My Bonnie is over the Ocean!

Remake des, zumindest international, gleichnamigen Films von Lina Wertmüller aus dem Jahr 1974: Tony (Bruce Greenwood), ein überaus reicher Funktionär der Chemiebranche, mietet für sich und seine nicht minder wohlhabenden Freunde aus den USA einen zur Yacht umfunktionierten Kutter für einen Urlaub auf dem Mittelmeer. Seine Gattin Amber (Madonna) ist dabei ganz besonders zickig und großkotzig, macht vor allem dem jungen Matrosen Giuseppe (Adriano Giannini, in der Rolle seines Vaters aus dem Original) die Arbeit auf dem Schiff zur Hölle. Wie das Drehbuch es so will, stranden beide nach einem vermeidbaren, durch Ambers bornierter Dummheit aber geradezu provozierten Zwischenfall auf einer einsamen Insel. Dort wird der Spieß genüsslich umgedreht: Vollkommen von Giuseppes Know-How, in der Wildnis zu überleben, abhängig, erduldet Amber so manche Lektion in Sachen Demut. Selbstverständlich aber – wer hätte nach unzähligen, teils äußerst groben Erniedrigungen und einer Nahezu-Vergewaltigung daran auch Zweifel – verliebt sich Amber in Giuseppe und umgekehrt. Das vormoderne Paradies auf Erden scheint nunmehr entdeckt, man liegt am Strand, aalt sich in der Sonne, vögelt durch die Wildnis, sagt sich liebe Worte und ist im wesentlichen ganz und gar bei sich. Als ein Schiff in der Bucht auftaucht, schlägt Amber das Versteck vor, doch Giuseppe besteht auf den wahren Beweis ihrer Liebe: Beruht ihr gemeinsames Glück nur auf den Bedingungen der besonderen Situation oder haben beide auch in Ambers Welt eine Chance auf die große Liebe?

„Ich möchte in so vielen mich interessierenden Genres wie möglich arbeiten.“, kommentiert Guy Ritchie seine neueste Arbeit. Die Überraschung ist zunächst gelungen: Bekannt geworden und zu internationalem Ruf gekommen ist Ritchie mit durchgestylten postmodernen Gangsterfilmen wie LOCK, STOCK AND 2 SMOKING BARRELS (UK, 1998) und SNATCH (UK/USA, 2000), mit denen SWEPT AWAY – man hätte es ja eigentlich gehofft, sich im Nachhinein sogar gewünscht – ästhetisch wie stilistisch so gut wie nichts gemein hat. Nein, keine Coolness hier, kaum technisch-verspielter Schnickschnack, SWEPT AWAY steht dazu, von ganzem Herzen eine verkitschte, geradezu erschreckend konventionelle Schnulze zu sein, die brav alle Konventionen abhakt, darüber hinaus aber nichts außer gähnender Leere zu bieten hat. Das fängt schon bei der Umsetzung des doch recht konstruierten Plots an, die es kaum versteht, die Figuren auf der Leinwand in lebendige Menschen zu verwandeln, somit auch kaum Emphatie für dieselben beim Zuschauer entstehen lässt. Alles herzlich egal, was da vorne passiert, man weiß ja eh schon, wie’s weitergehen wird (und hat in der Regel: Recht). Gewürzt wird das ganze mit platter Kapitalismus- bzw. Dekadenzkritik, die der Zuschauer dermaßen mit dem Vorschlaghammer eingedroschen bekommt, dass man am liebsten schreiend den Saal verlassen möchte: Amber schwadroniert davon, dass der Anbieter eines Produktes in der freien Marktwirtschaft mit Recht jeden beliebigen Preis auf dem freien Markt verlangen könne – und wenn ein Blinder sich das Medikament gegen sein Handicap eben nicht leisten könne, dann solle er sich halt einen Job suchen. Diesem Sozialdarwinismus steht dann Giuseppe als gleichsam archaischer, urwüchsiger Typ Mensch, eins mit Natur und dem Authentischen, in der Seele rein vom vergiftenden Mammon, als Gegenentwurf gegenüber. Solche platten Allgemeinplätze, noch nicht mal ansatzweise ironisch vorgetragen, machen einen grausen, von der plumpen Auflösung derselben im Film mal ganz zu schweigen.

Mit behaupteter Tragik will der Film am Ende dann noch das eine oder andere Taschentuch befeuchten, was jedoch bestenfalls für unfreiwillig komische Momente sorgt. Wenn Madonna etwa heimlich ins Telefon haucht, dass sie Giuseppe mehr als ihr eigenes Leben liebe, nun ja, dann ist das vielleicht noch käsiges, albernes Sentiment, das da vorgetragen wird, mitnichten aber die große Oper, die hier mit jeder Einstellung bemüht wird. Aber nun denn, Amber fühlt sich also von der einst so hochgehaltenen Welt der Dekadenz, des Luxus, entfremdet, sehnt sich nach der reinen Welt des Giuseppe zurück, nicht zuletzt auch deswegen, weil ihr Gatte den Braten riecht, sie patriarchisch an sich zu binden versucht. Die heimlich zwischen den beiden Ex-Insulanern verabredete Flucht geht natürlich, der gehörnte Ehemann hat’s listig sabotiert, kräftig in die Binsen, der Hubschrauber fliegt von dannen, zurück in die USA, keine Chance für das somit nur flüchtige Glück, Abspann, Ende, Licht, bitte alle den Saal verlassen. Da können dann wirklich nur noch die ganz hartgesottenen Genrefans dem Film entgegen kommen und ein kleines Tränchen über die Wangen kullern lassen. Der Rest windet sich im Stuhl angeödet hin und her: SWEPT AWAY ist nicht etwa stürmisch, sondern hoffnungslos abgesoffen.

Stürmische Liebe – Swept Away
Swept Away, UK/Italien, 2002
Regie: Guy Ritchie
Drehbuch: Guy Ritchie (nach dem Skript von Lina Wertmüller)
Kamera: Alex Barber
Schnitt: Eddie Hamilton
Darsteller: Madonna, Adriano Giannini, Bruce Greenwood, Jeanne Tripplehorn, Elizabeth Banks, David Thornton, u.a.

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