lebens einbringen wird. Schön, dass nicht alle Ikonen der Zunft, im Gegensatz zu Robert de Niro etwa, ihre Reputationen im fortgeschrittenen Alter zusehends verspielen.
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Steven Soderbergh und seine Filme

Stefan Rogall (Hrsg.): Steven Soderbergh und seine Filme, Marburg: Schüren 2003

Längst schon ist die „Gelbe Reihe“ aus dem Marburger Schüren Verlag so obligatorischer Bestandteil wie liebgewonnene Tradition der hiesigen Filmbuchpublizistik. Bereits seit geraumer Zeit erscheinen in diesem Rahmen Monografien und Aufsatzsammlungen mit populärwissenschaftlichem Anspruch über mit Bedacht ausgewählte Regisseure. Eine Grundproblematik der Reihe offenbart indes schon der konzeptbedingt stets gleich strukturierte Titel: Der Filmemacher und seine Filme. Die Spiegelung des Werks in der Person des Autors also oder umgekehrt, ein Portrait gar des Künstlers an sich, nachgezeichnet anhand seiner Filme. Eine filmwissenschaftlich gewiss nicht unumstrittene Arbeitsweise, die den Balanceakt sucht, in vorangegangenen Beispielen sogar nicht selten gelungen vollzog.
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The Legend Of Gingko

Der Name deutet es bereits an, episch soll es in THE LEGEND OF GINGKO zugehen, episch und, wie wir gleich im Vorspann erfahren, nationalmythisch. Von zwei Völkern ist dort die Rede, den Hawks und den Volcanos, deren Schicksale im völkisch-historischen Sinne vom Gott eines heiligen Berges gelenkt werden. Hierbei haben die Hawks, ein elend böse gezeichnetes Grüppchen, als vom eigenen Land und Boden Vertriebene klar den kürzeren gezogen, wohingegen es sich die Volcanos, ganz klar auch die Sympathieträger des Films, ganz heimelig einrichten durften. Doch noch besteht Hoffnung für die Hawks, spricht doch die Prophezeiung davon, dass der Fluch, der über ihnen liegt, gebrochen werden kann. Und zwar dann, wenn – Samenraub ist auch in archaischen Zeiten groß in Mode – dem König der Volcanos von der Königin der Hawks ein Kind abgerungen werden kann und dieses während einer Mondfinsternis im Tempel der Hawks geopfert wird. Dann springe die Seele des Kindes auf das „Schwert des Himmels“ über, mit welchem nicht nur der Gott des heiligen Berges besiegt, sondern auch der Fluch gebannt und zusätzlich die Volcanos auch noch ausgelöscht werden können. Ganz so glatt geht das natürlich nicht über die Bühne, denn der Säugling, die kleine Vee, wird während des Zeremoniells in letzter Sekunde von ihrem Vater gerettet und in einem Dorf vorm Zugriff der Hawks versteckt. Jahre später, Vee ist mittlerweile zu einer jungen Frau heranwachsen, geben die Hawks natürlich noch immer keine Ruhe: eine neue Mondfinsternis naht, die Klauen werden erneut ausgestreckt. Dass sich gleich zwei der jungen Volcanokämpfer in Vee verlieben, dass Vee zudem durch einen selbstgewählten Opfertod die Volcanos retten könnte, macht die Sache zunehmend verstrickter – das Schicksal der beiden Völker lässt sich nur im Schicksal der Liebenden fortschreiben.
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Endlich!

Welch eine bewegte Geschichte: bereits in den Sechzigern geplant, immer wieder verschoben, von Produzenten verworfen, weiter und weiter konzipiert, immer wieder angekündigt, stets präsent, bis endlich – endlich! – in den späten Achtzigern in Italien unter äußerst zweifelhaften Produktionsbedingungen die erste Klappe fallen konnte. Ein Kind, geboren aus Leidenschaft und totaler Hingabe. Kinskis persönlichster Film, sein Vermächtnis, den eigenen Tod vorausahnend, an die eigene Biographie angelehnt, diese dennoch mythisierend, all das und darüber hinaus ein Stück europäischer Filmgeschichte. Entstehen konnte der Film, dessen war sich Kinski sicher, nur in Italien, jene Filmnation mit einer ganz eigenen Affinität zum Film und dessen Schaffungsprozess. Und in der Tat: der Film wirkt wie das in einem einzelnen Produkt kulminierte europäische Kino der 60er bis 80er Jahre: klassischer Autorenfilm, der Trash-Appeal der goldenen Ära der Co-Produktionen von Franco über Wendtland hin zu Joe D’Amato, Softpornographie, manische Kunst, all das in einem vereint. Ein Abgesang gewissermaßen – dass er Venedig, irgendwie immer auch Sinnbild des alten Europas, wie kaum ein zweiter Film in Szene setzt passt da nur zu gut.

Ein Film, der in sich solch bewegte Geschichte vereint, hat es eigentlich kaum noch nötig, eine eigene zu erzählen. Warum auch, wofür? Alles an diesem Film ist bereits Legende, bedient sich klassischer Stoffe, verhandelt Mythen neu. Paganini, Kinski, die europäische Kino-Tradition, Venedig, Musik als Aphrodisiakum, der Künstler gegen die Wächter der Moral, der Künstler, der sich selbst für seine Passion zugrunde richtet – eine Ausformulierung ist nicht nötig, es reicht das Zitat, die Andeutung, das Zeichen. Auf was es ankommt, ist das Verschmelzen dieser Zeichen und nicht deren kohärente Einbettung in ein narratives Ganzes. Klassisch erzählt wird wenig in diesem Film, er versteht sich eh als Akt der Selbstinszenierung der Zwitterpersönlichkeit Kinski-Paganini, die dem Film seinen Namen gab, als ausgeschmücktes Bild – ein Panorama mit Details, Bildnis einer Persönlichkeit im Widerstreit mit ihren eigen Lüsten, den Widrigkeiten und den Leidenschaften.

Nun ist der Film Jahre später nun auch endlich – endlich! – auch regulär in die Kinos gekommen, eine Auswertung auf VHS wurde ihm ebenfalls – einem passionierten Kinski-Anhänger sei Dank! – gegönnt. Die Fans und Anhänger Kinskis pilgerten zuhauf in die Kinos, kauften die Edition – ein Stück traurige Filmgeschichte wurde wieder gut gemacht. Obwohl ein kleiner Stich geblieben ist: die „versione originale“, wie Kinski seinen eigenen, persönlichen Cut zu nennen pflegte, galt als verschollen, unauffindbar, auf ewig verloren. Das, was in den Kinos zu sehen gewesen war, war lediglich die von den Produzenten entschärfte und umgeschnittene Fassung des Filmes. Besser als nichts, zugegeben, und auch in dieser Fassung wirkt KINSKI-PAGANINI noch immer als das opulente Gemälde, das es ist, noch immer lebt der Film von der ungeheuren Präsenz Kinskis, die in diesem Film wie in kaum einem zweiten zu spüren ist, doch der krönende Abschluss der langen Odyssee dieses Ausnahmefilms ist es (noch) nicht gewesen und sollte auch weiterhin auf sich warten lassen.

Doch vor kurzem war es dann soweit, eine kleine Sensation machte die Runde in der Filmwelt: In Kinskis umfangreichem Nachlass wurde doch in der Tat noch eine erhaltene Arbeitskopie der „versione originale“ gefunden, komplett geschnitten und mit Ton unterlegt – ein Schatz der Filmgeschichte, der erfolgreich geborgen wurde. Eine Auswertung auf DVD, eh schon lange fällig, bot sich da nur noch dringender an. Jedoch scheint die Odyssee symptomatisch für diesen Film zu sein, interessierten sich doch immer wieder Labels für den Film, sprangen aber – oft wegen geringfügiger Kleinigkeiten wie Differenzen hinsichtlich der Covergestaltung – wieder ab. Mit spv hat sich nun ein noch unbeschriebenes Blatt in der Welt der DVD-Labels gefunden, welche der langen Reise dieses Films nun endlich – endlich! – ein würdiges Ende bereitete: seit 03. Februar liegt KINSKI-PAGANINI auf DVD vor. Ungeschnitten. Und in der „versione originale“. Wenige Wörter, sicherlich, doch erzählen sie viel von Passion und der Crux eines unvergleichlichen Künstlers.

Es ist ein schönes Set geworden, das kann man vorab festhalten. Neben dem lange schon herbeigesehnten Kinski-Cut befindet sich auf der ersten dieser zwei DVDs die reguläre Kinofassung – interessant, ja, danke auch, aber die kennt man schon, also weiter! Das augenscheinlichste an der „versione originale“ ist die geänderte syntaktische Struktur des Filmes – so beginnt der Film schon mit komplett anderen Sequenzen als die bisher bekannte Fassung und besticht auch im weiteren Verlauf durch eine andere Montage der einzelnen Elemente. Ferner ist sie um ca. 12 Minuten länger, ergänzt durch expliziteres Material, das Kinskis künstlerische Manie, seinen Willen, ein umfassendes Portrait seiner eigenen Dämonen, die ihn ritten, auf die Leinwand zu zaubern, noch drastischer und intensiver zu illustrieren weiß. Doch bei aller Freude, die die schlussendlich ermöglichte Verfügbarkeit dieser Schnittversion bereitet, muss auch gesagt werden, dass es sich hierbei um eine Auswertung einer Arbeitskopie handelt, die gewohnten Bild- und Tonstandards natürlich beileibe nicht das Wasser reichen kann. Da es sich aber vermutlich um die einzige Möglichkeit handelt, den Film überhaupt in der vom Schöpfer konzipierten Version zu sehen, sollte dieser Aspekt kaum eine Rolle spielen – der filmhistorische Gewinn übertüncht solch Kleinigkeiten mit Leichtigkeit. Schade nur, dass spv der „versione originale“ – aus welchen Gründen auch immer – keine deutsche Untertitelung gegönnt haben, wohingegen doch die Kinofassung – eine deutsche Synchronisation liegt nicht vor, eine nachträglich angefertigte wurde uns zum Glück ebenfalls erspart – mit einer solchen aufwarten kann. Die altbekannte Version liegt indes in einer absolut befriedigenden Bild- und Tonqualität vor, wenn auch die Möglichkeiten einer DVD nicht vollends ausgereizt wurden.

Auch was die Extras angeht, werden die zahlreichen Anhänger Kinskis reich belohnt: mit „Gewaltig – Erinnerungen an Klaus Kinski“ bekommt man einen netten, anekdotenreichen Einblick in die Bedingungen der Produktion von KINSKI-PAGANINI, eine schöne Bildergalerie mit allerlei seltenen Aufnahmen und Erinnerungsstücken sowie den Original-Kinotrailer präsentiert. Auf der DVD der „versione originale“ befinden sich als Bonus knapp 50 Minuten Rohmaterial, welches zum Teil in keiner der beiden vorliegenden Versionen Verwendung fand oder umgeschnitten ist. Mit „Kinski dreht Paganini“ gibt es ferner eine Art Making Of, das seinen Namen im Gegensatz zu den meisten anderen Vertretern dieses Genres auch in der Tat verdient. So erhalten wir in knapp 50 Minuten vielfältige Eindrücke von den Dreharbeiten und erleben den Schaffungsprozess – unter anderem Kinski auch an der Kamera – dieses außergewöhnlichen Filmes mit. Auf einen altklugen Kommentar oder ergänzende Hinweise wurde verzichtet, die Bilder und Impressionen sprechen für sich und Kinskis Arbeitsweise am Set. Die legendäre, wenn auch sehr kurze Pressekonferenz in Cannes, in der Kinski das Gremium des Festivals wüst wegen deren Verweigerung, KINSKI-PAGANINI ins Festivalprogramm aufzunehmen, beschimpft, rundet die DVD gelungen ab.

Unterm Strich herrscht Begeisterung. Begeisterung für den Film, das sowieso, aber vor allem auch Begeisterung für diese filmgeschichtlich ungemein wichtige Edition der „versione originale“, die nun endlich – ich wiederhole mich ja nur ungern, aber dennoch: endlich! – ihren Weg in die weite Welt gefunden hat. Zum Glück waren Freunde des Kinski’schen Schaffens am Werk, so dass man mit dieser Edition eine im Gesamtbild vollkommen zu überzeugen wissende im heimischen Regal unterbringen darf. „Was mich interessiert ist, daß das Kinopublikum meinen Film sieht. Der Kampf um den Verleih meines Filmes wird nicht eher enden, als bis die ganze Welt Kinski Paganini sehen kann.“, schrieb Klaus einst im 3. Teil seiner Autobiographie „Kinski-Paganini“. Wenn es einen Himmel gibt, dann lächelt Klaus gerade. Es sei ihm gegönnt.

Kinski Paganini
Italien, 1988
Regie, Drehbuch, Schnitt: Klaus Kinski
Kamera: Pier Luigi Santi
Darsteller: Klaus Kinski, Nicolai Kinski, Debora Kinski,
Dalila Di Lazzaro, Tosca D’Aguino, Eva Grimaldi, u.v.a.