Steven Soderbergh und seine Filme

Stefan Rogall (Hrsg.): Steven Soderbergh und seine Filme, Marburg: Schüren 2003

Längst schon ist die „Gelbe Reihe“ aus dem Marburger Schüren Verlag so obligatorischer Bestandteil wie liebgewonnene Tradition der hiesigen Filmbuchpublizistik. Bereits seit geraumer Zeit erscheinen in diesem Rahmen Monografien und Aufsatzsammlungen mit populärwissenschaftlichem Anspruch über mit Bedacht ausgewählte Regisseure. Eine Grundproblematik der Reihe offenbart indes schon der konzeptbedingt stets gleich strukturierte Titel: Der Filmemacher und seine Filme. Die Spiegelung des Werks in der Person des Autors also oder umgekehrt, ein Portrait gar des Künstlers an sich, nachgezeichnet anhand seiner Filme. Eine filmwissenschaftlich gewiss nicht unumstrittene Arbeitsweise, die den Balanceakt sucht, in vorangegangenen Beispielen sogar nicht selten gelungen vollzog.

„Steven Soderbergh und seine Filme“ fügt sich strukturell bestens in die Reihe ein: Der Kanon definiert sich, wie gewohnt, auch hier erfreulicherweise nicht an der hiesigen, lückenhaften Verleih- und Editionslage, sondern direkt am Oeuvre des Regisseurs. Je ein Kapitel wird den einzelnen Titeln gewidmet, vorneweg findet sich eine kommentierende Einschätzung von Vita und Werdegang, hintan stehen ein aktuelles Interview sowie eine ausführliche Filmo- und Biografie. Alles wie gewohnt also.

Der rigiden Arbeitszeitökonomie – der Zeitplan der Kinoverleiher bestimmt den Redaktionsschluss – ist es wohl geschuldet, dass man sich für einen arbeitsteiligen Prozess entschied, der das zu beobachtende Werk unter einer kleinen Schar Autoren aufteilt. Notgedrungen stehen die einzelnen Filmkapitel somit eher nebeneinander als eine geschlossene Einheit mit Bezugspunkten im Sinne einer somit kaum zu bewerkstelligenden, den einzelnen Filmen übergeordneten Untersuchung zu bilden. Dennoch wurde sich sichtlich bemüht, charakteristisch in sich geschlossene Phasen vom gleichen Autor bearbeiten zu lassen. Allen Filmkapiteln gemein ist indes der Aufbau: Einer kompletten Synopse folgen Produktionsnotizen, angereichert mit biografischen Details, Spekulationen über künstlerische Beweggründe und zahlreichen Blicken hinter die Kulissen der Filmwirtschaft, wiederum gefolgt von Analyse und Interpretation.

Populärwissenschaftlichen Standards gemäß, bewegt man sich eher auf dem Niveau cinephiler Schwärmerei oder – je nach Beziehung des Autoren zum Objekt – Empörung mit etwas filmwissenschaftlichem Kolorit. So gleichen die Essays – wenn sie denn nach seitenlang vorgetragenen, meist jedoch eher unerheblichen Details, aus welchen Beweggründen sich Soderbergh etwa für welche Projektrealisierung entschied, warum dieser oder jener Produzent sich dem Projekt in den Weg stellte und so weiter, endlich zum Kern vordringen – eher breit angelegten Filmkritiken, die allein dem Zweck dienen, das Geschmacksurteil des Autors argumentativ zu belegen, bzw. den Leser von dessen Gültigkeit zu überzeugen. Das ist an sich nun noch nichts schlechtes, an einigen Stellen, dann nämlich, wenn sich’s nur noch um die Geschmäcklerei dreht, hätte man sich aber doch ein etwas verbindlicheres Theoriekorsett gewünscht. So erfahren wir etwa, dass Hans Gerhold, der doch noch gerade auf den Seiten zuvor Sex, Lies and Videotape (USA 1989) recht gelungen diskursiv zu verorten wusste, Kafka (USA 1991) für „künstlerisch gescheitert“ und auch ansonsten für weitgehend missraten hält. Belegt wird diese Einschätzung im Wesentlichen damit, dass Soderberghs Kafka eben nicht dem historischen entspreche, dass Kafka als Person bereits zuvor von anderen anders – und zwar, warum auch immer, besser – filmisch aufbereitet wurde, dass der Film ja doch eigentlich nur Filmepochen – Hammer, US-Gangsterfilme, Film Noir, Welles und Wilder werden genannt – zitiere, was wohl allein schon cineastischer Gründe halber nicht für Qualität bürgen könne.

In Uwe Raschs Betrachtung von Full Frontal (USA 2002) wird’s indes noch etwas galliger, will hier doch ganz offensichtlich mit der Leidenschaft eines Romanciers der Regisseur gegen die, in diesem Falle sehr verhaltene, Filmkritik verteidigt werden. Das muss, offenbar notgedrungen, in Grabenkämpfe – „Ihr habt ihn nicht verstanden, das zahle ich Euch heim!“, scheint er zu rufen – münden: Nach endlosen Zitaten von Pressetiraden – „Senge“, schreibt Rasch -, wird einmal mehr das Klischee vom griesgrämigen, lieblosen, letztendlich eigentlich ja unfähigen Kritiker fortgeschrieben. Konsequenterweise wird dann ganze zwei Seiten der angeblich so desaströse state of the art der Filmkritik beweint und mit dem Hinweis, „die“ hätten wohl eh alle aufgrund jobbedingten Sonnenlichtmangels Vitamin-D-Mangel, infolgedessen aufgeweichte Schädel – „Kinorachitis“ -, Land zu gewinnen versucht. Das ist, gelinde gesagt, albern, eigentlich sogar infantil, und im Rahmen auch einer populärwissenschaftlichen Untersuchung deplaziert. Als Beweis für die vermeintlich snobistisch verkannte Güte des Films dient im Folgenden eine Diskursanalyse, die, hier und da vielleicht etwas arg salopp, versiert durchgeführt wird und als Erklärungsmodell für Soderberghs in der Tat verwirrenden Film durchaus herhalten kann. In der Hartnäckigkeit aber, mit der Rasch anhand dieser Ausführungen Full Frontal cineastische Weihen angedeihen lassen möchte, vermittelt sich doch nur einmal mehr der cineastisch-schwärmerische Irrglaube, eine generelle Analysierbarkeit von Diskurs und Ästhetik stelle gleichzeitig auch ein objektives Kriterium zur Qualitätsmessung dar. Seinen eigentlich sehr interessanten Überlegungen steht Rasch dergestalt leider selbst etwas im Wege. Man kann also von Glück reden, dass Soderbergh mit The Limey (USA 1999) einen wahrhaftigen Kritikerliebling geschaffen hat, sieht sich Uwe Rasch somit doch nicht dazu gezwungen, weitere Geschütze aufzufahren, um die Kritik ihrer Grenzen zu verweisen, und konzentriert sich so erfreulicherweise auf eine sehr detaillierte wie kenntnisreiche Analyse von Soderberghs gewieftem Montageexperiment, dem sogar mit einem umfangreichen Sequenzprotokoll zu Leibe gerückt wird.

Nach der Lektüre herrscht Zwiespalt. Unter einer Flut von weitgehend nebensächlichen Hintergrunddetails und Boxoffice-Infos, von Geschmacks- und Vorliebenbekundungen wie -argumentationen findet sich in der Tat – wenn auch in Folge einer etwas heillosen Vermengung all dieser Sphären nur schwer destillierbar – der eine oder andere bemerkenswerte, inspirierende Gedanke, den es, in etwas anderer Umgebung, weiterzuspinnen gelohnt hätte. So bleibt ein merkwürdig unentschlossenes Buch – nicht ganz für die Fans, nicht ganz für die Filmwissenschaft -, das gleichsam als Materialsammlung, Stichwortlieferant und Inspiration für eine noch zu schreibende Auseinandersetzung fungieren könnte. Oben angesprochener Balanceakt ist somit in diesem Falle – angesichts des höchstinteressanten Sujets: leider -, nur sehr bedingt gelungen.

Stefan Rogall (Hrsg.) Steven Soderbergh und seine Filme
Schüren Verlag, 2003
240 Seiten, zahlreiche Abbildungen
ISBN 3-89472-340-8, 16.80 Euro

Thomas Groh

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